Kerstin KassnerDIE LINKE - Förderung wirtschaftlicher Betätigung von Kommunen
Liebe Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Oft werde ich gefragt, was ich denn für wichtiger halte: meine vorherige Tätigkeit als Landrätin oder die jetzige Tätigkeit hier im Bundestag.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ja, und was antworten Sie?)
Dann sage ich ganz klar: Das sind beides Seiten einer ganz wichtigen, bedeutenden Medaille, und sie gehören einfach zusammen.
(Beifall bei der LINKEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist aber eine typische Politikerantwort!)
Klar, es hat mir wirklich sehr viel Freude gemacht – es war zwar nicht immer vergnügungssteuerpflichtig, aber ich habe es gern gemacht –, mit Bürgerinnen und Bürgern meines Kreises zusammen Dinge auf den Punkt zu bringen, Lösungen zu suchen, bei Gemeindevertretungen in den Orten der Insel Rügen dabei zu sein oder eben auch mit Vereinen und Verbänden gemeinsam das Leben auf der Insel zu gestalten. Das war eine wirklich sehr schöne Aufgabe, und ich durfte sie zehn Jahre lang machen. Das war wirklich nicht schlecht.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber es hat mir eben auch gezeigt, dass es viele Dinge gibt, die wir auf kommunaler Ebene alleine nicht lösen können. Ein ganz wichtiger Aspekt sind natürlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Und dann kam immer wieder die Frage nach dem lieben Geld: Wie kriegen wir die Dinge, die für die Bürgerinnen und Bürger wichtig sind, gebacken? Was können wir tun, damit wir den Bürgern das, was wir Daseinsvorsorge nennen, auch wirklich gewähren können und – möglichst noch etwas mehr – damit die Bürger sich in ihren Gemeinden, in ihrem Zuhause echt wohlfühlen können?
(Beifall bei der LINKEN)
Dass das natürlich auch gesetzlich so beschlossen ist, zeigt das Grundgesetz. Dort ist ganz klar die Bundesrepublik Deutschland als ein „demokratischer und sozialer Bundesstaat“ definiert. In Artikel 28 Absatz 2 ist auch die besondere Rolle der Kommunen definiert. Wenn wir diese besondere Rolle umsetzen wollen – erinnern Sie sich, wie oft wir hier darüber gesprochen haben, dass wir dank der flexiblen und einfallsreichen Arbeit der Kommunen viele schwierige Situationen lösen konnten? –, dann brauchen wir auch die entsprechenden Rahmenbedingungen, damit das ordentlich läuft.
Dazu ist eben auch eine wirtschaftliche Betätigung nötig. In welcher Form? Das zu organisieren, macht jede Kommune für sich, sie entscheidet, wie sie das am besten tun kann. Ich finde, das ist auch richtig und gut so.
Nun hat aber in den vergangenen Jahren – das ging in den 1990er-Jahren los – die finanzielle Not die Kommunen dazu getrieben, auch andere Wege zu gehen. Das führte zu Privatisierungen, die wirklich einschneidend waren: einschneidend für die Mitarbeiter in den Betrieben, weil sie oft eine andere tarifliche Absicherung bekamen, sie ging aber auch zulasten der Kommunen bzw. deren Einwohnerinnen und Einwohner. Ich erinnere nur an höhere Wasserbeiträge, beispielsweise hier in Berlin oder auch bei mir im Land, in Rostock. Das sind Dinge, die die Bürgerinnen und Bürger nicht wollen. Das müssen wir anders regeln.
(Beifall bei der LINKEN)
Öffentlich-private Partnerschaften scheinen keine Lösung zu sein. Hier gab es in den letzten Jahren immer nur negative Beispiele. Wenn selbst der Bundesrechnungshof feststellt, dass die Zahl dieser praktizierten Vorhaben der Zahl der Fehlleistungen entspricht, dann muss man sagen: Aufgabe schlecht gelöst, das muss weg.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch die Partnerschaft Deutschland ist nach wie vor darauf ausgerichtet, dass die Privatisierung unterstützt und beratend begleitet wird.
(Bernhard Daldrup [SPD]: Das stimmt nicht!)
Das ist nicht der Weg. Wir möchten, dass es den Kommunen tatsächlich ermöglicht wird, das notwendige Tafelsilber für ihre Aufgabenerfüllung zurückzukaufen, sodass sie es einsetzen können für eine gedeihliche Entwicklung in ihren Gemeinden. Dass es da unwahrscheinlich viele kreative Ideen gibt, hat die letzte Zeit gezeigt: Wenn autarke Energiedörfer entstehen, wenn dadurch für die Bürger die Preise tatsächlich sinken, wenn das Dorf neu belebt wird, weil Menschen dort hinziehen, dann ist das eine gelungene Lösung. Wenn selbst Kreise darüber nachdenken, an der Lösung des Wohnungsproblems mitzuarbeiten, zum Beispiel der Kreis Harburg, der in den nächsten sechs bis sieben Jahren 800 Wohnungen bauen will, einfach weil die Not groß ist, dann sage ich: Es ist gut, dass die Kommunen diese Aufgabe für sich übernehmen und entschlossen angehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Da gäbe es noch viel zu tun; denn die Kommunen können auch ein fester Bestandteil sein, um die Herausforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit in Angriff zu nehmen, eben mit ihren Bürgerinnen und Bürgern und deren Einfallsreichtum. Was aber nicht geht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist, den Wettbewerb so anzusetzen, wie Sie es wollen, nämlich nach dem Motto „Der Beste möge gewinnen“.
(Manfred Todtenhausen [FDP]: Wer denn sonst?)
Das geht in der kommunalen Familie nicht.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Für die Menschen! – Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Sie wollen, dass der Schlechteste gewinnt?)
Hier geht es darum, dass wir alle mitnehmen. Kommune stammt vom lateinischen Wort „communis“ ab, das heißt „allgemein“ und „gemeinschaftlich“. Wenn man hier die Gemeinschaft verlässt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann geht das zulasten der Schwächsten in der Kommune. Wir wollen das nicht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das passt zur FDP!)
Das Wort hat der Kollege Eckhard Pols für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7432512 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 150 |
Tagesordnungspunkt | Förderung wirtschaftlicher Betätigung von Kommunen |