Konstantin KuhleFDP - Rechtsterrorismus und Hasskriminalität
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über die Themen „Rechtsterrorismus“ und „Hasskriminalität“. Natürlich hängt beides miteinander zusammen und muss gemeinsam diskutiert werden. Während wir das tun – das muss ich schon sagen –, bekümmert es mich, wie schnell wir nach den Taten von Halle und Hanau wieder zur Tagesordnung übergegangen sind. Deswegen gilt neben der Debatte über das materielle Recht auch ein ganz wichtiges Augenmerk der tatsächlichen Durchsetzung des Rechts, deswegen braucht es nach diesen Taten nach wie vor einen Sicherheitsdialog mit den Menschen, die sich besonders bedroht fühlen. Das sind in erster Linie die Juden und Muslime in Deutschland. Wir brauchen einen Sicherheitsdialog mit diesen Gruppen. Es darf uns nie wieder passieren, dass die Sicherheitsbehörden, dass die Politik und dass die Mitte der Gesellschaft unterschätzen, was solche Taten bei diesen Gruppen auslösen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])
Der zentrale Gegenstand des heute vorliegenden Gesetzentwurfes der Koalition ist eine Meldepflicht für Straftaten, die in den sozialen Netzwerken begangen werden. Wir sind skeptisch, ob eine solche Meldepflicht der richtige Weg ist; denn es mangelt in der Praxis nicht an zu wenigen Anzeigen, es mangelt an zu wenig Richtern und Staatsanwälten, um diese zu bearbeiten.
(Beifall bei der FDP)
Es ist kein Wunder, wenn Tweets ausgedruckt, abgeheftet und mit dem Aktenwagen durch die Gegend geschoben werden, dass diese Verfahren länger dauern als notwendig und dass Dinge gar nicht mehr zur Anzeige kommen.
Deswegen ist es schön, lieber Kollege Frei, dass Sie den Pakt für den Rechtsstaat erwähnen. Aber es nützt nichts, nur zusätzliche Stellen zu schaffen; diese Stellen müssen auch besetzt werden. Erst dann kommen wir dazu, dass die bestehenden Gesetze angewandt werden und dass das Vollzugsdefizit beseitigt wird. Das gilt für den Bereich der Justiz. Das gilt aber auch für den gesamten Bereich der inneren Sicherheit. Wir als Parlament haben im Bereich des Bundeskriminalamtes und im Bereich des Bundesamtes für Verfassungsschutz neue Stellen ausgewiesen, auch mit Unterstützung der Freien Demokraten. Wenn ich aber sehe, dass wir – Stand Anfang des Jahres – knapp 500 offene Haftbefehle im Bereich des Rechtsextremismus haben, dann stelle ich fest: Wir haben hier ein Vollzugsdefizit. Das muss dringend angegangen werden, wenn wir dieser Gefahr Herr werden wollen.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich bin Ihnen, lieber Kollege Frei, auch dankbar – ich habe es ehrlicherweise gehofft –, dass Sie das Thema „Verfassungsschutzgesetz und Bundespolizeigesetz“ ansprechen. Wir werden es nicht mitmachen, dass man nach solchen Taten wie in Hanau, in Halle oder wie der Ermordung Walter Lübckes die Aufregung in der Gesellschaft nutzt, um den Souverän mit Bürgerrechtseinschränkungen zu überrumpeln. Der Souverän muss überzeugt werden von Eingriffen in die Bürgerrechte, aber nicht nach solchen Taten überrumpelt werden. Es hätte nichts, rein gar nichts gebracht, bei einem Täter, der dem Verfassungsschutz nicht bekannt war, eine Quellen-TKÜ oder eine Onlinedurchsuchung wie in Hanau zu machen. Das gehört auch zur Wahrheit. Deswegen müssen wir das besonnen miteinander besprechen, aber nicht nutzen, um im Schnellverfahren, am besten noch vor der Sommerpause, die Bürgerrechte einzuschränken. Darauf werden wir achten.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Eine letzte Bemerkung muss noch gemacht werden. Wir unterstützen die Ausdehnung des strafrechtlichen Schutzes von Kommunalpolitikern. Auch im Melderecht muss es zu Veränderungen kommen. Die Kommunalpolitiker müssen auch wissen, an wen sie sich wenden können. Sie wissen teilweise gar nicht, ob sich hinter einer Drohung eine tatsächliche Gefahr verbirgt. Deswegen brauchen wir eine Ombudsstelle. Wir brauchen eine niedrigschwellige Anlaufstelle, damit wir herausfinden können, ob sich dahinter tatsächlich eine Gefahr verbirgt, damit sich wieder mehr Menschen in der Kommunalpolitik engagieren und nicht durch Hass und Hetze davon abgehalten werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Ingmar Jung, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7433785 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 152 |
Tagesordnungspunkt | Rechtsterrorismus und Hasskriminalität |