11.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 151 / Zusatzpunkt 1

Benjamin StrasserFDP - Aktuelle Stunde - Wahlrechtsreform

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute leider ein Thema, das gar nicht so aktuell ist, wie es scheinen mag, weil wir uns über das Thema „Reform des Wahlrechts und Verkleinerung des Bundestages“ ja nicht erst seit ein paar Wochen unterhalten, sondern seit Jahren. Wir hatten als Fraktion der Freien Demokraten bereits im Januar eine entsprechende Aktuelle Stunde beantragt, und ich finde es für dieses Hohe Haus schon traurig und peinlich, dass man seit dieser Aktuellen Stunde keinen Millimeter bei der Reform des Bundestagswahlrechts vorangekommen ist. Das ist Sache dieser Großen Koalition.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Und wir stellen fest: Bis heute liegt nur eine einzige Drucksache mit einem Gesetzentwurf vor. Das ist ein Gesetzentwurf der Fraktionen der FDP, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen. Die Vorschläge von Union und SPD beschränken sich auf Gastbeiträge und Interviews in verschiedensten Zeitungen, in denen alle möglichen Modelle aufgewärmt werden. Aber Sie sind bis heute nicht in der Lage, einen konkreten Vorschlag in den Deutschen Bundestag einzubringen, über den wir hier reden können.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Herr Kollege Heveling, ich bin es auch leid, wenn Sie sagen: Uns fehlt die Zeit, und jetzt ist alles ganz mühsam und schnell.

(Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

Die Wahrheit ist:

(Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Ich habe das Gegenteil gesagt!)

Es ist Ihre Fraktion, die seit Jahren das Thema verbummelt, ausbremst und blockiert.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der AfD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie spielen eine besondere Rolle, weil Sie jedem Reformvorhaben eine Absage erteilen, bei dem auch Sie Mandate verlieren würden. Die Vorschläge, die Sie vorgelegt haben, führen dazu, dass alle verlieren, außer der CDU/CSU-Fraktion. Sie können sich doch nicht ernsthaft wundern, dass wir solchen Vorschlägen nicht zustimmen können.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der AfD)

Herr Heveling, zum Thema Direktmandate. Ich war mit der Kollegin Haßelmann und Ihnen letztes Jahr bei einer Podiumsdiskussion mit Staatsrechtsprofessoren. Wenn Sie das Hohelied auf die personalisierte Verhältniswahl singen, dann sind Sie auch so ehrlich, hier mal zu attestieren, dass ohne eine Reduzierung der Zahl der Wahlkreise eine Verkleinerung des Bundestages mit diesem Wahlrecht nicht möglich ist. Das sollten Sie mal Ihren eigenen Leuten erzählen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Kollege Brinkhaus und Kollege Grosse-Brömer sind heute gar nicht erschienen. Ich kann es verstehen. Sie können einem auch leidtun, weil das Problem der Unionsfraktion, das einer Lösung im Weg steht, drei Buchstaben hat, und zwar: CSU. Diese regionale Kleinpartei aus Bayern blockiert störrisch jeden Kompromissvorschlag.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie legen verfassungswidrige Vorschläge auf den Tisch. Es kann nicht sein, dass Sie uns hier als Parlament so vorführen.

Wir haben am 23. März im Deutschen Bundestag eine Sachverständigenanhörung zu unserem Gesetzentwurf. Diese wird auch glasklar herausarbeiten: Es geht nicht, dass man durch eine Reform des Wahlrechts versucht, Mandate wiederzubekommen, die man zuvor bei Wahlen verloren hat. Wir werden eine Verkleinerung nur dann hinkriegen, wenn alle Fraktionen bereit sind, bei der nächsten Bundestagswahl auf Mandate zu verzichten. Auch hier spielen Sie eine unrühmliche Rolle.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Es ist ein Armutszeugnis, dass seit Jahren kein gemeinsamer Vorschlag der Großen Koalition da ist. Sie laufen sehenden Auges in eine Situation, wo wir bei der nächsten Bundestagswahl hier mit über 800 Kolleginnen und Kollegen sitzen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Containern arbeiten müssen. Das ist alles andere als verantwortlich. Das werden Ihnen die Menschen in den Wahlkreisen auch sagen. Was wir von Ihnen, der CDU/CSU, in den letzten Monaten erlebt haben, waren peinliche Diskussionen: Welcher Abgeordnete ist der bessere: der direkt gewählte oder der Listenabgeordnete?

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Unsinn!)

Ich war am letzten Sonntag auf einer Veranstaltung mit 150 Bürgerinnen und Bürgern. Hier war der direkt gewählte Abgeordnete nicht anwesend, sondern nur der Listenabgeordnete. Was ist denn das für ein Verständnis von uns?

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss. Der SPD muss man fast dankbar sein. Erst hatten Sie keine Meinung, jetzt kommen Sie auf den letzten Metern und schlagen ein Brückenmodell vor. Aber auch Ihr Brückenmodell hat Defizite. Der Oberwitz: Sie wollen nach der nächsten Bundestagswahl eine Kommission einrichten, um die Reform des Wahlrechts zu diskutieren. Haben Sie eigentlich mitbekommen, was in den letzten Jahren hier passiert ist? Wir hatten eine Kommission, die unter anderem an der Union gescheitert ist. Das, was Sie uns hier präsentieren, ist doch keine Lösung. Unser Vorschlag von FDP, Linken und Grünen liegt auf dem Tisch. Wir wollen den Bundestag kleiner machen. Wir wollen die Vertretung auch durch Direktmandate sicherstellen. Und wir wollen, dass der Wählerwille weiterhin über die Zweitstimme abgebildet wird. Wir haben einen Vorschlag vorgelegt, der all dies beinhaltet, der dazu führt, dass dieser Bundestag deutlich kleiner wird. Wir hoffen auf eine Einigung. Aber seien Sie versichert: Wenn diese Einigung scheitert, dann werden wir bis zur Bundestagswahl jeder Wählerin und jedem Wähler erzählen, wer für diese Misere verantwortlich ist: Und das ist die CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Kollege Uli Grötsch.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7433359
Wahlperiode 19
Sitzung 151
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Wahlrechtsreform
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