Stephan ThomaeFDP - COVID 19 - Zivil-, Insolvenz-, Strafverfahrensrecht
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Meine Damen und Herren! In Krisenlagen wie dieser beweist sich die Verlässlichkeit unseres rechtsstaatlichen Gewaltarrangements.
Der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat kennt keinen Ausnahmezustand. Das Recht wird in diesen Tagen vielfach einer Bewährungsprobe ausgesetzt; aber Freiheit, Eigentum, Privatautonomie müssen wir auch und gerade in diesen Zeiten schützen, wenn wir unser Land nach dieser Krise noch wiedererkennen wollen. Auch in Krisen wie dieser muss der Rechtsstaat erkennbar bleiben.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])
Die Bundesregierung legt uns heute ein Gesetzespaket mit vielen und zum Teil tiefgreifenden Änderungen im Insolvenzrecht, im Zivilrecht, im Strafverfahrensrecht vor. Überwiegend sehen wir diese Änderungsvorschläge als sachgerecht und angemessen an; teilweise stehen wir ihnen aber auch kritisch und ablehnend gegenüber.
Ja, die Zeiten verlangen es, dass Gerichtsverfahren länger als bisher ausgesetzt werden müssen und dass Hauptversammlungen von Gesellschaften, Wohnungseigentümergemeinschaften und Vereinen nicht mehr als Präsenzsitzungen stattfinden können. Ja, Unternehmen droht die Zahlungsunfähigkeit, und Verbraucher und Kleinstunternehmer sind nicht mehr, wie bisher, in der Lage, Dauerverträge einzuhalten und Mieten, Pachten und Darlehenskosten weiter zu bezahlen. Das verlangt von uns, dass wir darauf reagieren, dass wir pandemiebedingten Einnahmeausfällen, dass wir Verlustängsten und dass wir den Ängsten mancher, vor dem Nichts zu stehen, entgegenwirken.
Ja, Verbraucher und Mieter brauchen in diesen Tagen Schutz und Hilfe. Aber, Frau Ministerin, manche Maßnahme, die Sie hier ergreifen, reicht das Problem nur eine Reihe weiter. Das ist zum Beispiel bei zwei Vorschlägen, die Sie machen, der Fall. Das erste Problem ist das Leistungsverweigerungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen; Sie sprachen es an. Da entstehen gewaltige Unsicherheiten. Diese Unsicherheiten treffen gerade Kleinstunternehmer, vor allem Handwerker, stärker als viele andere.
Das zweite Problem – Sie sprachen es ebenfalls schon an; das war Gegenstand der Rede der meisten meiner Vorredner – ist das Kündigungsrecht im Mietrecht. 3,9 Millionen private Kleinvermieter in diesem Land sind darauf angewiesen, dass Miete gezahlt wird. Ansonsten droht auch ihnen, dass sie Darlehen und Betriebskosten nicht mehr bezahlen können, dass sie Verwaltergebühren und Handwerkerrechnungen schuldig bleiben. Am Ausbleiben der Miete hängt eine ganze Menge hintendran. Dann drohen vielleicht irgendwann Darlehenskündigungen. Dann kann die Zwangsverwaltung, die Zwangsversteigerung drohen. Dann droht der Verlust eines Stückes Altersvorsorge. Das ist die Sorge, die wir haben.
Deswegen hat die FDP-Fraktion Ihnen heute einen Entschließungsantrag vorgelegt, der genau dem entgegenwirken soll. Es soll ein Sonderwohngeld eingeführt werden, damit die Mieter ihre Miete weiter bezahlen können, sodass der erste Dominostein in dieser Kaskade Mieter-Vermieter-Darlehensgeber-Handwerker-Verwalter gar nicht erst umfällt.
Wir haben also Kritik an Ihrem Entwurf. Aber wenn wir heute Ihrem Gesetzentwurf gleichwohl zustimmen, dann tun wir dies aus staatspolitischer Verantwortung, weil auch uns bewusst ist, dass wir diese Krise nur gemeinsam bewältigen können.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])
Friedrich Straetmanns, Die Linke, ist der nächste Redner.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7435636 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 154 |
Tagesordnungspunkt | COVID 19 - Zivil-, Insolvenz-, Strafverfahrensrecht |