Roman ReuschAfD - Rechtsterrorismus und Hasskriminalität
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als dieser Gesetzentwurf im Vorfeld mehrfach von verschiedenen Seiten angekündigt wurde, teils mit durchaus martialisch klingenden Ausführungen, war ein Gesetz zur AfD-Bekämpfung zu erwarten, vielleicht sogar die Wiedereinführung des Tatbestands der staatsfeindlichen Hetze. Ein Blick in den Gesetzentwurf zeigt: Nichts davon. Die strafrechtlichen Änderungen im StGB sind teilweise völlig in Ordnung, teilweise jedenfalls vertretbar. Durchgreifenden Bedenken begegnen Sie jedenfalls nicht.
Dies verhält sich völlig anders mit dem zentralen Punkt dieses Gesetzentwurfs: der Anzeigepflicht. Die Beurteilung, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, ist eine klassische Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, beschrieben in § 152 Absatz 2 StPO. Hier wird sie vorverlagert auf Private – ein merkwürdiger Vorgang. Die Anzeigepflicht ist ein Bruch mit unserer Rechtstradition. Grundsätzlich ist niemand in Deutschland verpflichtet, eine begangene Straftat anzuzeigen. Niemand! Nicht einmal einen Mord.
(Beifall bei der AfD)
Jetzt soll hier für Telemedienbetreiber – so ekelhaft die Bedrohungen im Einzelfall sind; aber das ist ein Massendelikt –
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, deshalb!)
eine Anzeigepflicht eingeführt werden. Das ist ein Wertungswiderspruch, den Sie mir bitte mal erklären müssen.
(Beifall bei der AfD)
Das ist zudem auch völlig unnötig. Denn gerade im Internetbereich ist es so leicht wie sonst was, eine Anzeige zu erstatten: Screenshot, URL-Kopie, rein in die Eingabemaske der nächsten Internetwache, einen Satz dazu schreiben, Entertaste – zack, die Anzeige ist erstattet. Das dauert fünf Minuten. Das kann jeder Mann, jede Frau, sogar jedes Kind.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind doch schon wieder Private! Was reden Sie da?)
Mit der Einrichtung einer Zentralstelle kreiert man einen Flaschenhals, der besonders gefährlich wird in den Fällen, in denen es um die Ermittlung derjenigen geht, die hinter bestimmten IP-Adressen stecken. Da haben wir ja, weil es keine Vorratsdatenspeicherung gibt, ein ganz kleines Zeitfenster von wenigen Tagen. Wenn ich jetzt bundesweit Tausende Fälle auf einen Schreibtisch lege, kann ich nur sagen: Gute Nacht, Marie.
(Dr. Jens Zimmermann [SPD]: 300 Schreibtische!)
- 300 Schreibtische. Toll.
Dann suchen Sie sich auch noch das BKA aus. Das BKA hat ganz andere Aufgaben. Da sind hochqualifizierte und hochspezialisierte Kriminalbeamte am Werk. Die als Poststelle zu missbrauchen, ist Verschwendung von Ressourcen.
Zu den Passwörtern. Wir müssen gucken, wie sich das mit der Verschlüsselungspflicht nach der DSGVO verträgt. Das werden wir alles im Ausschuss sehen.
Insgesamt ist dieser Gesetzentwurf eine Mogelpackung. Denn es wird bei den Antrags- und Privatklagedelikten nichts unternommen. Die bleiben außen vor.
Zur bloßen Erhöhung der Höchststrafe: Es ist ein alter, unausrottbarer Politikerirrglaube, dass sich dadurch in der Praxis irgendwas ändert. Nichts ändert sich da in der Praxis. Das haben wir x-fach gehabt. Das ist typisch: Wenn Politiker mal wieder ein Zeichen setzen wollen, dann erhöhen sie die Höchststrafen. – Danke für das Gespräch. Das bringt nichts.
Mehr hätte es gebracht, wenn man sich die RiStBV, die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren, angeschaut hätte. – Der ehemalige Justizminister lächelt kundig. – In den Nummern 86 f., 229 RiStBV ist nämlich geregelt, wann die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse anzunehmen hat und wann nicht. Da könnte man einige klarstellende Formulierungen reinsetzen, und schon würde man die Zahl der Anklagen in solchen Bereichen spürbar erhöhen können – alles ohne Gesetz. Da reicht eine einfache Richtlinie. Da reicht es, dass sich die Justizministerin mit ihren Länderkollegen zusammensetzt und das vereinbart, und schon wird das Wirklichkeit.
Die Überschrift – und deshalb „Mogelpackung“ – lautet: Rechtsextremismus. – Ich habe nichts gesehen, womit Rechtsextremismus bekämpft wird. Hasstiraden und Hasspostings gibt es nicht nur innerhalb der Politik in allen Lagern; die gibt es auch außerhalb der Politik reichlich. Schauen Sie sich mal den Fußball an. Schauen Sie sich mal Privatfehden an. Das ist also ein ubiquitäres Phänomen und keineswegs eine Domäne des Rechtsextremismus.
(Beifall bei der AfD)
Also: Ich bin gespannt, was die Sachverständigen dazu sagen werden.
Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der AfD)
Jetzt erteile ich das Wort Herrn Staatsminister Georg Eisenreich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7433770 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 152 |
Tagesordnungspunkt | Rechtsterrorismus und Hasskriminalität |