Leni BreymaierSPD - Aktuelle Stunde - Wahlrechtsreform
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist schade, dass wir es in dieser Legislaturperiode offenbar nicht mehr schaffen werden, eine grundlegende Wahlrechtsreform auf den Weg zu bringen,
(Karsten Hilse [AfD]: Sie haben schon aufgegeben? Was ist das für eine Einstellung?)
die bereits 2021 greift. In wenigen Wochen beginnen die ersten Nominierungskonferenzen, und wenn sie angefangen haben, ist es nicht mehr möglich, die Wahlkreiszuschnitte zu verändern.
(Karsten Hilse [AfD]: Darüber sind Sie froh!)
Darum schlägt die SPD-Fraktion das sogenannte Brückenmodell vor: Wir lassen es bei 299 Wahlkreisen, die Regelgröße des Bundestags bleibt bei 598 Abgeordneten, und die Zahl der Mandate nach dem Urnengang 2021 wird 690 nicht übersteigen.
(Beifall bei der SPD)
Das soll gegebenenfalls, wenn es gar nicht anders geht, durch eine Kappung der Überhangmandate ermöglicht werden.
Beispiel: Die CDU in Baden-Württemberg holte bei der Bundestagswahl 2017 38 Direktmandate. Bei den Zweitstimmen erreichte sie jedoch gerade einmal ein Drittel aller Stimmen. Das macht 25 Mandate mehr – Überhangmandate –, als das Zweitstimmenergebnis hergab. Diese werden ausgeglichen usw. usf. Dass am Wahlabend bei den Schwarzen im Ländle nur drei Frauen gewählt wurden, also nicht einmal 8 Prozent, ist mehr als eine Petitesse am Rand.
Wenn es nicht anders möglich ist, soll einmalig – in der nächsten Legislaturperiode – auf das eine oder andere Überhangmandat verzichtet werden, sofern sonst die Gesamtzahl von 690 Abgeordneten überschritten würde. Das beträfe dann auch die Ausgleichsmandate.
Außerdem wollen wir in diesem ersten Schritt auch nur Listen zulassen, die paritätisch im Reißverschlussprinzip aufgestellt worden sind. Das ist nicht nur verfassungsrechtlich möglich, das ist auch verfassungsrechtlich geboten.
(Beifall bei der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Das ist überhaupt nicht verfassungsrechtlich möglich!)
Oder wozu wurde Artikel 3 des Grundgesetzes 1994 eigentlich ergänzt? Der Staat verpflichtet sich seitdem, aktiv etwas gegen die Benachteiligung von Frauen und Männern zu unternehmen. Und wo, wenn nicht hier, wollen wir das eigentlich umsetzen?
(Beifall bei der SPD)
Es geht um die Repräsentanz der Bevölkerung. Es ist ein wenig langweilig, das immer wieder zu erklären, aber alle – wirklich alle – Studien belegen: Firmen mit mehr Vielfalt schreiben höhere Gewinne, sind produktiver und innovativer. Das gilt erst recht für dieses Hohe Haus. Oder eben: Ohne Frauen ist kein Staat zu machen.
(Beifall bei der SPD)
Nach der Bundestagswahl 2021 setzen wir eine Reformkommission – so unser Vorschlag – aus Wissenschaftlern, Abgeordneten und Bürgerinnen und Bürgern ein. Dann kommt alles auf den Tisch: die Wahlkreise, die tatsächlich gleiche Repräsentanz von Frauen und Männern, hoffentlich die Pluralität überhaupt, die Modernisierung der Parlaments- und Wahlkreisarbeit. Dann ist Zeit da, und das Ergebnis kann 2025 greifen.
Also, Mandatsobergrenze bei 690, paritätische Listen, Reformkommission: Diese Brücke, die die SPD-Fraktion vorschlägt, ist nicht schmaler als der Fluss, über den sie führen muss. Sie überspannt den ganzen Fluss, und das Geländer der Brücke sichert die Bundestagswahl 2021 und verhindert einen womöglich größeren Bundestag als heute.
(Beifall bei der SPD)
„Blähbundestag“, Herr Wirth, würde ich das nicht nennen. Die Blähungen des Hohen Hauses sitzen seit 2017 einzig ganz rechts hier im Haus.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Absolute Frechheit, was Sie hier erzählen!)
Insgesamt müssen wir uns bewusst machen: Wir brauchen neue Gedanken in der Politik. Da gilt dasselbe wie in der freien Wirtschaft. Man sucht sich gerne Nachfolger, die einem ähnlich sind. Wir brauchen Quoten; denn sonst bleibt es weiter so, dass der 80-jährige Jurist mit grüner Hundekrawatte sich als Nachfolger einen 60-jährigen Juristen mit brauner Hundekrawatte aussucht.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Marc Henrichmann für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7433365 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 151 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Wahlrechtsreform |