06.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 150 / Tagesordnungspunkt 26

Bernhard DaldrupSPD - Förderung wirtschaftlicher Betätigung von Kommunen

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Kollege Bernhard redet und das Wort „Vernunft“ in den Mund nimmt, hat man den Eindruck: Es ist irgendwie Satire.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sie wissen doch: Getretener Quark wird breit, nicht stark. – Und es war ziemlich viel Quark.

(Marc Bernhard [AfD]: Wie sachlich! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das kann der doch nicht! – Gegenruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Er hat sieben Minuten! Da kann man auch kalauern! Sie müssen immer ein bisschen zügig durch das Thema!)

Ich will zum Antrag Folgendes sagen: Er ist im Oktober 2019 hier schon mal behandelt worden. In den Ausschussberatungen hat sich nicht wirklich etwas Neues ergeben. Der Antrag ist überwiegend abgelehnt worden. Ich weiß auch nicht, warum in dieser Sache nun sozusagen ein fast gleichlautender Antrag noch einmal eingebracht wird – aber wie auch immer.

Ich will gar nicht verhehlen, dass viel von dem, was in dem Antrag geschrieben steht, ja durchaus richtig ist. Die Antwort auf die Frage, ob öffentliche Daseinsvorsorge in öffentliche Verantwortung gehört, lautet Ja. Deswegen sind Wege zur Rekommunalisierung auch sinnvoll. Aber öffentliche Verantwortung muss nicht in jedem Fall auch immer in öffentliche Trägerschaft münden. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Gesichtspunkt in dieser Diskussion; denn damit komme ich auf das, was im Zentrum des Antrags steht, nämlich die PD, also die Partnerschaft Deutschland, und die KfW.

Darauf bezogen ist der Antrag – es tut mir leid, das zu sagen – ein Stück weit hinter der Zeit geblieben; denn die Organisation der PD hat sich völlig verändert; darauf wurde in der ersten Rede zu diesem Tagesordnungspunkt schon aufmerksam gemacht. Die PD gehört komplett der öffentlichen Hand. Inzwischen sind neben dem Bund 9 Bundesländer, 54 Kommunen und Landkreise, 3 kommunale Spitzenverbände, 7 Stiftungen, Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts und über 90 öffentliche Mitgliedsgesellschafter dabei. Ich glaube prognostizieren zu können, dass es nicht ganz unmöglich ist, dass demnächst auch das Land Thüringen dabei ist.

Die PD hat viele Vorteile. Sie ist inhousefähig, das heißt, sie kann ohne Ausschreibung von Kommunen beauftragt werden, wenn die Kommunen Anteile an der PD erwerben. Das kostet 1 000 Euro; damit ist keine Kommune überbelastet. Das ist ein eminenter Vorteil, den wir nicht aufgeben dürfen.

Die strategische Ausrichtung der PD hat sich komplett verändert. Ihr Beratungsangebot umfasst Bausanierung, Projektplanung von kommunalen Krankenhäusern, von Rathäusern, von Schulen, von kommunalen Beleuchtungsprojekten und beim ÖPNV usw. usf. Bei den von der PD in diesem Zusammenhang realisierten Geschäften spielen ÖPP, also öffentlich-private Partnerschaften, die in der Tat kritisch gesehen worden sind, so gut wie keine Rolle mehr.

Übrigens ist auch die Beratung bei der Gründung von kommunalen Wohnungsgesellschaften durch die PD – das passiert etwa in Monheim und Paderborn – heutzutage möglich. Sie wird mit über 4 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt unterstützt. Die Beratungsleistungen für die Kommunen sind hingegen häufig genug fast kostenlos; auch das ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Die PD ist also eine Einrichtung, die wir nicht infrage stellen, sondern stärken sollten.

(Beifall bei der SPD)

In einem Ihrer Anträge wird ja auf den Investitionsstau der Kommunen hingewiesen. Die Quelle ist dabei fast immer das KfW-Kommunalpanel. Dahinter steht das Deutsche Institut für Urbanistik, das das erstellt und an dem die Kommunen maßgeblich beteiligt sind. Dessen Chef, Professor Carsten Kühl, empfiehlt ausdrücklich die Zusammenarbeit mit der PD, damit der kommunale Investitionsstau abgebaut werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Das Fazit ist also: Linke, auf in die Gegenwart! Das geht so nicht.

