13.03.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 153 / Tagesordnungspunkt 18

Sebastian HartmannSPD - Bevölkerungsschutz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich angesichts des unsäglichen Auftritts, der hier gerade erfolgte, eine Äußerung in aller Klarheit an die Mitbürgerinnen und Mitbürger richten, die sich ehrenamtlich in den zahlreichen Hilfsorganisationen bewähren, die sich darum kümmern, dass in Krankenhäusern die Lage aufrechterhalten wird, die sich darum kümmern, dass dieses Land in einer Krise zusammenhält und nicht gespalten wird: Seien Sie sich sicher, dass dieser Bundestag seiner Verantwortung nachkommt und nicht in einem Klein-Klein zwischen Opposition und totaler Unverantwortlichkeit zerfällt. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn tatsächlich ist diese Debatte zum Bevölkerungsschutz in Verbindung mit Anträgen auch der Oppositionsfraktionen lange vereinbart, und das THW-Gesetz, das wir heute beschließen werden, ist ebenfalls so lange vereinbart. Wir haben es auf einen guten Weg gebracht.

Die Tatsache, dass wir in einer hochvernetzten Welt leben – weltweiter Warenaustausch, internationale Flugreisen, aber auch digitale und analoge Sicherheit verschmelzen immer stärker –, stellt uns gerade im Bevölkerungs- und Zivilschutz vor neue Herausforderungen, auch dann, wenn zum Beispiel der Klimawandel mit seinen Auswirkungen von Dürren bis Bränden auch Deutschland fordert. Das ist nicht abstrakt, das ist nicht irgendwo, das ist auch in unserem Land Deutschland jederzeit möglich. Wir haben gehandelt.

Das Erste ist: Wir haben uns auf die Situation vorbereitet, wenn Angriffe auf kritische Infrastrukturen drohen und uns vor Herausforderungen stellen: Was ist, wenn die Wasserversorgung zusammenbricht oder die öffentliche Ordnung schwerwiegend geschädigt wird? Insofern ist die Herausforderung an den modernen Bevölkerungsschutz eine andere geworden, als sie es noch vor 10 oder 15 Jahren war. Es ist nicht abstrakt, dass vor einigen Monaten ein Hackerangriff auf Krankenhäuser erfolgte und 13 Krankenhäuser lahmgelegt waren. Das ist konkret, und wir sind entsprechend aufgestellt und stellen hier andere Anforderungen.

Naturkatastrophen und Hackerangriffe wie dieser machen vor Ländergrenzen nicht halt, und genauso braucht es das Zusammenspiel aller föderalen Ebenen. Ich werbe nachdrücklich dafür, aus dem Klein-Klein eines Kooperationsverbotes auszubrechen und hin zu einem Kooperationsgebot zu kommen, damit alle Ebenen – von der kommunalen über die Länderebene bis zur Bundesebene – gerade in einer solchen Situation effizient zusammenarbeiten; denn eine solche Zusammenarbeit ist die Stärke eines föderalen Staates, der vor Ort gute Einrichtungen und gute Möglichkeiten hat.

Das Zweite, was hinzukommt, ist das großartige ehrenamtliche Engagement von Tausenden und Millionen von Helferinnen und Helfern. Hier können wir als Bund unserer Koordinierungsfunktion nachkommen. Wir haben gehandelt, 2004 auf Basis der Erfahrungen des Hochwassers, aber auch schon 2001, nach dem 11. September; da haben wir das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe geschaffen. Das ist eine zentrale Funktionalität, die wir auf Bundesebene geschaffen haben, und hier ist die Organisation eines föderalen Staates in Kombination mit einem wunderbaren ehrenamtlichen Engagement gut aufgestellt.

(Beifall bei der SPD)

Insofern heißt es jetzt, das nicht kleinzureden, sondern auch Erkenntnisse daraus abzuleiten, was man aus den länder- und ressortübergreifenden Übungen erfahren hat, was man noch verbessern kann. Das wird nach der Abarbeitung der Krise – Corona ist schon angesprochen – die gemeinsame Verantwortung aller staatlichen Ebenen sein. Aber jetzt ist es Zeit, zu handeln; die LÜKEX-Übung ist angesprochen worden.

