Leni BreymaierSPD - Vereinbarte Debatte – Internationaler Frauentag
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste auf den Tribünen! Die EU-Kommission veröffentlichte gestern pünktlich zum Internationalen Frauentag ihre Gleichstellungsstrategie für die nächsten fünf Jahre. Das ist eine gute Nachricht für alle Frauen in Europa. Ich wünsche der Kommissarin Helena Dalli viel Biss, Unterstützung und genug Geld bei der Umsetzung ihrer vielfältigen und ambitionierten Vorhaben.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
Dass unsere Ministerin Franziska Giffey dazu eine nationale Gleichstellungsstrategie auf den Weg gebracht hat, ist eine gute Nachricht für alle Frauen in Deutschland.
(Beifall bei der SPD)
Dass für die Umsetzung der europäischen Gleichstellungsstrategie der Gender-Mainstreaming-Ansatz ausdrücklich gestärkt werden soll, macht mich zuversichtlich.
Frau Harder-Kühnel, „Gender“ ist keine Verhunzung der deutschen Sprache, es ist eine Ergänzung der deutschen Sprache, weil wir manchmal sprachlich einfach ein bisschen arm sind.
(Enrico Komning [AfD]: Das ist intellektueller Blödsinn!)
Bei uns gibt es nur das Wort „Geschlecht“, und das steht für das biologische Geschlecht. In England gibt es auch noch ein Wort für das soziale Geschlecht: Biologisches Geschlecht ist dort „sex“, und soziales Geschlecht ist „gender“. Dafür fehlt uns das Wort. Deshalb wenden wir in Deutschland dieses Wort an, und alle außer Ihnen halten es eigentlich auch aus.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank Pasemann [AfD]: Eigentlich wendet das keiner außer Ihnen an!)
Wenn wir Frauenpolitik machen, dann versuchen wir, den großen Berg an Benachteiligungen mit unterschiedlichen Werkzeugen abzutragen, mal ist es der Teelöffel und mal ist es der Schöpflöffel. Während wir diesen Berg abtragen, sitzen an irgendeiner Stelle hinterm Berg welche, die mit der Kohlenschaufel weitere Benachteiligungen anhäufen. Hier setzt der Gender-Mainstreaming-Ansatz an: Wir müssen die mit der Kohlenschaufel abschaffen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen bei allen Beschlüssen, bei allen Verordnungen, bei allen Gesetzen, bei Tarifverträgen, bei allem, was geregelt wird, vor der Entscheidung prüfen: Wie wirkt sich das, was da entschieden werden soll, was geplant ist, auf Männer aus, und wie wirkt sich das auf Frauen aus? Und stellt man fest, dass ein Geschlecht benachteiligt ist, dann muss die Entscheidung geändert werden. Wenn wir das bei allen anfallenden Entscheidungen konsequent anwenden, dann sind wir in fünf Jahren einen guten Schritt weiter, und dann ist der Berg an Benachteiligungen irgendwann auch abgetragen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Ein Ziel an diesem Frauentag 2020 ist die gerechte Verteilung der bezahlten Erwerbsarbeit und der unbezahlten Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen. Es bringt uns nicht weiter, wenn wir Frauen mit wirklich großartigen Programmen unterstützen – gestern debattierten wir über die Ganztagsbetreuung in Grundschulen – und nicht gleichzeitig die Männer in die Pflicht nehmen. Wenn die Frauen 75 Prozent der Sorgearbeit, der Familienarbeit stemmen, ist an echte Gleichberechtigung nicht zu denken. Wenn wir größere Anteile an bezahlter Arbeit übernehmen, müssen wir unbezahlte Arbeit abgeben. Lassen wir die Männer mit aufs Spielfeld und sie nicht nur auf der Tribüne wohlwollend applaudieren, wenn wir am Frauentag unsere Ansprüche formulieren!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Natürlich brauchen wir gute Arbeitszeitmodelle, höhere Tarifbindung, mobiles Arbeiten, Grundrente, gerechte Bezahlung, ein Verbandsklagerecht usw. Aber wenn es bei uns weiter so läuft, dass, wie das Wissenschaftszentrum Berlin jüngst ermittelt hat, Mütter bei Bewerbungen massiv benachteiligt werden, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass Sorgearbeit nicht alleine mit Frauen nach Hause geht.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Doris Achelwilm [DIE LINKE] und Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
25 Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking ist es Zeit für „Fair-Änderung“. Ich wünsche allen Frauen einen wunderbaren und kämpferischen Frauentag. Es ist gut, wenn die Debatte, die wir heute führen, vor Ort fortgeführt wird. Danke an all diejenigen, die vor Ort in vielen Städten und vielen Initiativen die Frauentagsveranstaltungen organisieren!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und immer daran denken: Wir wollen nicht die Hälfte des Kuchens, wir wollen die Hälfte der Bäckerei.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE])
Weil wir den Internationalen Frauentag feiern, noch einen Satz zum Schluss: Ich habe heute Morgen im „Tagesspiegel“ von Huda Khayti gelesen, die in Idlib leidet. Sie hat uns etwas mit auf den Weg gegeben: „Wir wünschen uns nur, in Sicherheit zu leben. Mehr nicht. Wir wollen weder nach Europa, noch wollen wir ein Luxusleben. Nur Sicherheit.“ Meine solidarischen Grüße gehen auch an die Frauen und Kinder in Idlib.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Yvonne Magwas, CDU/CSU, ist die nächste Rednerin.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 150 |
Agenda Item | Vereinbarte Debatte – Internationaler Frauentag |