Damit wären wir bei der KfW. Die KfW stellt bereits heute den Kommunen Kredite quasi zum Nullzins zur Verfügung, die übrigens auch für Rekommunalisierungen genutzt werden können. Auch die KfW ist ein vernünftiges und sinnvolles Institut. Das muss man nicht infrage stellen.

Summa summarum ist der vorliegende Antrag meiner Meinung nach nicht auf der Höhe der Zeit. Deswegen lehnen wir ihn auch ab.

Mit dem neuen Antrag wollen Sie, wie übrigens auch die FDP, mit den Ländern auf die Kommunen einwirken. Kollege Pols hat das hier bereits gesagt. Er ist für mich nicht gerade ein Ausdruck von Respekt und Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, aber ich sage mal: Geschenkt! Ich bin, Frau Strack-Zimmermann, sehr überrascht, dass sich die FDP in dieser Frage neu positioniert. Ich finde es ausdrücklich gut, dass Sie sich von Ihrem Mantra „Privat vor Staat“, das Sie jahrelang vertreten haben, verabschieden und dass neue Töne zu hören sind, dass man Rekommunalisierung kritischer sieht, dass man die Kommunen mit ausreichenden Steuereinnahmen versehen will und Ähnliches mehr. Das finde ich positiv und meine es auch so.

Gemeinsam ist uns allen, dass wir die interkommunale Zusammenarbeit fördern wollen. Dazu gibt es gute Nachrichten aus dem BMF, dem Finanzministerium. Die Umsatzsteuerbefreiung, die eben schon angesprochen worden ist, soll jetzt bis 2023 für die interkommunale Zusammenarbeit verlängert werden. Das heißt, wenn sich Kommunen gegenseitig helfen, soll das nicht umsatzsteuerpflichtig werden.

Vielleicht schaffen wir es ja gemeinsam, einen Weg zu finden, die interkommunale Zusammenarbeit bei Rechenzentren, bei Wertstoffhöfen, beim Winterdienst, ja sogar beim Friedhofswesen nicht nach europäischen Grundsätzen von Steuergleichheit von Privaten und Kommunen im Markt, sondern nach dem Grundsatz, dass die Daseinsvorsorge ein Privileg der öffentlichen Hand bleiben muss, zu organisieren. Das wäre gut für die Kommunen und spart den Bürgerinnen und Bürgern eine Menge Geld. Auch das ist ein positiver Aspekt.

(Beifall bei der SPD)

Ich will aber noch auf einen Faktor hinweisen, der besonders wichtig ist. Wenn man wirtschaftliche Betätigung im Bereich der Daseinsvorsorge der Kommunen will, wenn man zu kommunaler Selbstverwaltung steht, zu der Freiheit, dass die Kommunen die Lebensbedingungen ihrer Bürgerinnen und Bürger gestalten können, dann brauchen sie gleiche Bedingungen, und zwar gleiche Bedingungen bezüglich ihrer Finanzierungssituation. Hier haben wir ein großes Problem in der Bundesrepublik Deutschland, weil wir bestimmte Regionen haben – gerade wurde über die Kohleregionen gesprochen, die es nicht nur in Nordrhein-Westfalen gibt –, die sich in einer dramatisch schwierigen Situation befinden. Wenn die Arbeitslosigkeit dort mit durchschnittlich 9,1 Prozent um 50 Prozent höher ist als im Durchschnitt der ostdeutschen Länder, wenn die Gebühren doppelt oder sogar dreifach so hoch sind, wenn die Hebesätze um ein Vielfaches höher sind, sind dort Ungleichgewichte, die wir unter dem Gesichtspunkt der gleichwertigen Lebensbedingungen nie beseitigen können und die von vornherein Handicaps für eine sinnvolle, vernünftige wirtschaftliche Betätigung sind. Daran sollten wir alle denken, wenn wir in der nächsten Zeit über die Beseitigung bzw. Verringerung der Altschuldenproblematik reden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht für die Fraktion der FDP die Kollegin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7432515
Wahlperiode 19
Sitzung 150
Tagesordnungspunkt Förderung wirtschaftlicher Betätigung von Kommunen
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