Die Warn-App NINA ist eine wunderbare Möglichkeit, wie wir an dieser Stelle Informationen transparent und ohne einen Filter teilen können: Wie treibe ich Vorsorge? Welche Informationen liegen für meinen Landkreis vor? – Viele Menschen haben sich diese App schon heruntergeladen. Hier wurde ein Angebot des Bundes entsprechend angenommen. Ich kann dazu nur herzlich einladen. Gerade jetzt ist es ein Vorteil eines demokratischen Rechtsstaats, dass jede Bürgerin und jeder Bürger transparente Informationen erhalten und auch Pandemiepläne einsehen können. Es gibt keinen Grund, die Situation zu einer Verhetzung zu nutzen, sondern man sollte mehr denn je für Transparenz, Offenheit und Klarheit in der Sache sorgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Ganz wichtig ist das, was wir als Koalition zusammen mit konstruktiven Teilen der Opposition – nicht mit den Hetzern und Spaltern, die hier im Haus sitzen – auf den Weg gebracht haben. Ja, das Technische Hilfswerk braucht andere Regeln, ein anderes Regelwerk. Wir haben die Kostentragungsregeln angepasst. Ein guter Entwurf der Bundesregierung ist durch das Handeln der Koalition noch besser geworden, wie wir es in diesem Haus schon oft erfahren haben. Das ist ein Anlass, zu sagen: Wir haben die Dienste anders geregelt. Es gibt auch die Nachbereitungszeiten, die erfasst werden, sodass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wissen, woran sie sind, wenn sich jemand beim THW engagiert.

Wir haben es noch besser gemacht, indem wir auch mit Zustimmung der Haushaltsgesetzgeber klar gesagt haben: Wir wollen dafür sorgen, dass mehr Geld zur Verfügung steht und nie wieder die Frage im Raum steht, wer am Ende die Rechnung zahlt. Immer dann, wenn ein öffentliches Interesse vorhanden ist, ist klar: Fordert das Technische Hilfswerk mit seinen zahlreichen Helferinnen und Helfern an, und verlasst euch darauf, dass ihr nicht auf der Rechnung sitzen bleibt. – Nicht kleinreden, sondern positive Beispiele nach vorne stellen, das ist das Gebot der Stunde, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir sind gefordert wie nie; aber wir sind im Ehrenamt gut aufgestellt. Darum braucht es in einer Debatte wie jetzt, die vereinbart worden ist, als wir noch nicht absehen konnten, dass zu diesem Zeitpunkt eine solche Herausforderung in Deutschland besteht, ein Dankeschön an alle Helferinnen und Helfer, die sich ehrenamtlich in diesem Land im Zusammenspiel mit hochspezialisierten Spezialistinnen und Spezialisten engagieren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich will aber nicht verhehlen – da haben auch wir als Gesetzgeber gehandelt –: Es kann bei allein durch das Technische Hilfswerk geleisteten 200 000 Einsatzstunden nicht sein, dass diese Menschen, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die die höchste Form der gesellschaftlichen Solidarität zeigen, die ihr Leben und ihre Gesundheit riskieren, herabgewürdigt werden. Eine Untersuchung hat ergeben, dass über 90 Prozent aller ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, auch Beschäftigte von Rettungsdiensten, angepöbelt worden, Gegenstand von Beleidigungen im Netz gewesen oder sogar körperlich angegriffen worden sind. In welchem Land leben wir, dass wir uns nicht vor Retterinnen und Retter stellen? Dass das bekämpft wird, muss ebenfalls ein klares Signal sein. Initiativen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und vieler Hilfsorganisationen verdienen unsere Unterstützung und sämtliche Helferinnen und Helfer unsere volle Solidarität. Wir sagen Nein zu Gewalt gegen Helferinnen und Helfer und Rettungskräfte.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Benjamin Strasser [FDP])

Der Punkt der Vernetzung analoger und digitaler Sicherheit ist angesprochen worden. Es ist eine Frage digitaler Souveränität. Ja, es gibt auch einen Punkt, an dem wir überlegen, wie wir unser 5G-Netz zukünftig aufbauen werden. Es ist fatal, sich von einer Wirtschaftsmacht oder gar einem einzigen Anbieter abhängig zu machen. Deswegen ist es wichtig, verschiedene Anbieter zu haben und so vor allen Dingen Zeit zu gewinnen, dass wir als Deutschland eigenständige Kraft gewinnen, mit eigenen Herstellerstrukturen und eigener Sicherheitstechnologie.

Aber wir als Deutschland können auch Weiteres tun. Eine bestmögliche Kryptografie in Verbindung mit Security by Design ermöglichen uns, eine sichere 5G-Technologie aufzubauen. Auch hier handeln wir; denn analoge und digitale Sicherheit verschmelzen.

Lassen Sie mich abschließend feststellen: Wir müssen den Bevölkerungsschutz stärker in den Blick nehmen. Wir müssen weg vom Kooperationsverbot hin zu einem Kooperationsgebot in einem föderalen Staat. Wir wollen in dieser Situation Ruhe bewahren, besonnen handeln, aber uns auch darum kümmern, die Stärken, die wir haben, –

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.

– im Zusammenspiel von föderaler Ebene und Ehrenamt zu nutzen. Deswegen ist jetzt solidarisches Handeln in Verbindung mit diesem ehrenamtlichen Engagement angezeigt; denn gemeinsam sind wir stark. Danke an alle Helferinnen und Helfer, die uns in dieser Stunde beistehen!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hartmann. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Sandra Bubendorfer-Licht, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7434332
Wahlperiode 19
Sitzung 153
Tagesordnungspunkt Bevölkerungsschutz
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