Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Schauen Sie mit mir zurück – nicht weit, lediglich vier Wochen. In nur zehn Tagen im Februar 2020 kam es zu folgenden rechtsextremen, rassistisch motivierten Gewalttaten: In Hanau wurden zehn Menschen ermordet. Zwölf militante Nazis planten Anschläge auf Politiker, Geflüchtete und Moscheen. Ein versuchtes Sprengstoffattentat auf die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Eine Drohmail gegen eine Moschee in Bremen. Hakenkreuze an einer Moschee in Emmendingen. Schüsse auf eine Shishabar in Stuttgart. Ein Brandanschlag auf eine Shishabar und einen Dönerimbiss in Döbeln. Bombendrohungen gegen Moscheen in Essen, Unna, Hagen, Bielefeld. Eine Bombendrohung gegen eine Moschee in Pforzheim. – All das ereignete sich innerhalb von zehn Tagen im Jahr 2020. Hinzu kommen Attacken zum Beispiel gegen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Das alles ist rechtsextremer Alltag und nicht hinnehmbar.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Spuren rechtsextremer Täter und militanter Gruppen ziehen sich durch die Geschichte der Bundesrepublik von Beginn an. Ich erinnere nur an das Oktoberfestattentat in München 1980 und an die bundesweite NSU-Nazimord-, ‑überfall- und ‑anschlagserie inklusive unserem Versagen, inklusive dem Staatsversagen von 1998 bis 2011.
Gleichwohl deutet vieles darauf hin, dass die rechtsextreme Gefahr und die Attentatsdichte aktuell zunehmen. Dem gilt es aktiv zu wehren, von Staats wegen und in der Gesellschaft.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bundesinnenminister Seehofer hat jüngst betont – ich zitiere –: „die höchste Bedrohung in unserem Lande geht vom Rechtsextremismus aus“, vom Rechtsterrorismus. Es macht mich nicht glücklich, dass Die Linke das seit Langem sagt; aber umso mehr begrüße ich, wenn es nun auch in der Bundesregierung diese Einschätzung gibt.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun gilt allerdings auch, dass dieser Erkenntnis, dass den Worten Taten folgen müssen.
Heute liegen dem Bundestag zahlreiche Anträge zu diesem Thema vor. Auch Die Linke fordert in zehn Punkten Maßnahmen; diese sind nachlesbar. Deshalb möchte ich hier nur fünf hervorheben:
Erstens. Fälle von rechtsextremem Terror dürfen nicht vorschnell als Einzelfälle und die Täter nicht als Einzeltäter verharmlost werden.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. In Abstimmung mit den Bundesländern ist die Neonazi-Szene zu entwaffnen, und Reichsbürgern und anderen sind waffenrechtliche Erlaubnisse zu entziehen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Drittens. Gegen demokratiefeindliche Tendenzen in staatlichen Behörden ist konsequent vorzugehen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Viertens. Wir brauchen eine unabhängige Beobachtungsstelle gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus; diese muss endlich eingerichtet werden.
Und fünftens – Sie kennen das schon von mir –: Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich im Alltag für Demokratie und Toleranz engagieren, müssen ausreichend und verlässlich gefördert werden, auch finanziell; sie müssen wertgeschätzt werden.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich erinnere zudem an den Abschlussbericht aus dem ersten und zweiten Untersuchungsausschuss des Bundestages zur NSU-Nazimordserie. Der erste enthielt 48 Maßnahmen, die fraktionsübergreifend beschlossen, aber bislang mitnichten vollständig umgesetzt wurden. Mit anderen Worten: Wir sollten uns selbst ernster nehmen, und die Bundesregierung sollte den Bundestag ernst nehmen.
Frau Kollegin Pau, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Von wem?
Von dem Kollegen Jens Maier aus der AfD-Fraktion.
Nein, gestatte ich heute nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Abschließend: Rechtsextremismus ist eine Gefahr für Leib und Leben und für die Demokratie. Das gilt für die Täter, aber genauso für deren rassistische und nationalistische Stichwortgeber – auf der Straße und auch in den Parlamenten.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Jetzt hat das Wort die Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7433777 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 152 |
Tagesordnungspunkt | Rechtsterrorismus und Hasskriminalität |