Jens BeeckFDP - Berichte zum Bundesteilhabegesetz
Hochverehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Griese! Herr Minister! Uns liegen 500 Seiten des Teilhabeverfahrensberichts mit Stand vom Januar 2020 vor. Insgesamt sind wir uns aber, Herr Kollege Oellers, vermutlich einig, dass der Großteil der Aussagen weder repräsentativ ist noch zu den eigentlichen Schnittstellen hinführt, die wir im Bundesteilhabegesetz derzeit haben. Das kann man vielleicht auch nach der kurzen Umsetzungszeit nicht erwarten. Aber tatsächlich führt es uns nicht weiter.
Frau Staatssekretärin Griese, dass das ein relativ reibungsloser Start in der Umstellung zum 1. Januar 2020 war, erklären Sie mal beispielsweise den Menschen in Baden-Württemberg, die im Rahmen der Sozialhilfe noch einen Barbetrag zur Verfügung hatten und von denen viele heute nicht mehr frei über Bargeld verfügen können, weil diese Umstellung eben nicht funktioniert hat. Das kann man nicht schönreden.
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Das ist doch die Landesregierung!)
– Natürlich ist das die Landesregierung. Wir reden doch hier darüber, Herr Kollege Rosemann.
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Dann sagen Sie es doch!)
– Das ist jetzt ein Trick. Sie wollen meine Redezeit verkürzen. Stellen Sie doch eine Zwischenfrage, dann antworte ich Ihnen gerne.
Wir reden doch über die Frage: Was schreiben wir hier eigentlich in Gesetze, und was kommt bei den Menschen an? Da bestätigt das, was an Berichten vorliegt, leider die Aussage, dass sich die Lebenswirklichkeit trotz der hehren Ziele des Bundesteilhabegesetzes, die wir alle teilen, nicht verbessert, sondern sich sogar verschlechtert.
Wir adressieren nach wie vor nicht, dass wir eine extrem komplexe Rechtslage haben, wo Leistungserbringer gar nicht wissen, wie sie die neuen Verträge aufstellen sollen, und Betroffene gar nicht wissen, wie sie solche Verträge verstehen und guten Gewissens unterzeichnen sollen. Wir haben neue Meldepflichten beim Sozialamt: Wie oft bin ich in der Einrichtung? Wann bin ich dort eigentlich nicht? Früher gab es die Taschengeldproblematik. Diese habe ich angesprochen. All das wird nicht angefasst von dieser Bundesregierung. Das ist ein großer Fehler, weil es darum geht, Menschen zu helfen, und nicht, tolle Gesetze zu schreiben.
(Beifall bei der FDP)
Es ist notwendig, lange vor weiteren 500 Seiten starken Berichten die wesentlichen Dinge anzufassen, die Selbstständigkeit der Menschen zu stärken und sich nicht auf das zu verlassen, was man in Gesetze geschrieben hat. Wenn auf der einen Seite im Personenbeförderungsgesetz seit 2012 unter Schwarz-Gelb Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr kodifiziert ist und auf der anderen Seite die Deutsche Bahn heute Züge, die in drei, vier Jahren geliefert werden und die nicht barrierefrei sind, weil sie Rampen mit einer 15-prozentigen Steigung haben, die man mit dem Rollstuhl nicht befahren kann, bestellt, dann ist das nicht zufriedenstellend. Wenn bis heute die dringend notwendigen Assistenzleistungen, beispielsweise durch Assistenztiere, Assistenzhunde, überhaupt nicht abgebildet sind – dazu gibt es ein schönes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 14. Februar 2020 –, dann ist das nicht zufriedenstellend. Wenn man Taschengeld, das man früher hatte, heute nicht mehr bekommt, dann ist das nicht zufriedenstellend. Wenn die Assistenzleistungen nicht wirklich gewährt werden, obwohl sie im Gesetz kodifiziert werden, ist auch das im Grunde ein Armutszeugnis für das, was Bund und Länder gemeinsam leisten.
(Kerstin Tack [SPD]: Nein, Hilfsmittelkatalog, das ist etwas völlig anderes!)
Aber wir sollten die Missstände hier offen ansprechen und gemeinsam für Verbesserungen für die Menschen sorgen, statt immer nur neues Papier zu produzieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP – Kerstin Tack [SPD]: Assistenzhunde haben nichts mit dem SGB IX zu tun! Leider gar nichts!)
Das Wort hat die Abgeordnete Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7433376 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 151 |
Tagesordnungspunkt | Berichte zum Bundesteilhabegesetz |