Friedrich StraetmannsDIE LINKE - Aktuelle Stunde - Wahlrechtsreform
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde ist eigentlich überflüssig, weil wir – wir haben es eben gehört – schon eine Aktuelle Stunde zum Thema Wahlrecht hatten. Außerdem ist das ein Thema, das jeden Tag aktuell ist und das wir in dieser Wahlrechtskommission unter der Leitung von Herrn Schäuble schon anderthalb Jahre bearbeitet haben.
(Beatrix von Storch [AfD]: Die Frist läuft ab!)
Es ist noch mal festzustellen: Ein einziger konkreter Gesetzentwurf zum Wahlrecht liegt vor, und er ist in einer Zusammenarbeit von Linken, Grünen und FDP entstanden und ist zugleich Ausdruck davon, dass wir am Sachthema interessiert sind und uns dafür einsetzen, den Bundestag zu verkleinern.
(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben den konkreten Vorschlag am 11. Oktober 2019 öffentlich gemacht. Wir sind jetzt, ein halbes Jahr später, in dieser Angelegenheit nicht sehr viel weitergekommen, und das ist enttäuschend.
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Es ist nicht nur enttäuschend, es ist schlimm. Denn es ist im Grunde genommen eine Blockadehaltung bei der Union festzustellen, die jedes Gespräch über unseren gemeinsamen Vorschlag verweigert. Wir haben immer deutlich gemacht, dass es ein Gesprächsangebot ist, und ein Gesprächsangebot – das habe ich von diesem Pult aus schon einmal gesagt – muss man auch ergreifen und auf uns zugehen. Aber Sie weigern sich ja komplett – und es liegt wahrscheinlich an der Union, dass Sie da nichts tun –, mit uns zu reden. Zielführend ist das nicht.
(Beifall bei der LINKEN und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist falsch!)
Ich will etwas zum Vorschlag der SPD sagen. Das ist ein Vorschlag – er hat zumindest ein ganz großes Plus; wir als Politiker der Linken teilen das – zur paritätischen Besetzung von Wahllisten zum Deutschen Bundestag.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn uns dieser Schritt nicht weit genug geht. Wir werden sicherlich hart verhandeln müssen und hart verhandeln wollen, um hier zu einem Ergebnis zu kommen, das meiner Fraktion, der Linken, sehr wichtig ist, nämlich zur paritätischen Besetzung aller Parlamente in unserem Land.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)
Was mir am SPD-Vorschlag nicht sehr gut gefällt – darüber muss man in der Tat mal reden –, ist die Kappung der Zahl von Mandaten, wenn eine bestimmte Zahl von Mandaten erreicht ist. Ich halte das allenfalls für diskutabel unter dem Aspekt einer Übergangsregelung. Aber das könnte zumindest eine Gesprächsgrundlage sein, um über eine Begrenzung der Mandatszahlen zu reden.
Die Fraktionen in diesem Haus – das ist, ich glaube, in allen Reden klar geworden – liegen in ihrer Positionierung sehr weit auseinander. Und wieder ist – ich muss wiederum feststellen: das hat die Union zu vertreten – Zeit verstrichen, ohne dass wir zu einer Lösung gekommen sind. Das bedeutet: Im Hinblick auf die nächste Bundestagswahl wird es sicherlich wichtig sein, zuerst eine Übergangsregelung zu schaffen, bevor man ein verfassungsgemäßes Wahlrecht mit Perspektive der Dauerhaftigkeit installieren kann. Wir halten es also für notwendig, dass man über eine solch wenig elegante, aber zielführende Lösung zumindest mal ins Gespräch kommt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sollten uns zu einem Wahlrecht entschließen können – darüber sollten wir verhandeln –, das allen Parteien etwas abverlangt. Damit komme ich zu den Ideen, die aufseiten der Union vorherrschen. Was meine Fraktion, Die Linke, niemals unterstützen wird – das werde ich hier sehr deutlich vortragen –, ist die Idee, die von der Union mehrfach andiskutiert wurde, nämlich eine gewisse Anzahl von Überhangmandaten nicht auszugleichen; mein Vorredner, Herr Heveling, ist schon darauf eingegangen. Es handelt sich bei diesem Vorschlag um einen Bonus, der alleine Ihnen, also CDU und CSU, nutzt, und das werden wir hier nicht akzeptieren.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist eine undemokratische Vorgehensweise.
Es ist auch falsch, rechtlich falsch, wenn hier wiederholt behauptet wird, das Bundesverfassungsgericht habe diese Möglichkeit aufgezeigt. Nein, die Formulierung war etwas anders; das möchte ich noch mal feststellen.
(Ansgar Heveling [CDU/CSU]: 2002 war das anders!)
Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich lediglich festgestellt, dass eine kleine Zahl nicht ausgeglichener Überhangmandate als ungewolltes Ergebnis einer Regelung unter Umständen hingenommen werden müsse. Sie merken es: „ungewolltes Ergebnis“.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie wollen aber ein gewolltes Ergebnis. Das würde ein unfaires Wahlrecht bedeuten, und das machen wir nicht mit. Eine absichtliche Bonusregelung hat das Bundesverfassungsgericht Ihnen nicht in Aussicht gestellt; das wäre ja auch noch schöner.
Schade, dass wir in dieser Sache nicht weiter sind. Es gilt wieder einmal das, was ich hier schon öfter gesagt habe: Meine Fraktion ist gesprächsbereit. Ich glaube, auch die FDP und die Grünen sind gesprächsbereit. Kommen Sie endlich auf uns zu, und legen Sie ein konkretes Angebot auf den Tisch.
(Benjamin Strasser [FDP]: Schon seit Jahren sind wir gesprächsbereit!)
Zur AfD kann ich nur eins sagen: Sie haben sich an der Diskussion über diese Frage nicht besonders zielführend beteiligt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Britta Haßelmann.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7433361 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 151 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Wahlrechtsreform |