Edgar FrankeSPD - Krankenhausversorgung
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Problem der Krankenhäuser ist nicht das Fallpauschalensystem; da möchte ich der AfD ausdrücklich widersprechen. Das Problem ist vielmehr, dass das Geld aus den Fallpauschalen zweckentfremdet wird, vor allem für Investitionen,
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Sehr wichtiger Punkt, Herr Kollege!)
und die sind eigentlich Aufgabe der Länder, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Zum Teil wird das Geld auch für unverhältnismäßige Renditen der Aktionäre eingesetzt. Auch dafür sind die Fallpauschalen nicht gedacht.
Fallpauschalen sind eigentlich für die Betriebskosten da, für die laufenden Kosten, wie wir alle wissen, und nicht für die Investitionen. Die Länder haben hier die Aufgabe, mehr zu machen. Die Krankenhäuser – das wissen wir auch – haben ein Delta von mindestens 4 Milliarden Euro, vielleicht sogar 5 Milliarden oder 6 Milliarden Euro. Da müssen die Länder endlich mehr Geld in die Hände nehmen; das muss ich hier ausdrücklich sagen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Tino Sorge [CDU/CSU]: Jedes Bundesland!)
Die Gewerkschaft Verdi mahnt zu Recht an, dass viele Pflegekräfte mit enormer Arbeitsverdichtung zu kämpfen haben. Rudolf Henke hat schon gesagt: Wir haben als Politik gehandelt. – Was haben wir gemacht? Wir haben erstens die Pflegekosten aus den Fallpauschalen herausgelöst. Wir werden zweitens in diesem Jahr die kompletten Tarifsteigerungen refinanzieren. Jede neue Planstelle wird zu 100 Prozent finanziert. Und wir haben in allen bettenführenden Abteilungen Personaluntergrenzen eingeführt. Es lohnt sich also für die Krankenhäuser nicht, am Personal zu sparen. All das hat die Große Koalition gemacht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben viertens die bedarfsnotwendigen Kliniken in strukturschwachen Regionen besser ausgestattet. Sie bekommen pro Jahr 400 000 Euro. Diese Krankenhäuser brauchen diese Förderung dringend, weil sie weniger Diagnosen und weniger Patienten haben. Denn auch Menschen in strukturschwachen Regionen, in ländlichen Regionen – das sagen wir immer, und das ist für mich als Abgeordneter aus dem ländlichen Bereich ganz wichtig – haben ein Anrecht auf optimale gesundheitliche Versorgung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat festgelegt, nach welchen Kriterien Kliniken bedarfsnotwendig sind. Bedarfsnotwendig sind die Kliniken, die im Einzugsbereich weniger als 100 Menschen pro Quadratkilometer haben und wo der Weg zum nächsten Krankenhaus, wenn sie wegfallen würden, mit dem Auto mehr als eine halbe Stunde dauern würde. So haben wir es geschafft, dass 120 bedarfsnotwendige Kliniken zusätzlich gefördert werden, gerade im ländlichen Bereich und – ja, das stimmt auch – gerade im Osten. Auch das ist ein großer Erfolg, finde ich jedenfalls.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Rudolf Henke [CDU/CSU])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen nicht – da sind wir uns auch einig –, dass man auf eine Hüfte mehr als ein halbes Jahr wartet. Das ist aber eigentlich Realität in vielen Ländern Europas. Wir haben mit dem Gesundheitsausschuss das eine oder andere Land besucht. In vielen Ländern ist das so. Deshalb haben wir im Übrigen vor 15 Jahren das Fallpauschalensystem in Deutschland eingeführt. Das war der Grund. Was sind die Stichworte dafür? Mehr Wettbewerb für Qualität, Verkürzung der Verweildauer, Effizienzsteigerung, Spezialisierung, mehr Transparenz der Leistungen, Geld soll der Leistung folgen.
Natürlich hat das Fallpauschalensystem auch Mängel, wie jedes finanzielle Anreizsystem. Manche Diagnosen lohnen sich mehr als andere; auch das muss man ehrlich sagen. Deshalb werden auch bei uns häufig medizinisch nicht notwendige Eingriffe durchgeführt: Hüfte, Rücken und Knie stehen manchmal als Beispiel dafür.
Dann wird immer von blutigen Entlassungen gesprochen. Wir wollen sie nicht, und wir haben von Anfang an die Möglichkeit geschaffen, dass Krankenhäusern die Fallpauschen gekürzt werden, wenn sie Patienten zu früh entlassen; das muss man auch sagen. Dieses Instrument gibt es.
Wir brauchen aber sicherlich – das hat Herr Henke auch gesagt – eine Weiterentwicklung des Fallpauschalensystems. Es war immer als lernendes System angelegt. Zwar werden die Fallpauschalen jährlich, wie wir wissen, auf der Basis von Leistungs- und Kostendaten von 200 repräsentativen Krankenhäusern angepasst. Dennoch ist es ratsam – das will ich hier ausdrücklich betonen –, neben der Leistungsvergütung auch über eine Basisfinanzierung nachzudenken; denn viele kleinere Krankenhäuser haben Vorhaltekosten, die sie manchmal nicht decken können. Die Kinderheilkunde ist ein gutes Beispiel dafür. Auch darüber kann man sicherlich nachdenken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man mit Pflegekräften, Chefärzten, wenn man mit Geschäftsführern redet, ist natürlich immer ein Thema das zunehmende ökonomische Denken – eine Ökonomisierung des Denkens – und der Druck, der in der Praxis auf vielen Entscheidungen ruht. Es ist sicherlich mit ethischen Prinzipien nicht zu vereinbaren, Druck auszuüben, zum Beispiel bestimmte Operationen vermehrt durchzuführen. Trotzdem ist – ich sage es ausdrücklich – wirtschaftliches Denken im Gesundheitsbereich grundsätzlich nichts Negatives, ist nichts Unethisches. Im Gegenteil: Wir können nur durch ökonomisches Handeln erreichen, finanzielle Ressourcen effizient einzusetzen; denn wir haben nur begrenzt Mittel und vor allen Dingen nur begrenzt Personal zur Verfügung.
Nur mit effizientem Einsatz können wir gute und bezahlbare Gesundheit für alle gewährleisten, gerade auch für Menschen, die finanziell nicht so gut aufgestellt sind. Wir wollen nämlich die beste Gesundheit, unabhängig vom Einkommen, unabhängig vom Alter und unabhängig vom Wohnort allen Versicherten zukommen lassen. Sie wissen: Das ist der rote Faden nicht nur der sozialdemokratischen Gesundheitspolitik, sondern es ist auch der rote Faden der Gesundheitspolitik der Großen Koalition.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie macht gute Arbeit, und sie ist wesentlich besser als ihr Ruf; denn durch die Gesundheitspolitik haben wir viel erreicht und viele Leistungen verbessert für die Versicherten.
Ich danke Ihnen ganz herzlich.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Harald Weinberg für die Fraktion Die Linke.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7433388 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 151 |
Tagesordnungspunkt | Krankenhausversorgung |