11.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 151 / Tagesordnungspunkt 3

Astrid FreudensteinCDU/CSU - Berichte zum Bundesteilhabegesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich kann mich an den Gesetzgebungsprozess zum Bundesteilhabegesetz sehr gut erinnern. Es war ein langer und sehr schwieriger Prozess, weil wir alle wussten, dass es um wirklich viel geht. Es geht um die Menschen in diesem Land, die ein Recht auf volle Teilhabe haben, die ein Recht darauf haben, dass wir ihnen Behinderungen aus dem Wege räumen.

In diesem Prozess waren viele in diesem Hause davon getragen, etwas Gutes zu tun, und keiner hat ernsthaft gewollt, dass irgendwem irgendwas zugeschustert wird. Das möchte ich an dieser Stelle klarmachen. Wir mussten einen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik einläuten, und das ist uns mit dem Bundesteilhabegesetz im Wesentlichen auch gelungen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben mit dem Bundesteilhabegesetz die Eingliederungshilfe in Deutschland sozusagen auf den Kopf gestellt. Wir haben den Menschen in den Mittelpunkt gestellt. Zuvor war von den Institutionen her gedacht worden; wir haben den Menschen ins Zentrum gerückt. Wir haben die Begriffe und Definitionen zeitgemäß angepasst. Wir haben die Leistungen deutlich ausgeweitet. Wir haben das Einkommen und das Vermögen der Betroffenen bessergestellt. Und wir haben neue Möglichkeiten der Beschäftigung für die Menschen mit Behinderung geschaffen. Das alles ist ein Paradigmenwechsel, der schwierig, aber notwendig war.

Natürlich haben diese vielen Veränderungen bei den Betroffenen, den Leistungsträgern und den Leistungserbringern auch Unsicherheit ausgelöst. Dieser Unsicherheit wollten wir von Anfang an entgegentreten, indem wir die Umsetzung dieses Gesetzes beobachten und evaluieren. Insgesamt 500 Seiten Bericht liegen uns nun vor, und das, obwohl die größten Änderungen erst zum 1. Januar in Kraft getreten sind.

Ich möchte auf einige Punkte eingehen, die schon damals für besonders viele Diskussionen gesorgt haben. Ein solcher Punkt ist der Einsatz von Einkommen und Vermögen. Viele Menschen haben damals zu Recht gefordert, dass sie sich nicht mehr selbst an ihren Teilhabeleistungen beteiligen müssen oder dass der Beitrag zumindest spürbar kleiner wird. Die Berechnungen der Modellprojekte zeigen jetzt, dass nach dem neuen Recht zumindest keiner schlechtergestellt wird. Im Gegenteil: In der Stichprobe mussten nach dem alten Recht 90 Prozent der Leistungsberechtigten Einkommen einsetzen, und nach dem neuen Recht werden das nur noch 4 Prozent sein. Das ist ein deutlicher Erfolg.

Nach dem alten Recht lag der Mittelwert des einzusetzenden Einkommens bei knapp unter 400 Euro; nach dem neuen Recht werden das 97 Euro im Mittel sein, also nur noch ein Viertel. Das heißt, deutlich weniger Menschen als bisher müssen sich an den Kosten der Eingliederungshilfe beteiligen, und die Beiträge, die sie aufbringen müssen, sinken deutlich. Das heißt, wir haben in den Grundzügen dieses Ziel mit dem Bundesteilhabegesetz durchaus erreicht.

Viele Betroffene und auch die Opposition hier im Haus hatten damals Angst, dass wir durch die Vorgaben im Gesetz das Wunsch- und Wahlrecht einschränken würden. Wir sehen jetzt, dass das nicht passiert ist. Schon nach der alten Rechtslage wurden die allermeisten Wünsche erfüllt. In den fiktiven Entscheidungen nach dem neuen Recht werden quasi alle Wünsche der Betroffenen wirklich umgesetzt. Das gilt insbesondere – das war uns auch damals wichtig – für das Wohnrecht.

Wenn man sich diesen Bericht durchliest, kann man durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass all die Ziele, die wir im Wesentlichen verfolgt haben, mit dem Bundesteilhabegesetz wirklich umgesetzt werden können und dass die Befürchtungen der Betroffenen und der Leistungserbringer nicht eingetreten sind. Aber es ist richtig: Man muss in der Praxis weiter beobachten, wie sich das Bundesteilhabegesetz entwickelt. Wir wussten immer, dass man dieses Gesetz weiterentwickeln muss, dass man nachjustieren muss, bis es tatsächlich die volle Teilhabe von Menschen ermöglicht und das verwirklicht, was wir immer wollten: dass alle Menschen in unserem Land ohne Behinderungen leben können.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7433380
Wahlperiode 19
Sitzung 151
Tagesordnungspunkt Berichte zum Bundesteilhabegesetz
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