12.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 152 / Zusatzpunkt 4

Uli GrötschSPD - Sicherung der Grenzen

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens. In den hier vorliegenden drei Seiten AfD-Text steht das Wort „illegal“ an sage und schreibe 19 Stellen,

(Beatrix von Storch [AfD]: Ganz richtig!)

19-mal auf drei Seiten, und das im Zusammenhang mit Menschen. Lassen Sie mich deshalb gleich zu Beginn meiner Rede in aller Deutlichkeit eines sagen: Menschen sind nicht illegal,

(Beatrix von Storch [AfD]: Aber illegal hier!)

niemals und nirgendwo auf der Welt.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beatrix von Storch [AfD]: Die sind illegal hier! – Gegenruf von der SPD: Ruhe!)

Die Bilder der letzten Tage – von wem auch immer sie erzeugt wurden – von der türkisch-griechischen Grenze haben uns alle erschüttert. Wer da nicht Gänsehaut bekommt, wen das kalt lässt, der ist kein Mensch, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich sage es Ihnen ganz klar: Ich habe mich nicht an solche Bilder gewöhnt, und ich will mich nicht an solche menschenunwürdigen Zustände gewöhnen, wie sie seit einigen Tagen an der türkisch-griechischen Grenze zu sehen sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Martin Hess [AfD]: Das ist Ihre Politik!)

Deshalb bin ich sehr froh, dass auf Druck der SPD am letzten Wochenende im Koalitionsausschuss beschlossen wurde, dass Deutschland schwerkranke und unbegleitete Kinder – und sehr zum Erschrecken der AfD auch deren Eltern – von den griechischen Inseln und aus dem Grenzgebiet zwischen Griechenland und der Türkei aufnehmen wird, weil es buchstäblich um Leben und Tod geht.

(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Im Rahmen einer europäischen Lösung!)

Lassen Sie uns deshalb an allen Stellen alles dafür tun, damit wir lieber gestern als heute diese Kinder aus dieser Misere befreien; denn sie können rein gar nichts dafür, dass sie zum Spielball eines geopolitischen Konfliktes geworden sind.

Am Ende noch ein Satz zu Ihrem Antrag: Sie bedienen naturgemäß, schon wieder, Ihre rechte Klientel: „Ansturm“, „Migrantenströme“, „gefährliche Migrantengruppen“, „Kämpfer“ usw.; das ist blanker Unsinn.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Sie haben doch die Bilder gesehen, haben Sie gerade gesagt!)

Frontex verzeichnet weniger unerlaubte Grenzübertritte nach Europa, wir reden von 92 Prozent weniger als zu Hochzeiten der Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 – 92 Prozent weniger!

(Zuruf von der AfD: Alle illegal!)

Auch in Deutschland sinkt die Zahl der unerlaubten Einreisen. Wir haben immer weniger Asylanträge zu verzeichnen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Wir haben immer mehr!)

Aber Fakten interessieren Sie nicht, ich weiß.

(Beatrix von Storch [AfD]: Jeder ist einer mehr!)

Was Sie versuchen, ist einfach nur billig und schäbig, und es gelingt Ihnen auch dieses Mal nicht.

(Beifall bei der SPD)

Vor allem ist das, was Sie da schreiben, schlichtweg unwahr. Sie hätten gestern im Innenausschuss aufpassen sollen; da haben Ihnen der Staatssekretär im Bundesinnenministerium und der Vertreter des Auswärtigen Amtes noch erklärt, dass sich die Situation an der Grenze seit einigen Tagen komplett beruhigt hat, und dass kein einziger Asylsuchender auf den griechischen Inseln neu angekommen ist, und dass die Türkei wieder das EU-Türkei-Abkommen anwendet und die rückgeführten Migranten aufnimmt.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Haben Sie ja nichts dafür getan!)

Wir haben außerdem zehn Beamte vor Ort zur Unterstützung von Frontex. Auch an der bulgarisch-türkischen Grenze war und ist wieder Ruhe eingekehrt. Warum sollte Frontex also diese Grenze sichern? Die Beamten haben sicherlich Besseres zu tun, als an menschenleeren Grenzübergängen auf einen Migranten zu warten.

Was Sie schreiben, ist deshalb einfach Unsinn. Deshalb fordere ich Sie auf, gerade in diesen Zeiten verbal abzurüsten – wenn das bei Ihrem Geschäftsmodell überhaupt möglich ist.

(Beifall bei der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Sie haben aufgerüstet!)

Mein letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte: Wir haben immer gesagt: Zur Sicherung eines Europas ohne Grenzen gehört ein wirksamer Schutz der europäischen Außengrenzen. Wir wollen daher Frontex stärken und zu einer echten, leistungsfähigen Grenzschutzpolizei weiterentwickeln. Richtig verstandener Schutz bedeutet aber nicht das Abriegeln von Grenzen. Wir brauchen mehr Kontrolle und Ordnung bei der Bekämpfung von Menschenschmugglern und Schleusern. Ein besserer Grenzschutz muss mit Partnerschaften mit den Transitländern und den Herkunftsstaaten einhergehen, unter anderem über legale Zuwanderungsmöglichkeiten und wirtschaftliche Hilfen.

Auch bei mehr Grenzschutz werden Menschen aus Sorge um ihr Leben oder ihre Freiheit berechtigterweise Schutz suchen. Für Verfolgte und Flüchtlinge aus Krisengebieten muss Europa offen bleiben; denn Asyl ist ein Menschenrecht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für diese Fälle brauchen wir gemeinsame Anstrengungen aller, aber mindestens der willigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Wir zählen auf das Bundesinnenministerium und alle beteiligten Ressorts, dass sie den Koalitionsbeschluss deshalb zügig umsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Dr. André Hahn, Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7433795
Wahlperiode 19
Sitzung 152
Tagesordnungspunkt Sicherung der Grenzen
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