23.04.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 156 / Tagesordnungspunkt 18

Andreas SchwarzSPD - Nationalstaatliche Souveränität bei EU-Corona-Hilfen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Na gut, da kann er uns vielleicht beraten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Corona macht vor Grenzen natürlich nicht halt. Die Folgen der Pandemie erreichen viele Menschen in allen Ländern dieser Erde. Gerade wir Europäer haben aber jetzt die große Chance, diese Viruskrise gemeinsam zu bewältigen und der Welt zu zeigen, dass Europa zueinandersteht, zueinanderhält und sich vor allen Dingen auch gegenseitig hilft. Wir sind in Europa eine Schicksalsgemeinschaft.

In dieser Situation kommt nun der heute vorliegende Antrag der AfD, der mal wieder nichts anderes macht, als antieuropäische Thesen zu produzieren. Liebe Bürgerinnen und Bürger, wenn ich den dreiseitigen Antrag für Sie vor den Bildschirmen auf den Punkt bringen darf, dann würde ich ihn so beschreiben: Die AfD hat das System von Europa und das System von Solidarität nicht verstanden.

(Dr. Roland Hartwig [AfD]: Doch! Haben wir sehr genau!)

Es ist schon ein trauriges Bild, dass Rechtspopulisten in ganz Europa so gar keine Antworten auf die aktuelle Krise entwickeln, keine Antworten hinsichtlich unserer Zukunft geben können und – wie dieser Antrag wieder zeigt – zynisch mit den Herausforderungen dieser von allen unverschuldeten Krise in Europa umgehen.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Gerade in dieser Krise zeigt sich, dass alle aufrechten demokratischen Kräfte in Europa zusammenhalten und ungeheure Anstrengungen unternehmen, Arbeiternehmer, Unternehmen, Kranke und viele mehr zu schützen und, so gut es geht, auch wirtschaftlich aufzufangen.

Die AfD kann doch nicht ernsthaft fordern, dass Deutschland einen Rettungsschirm über unser Land spannt und die Nachbarn im Regen stehen lässt.

(Albrecht Glaser [AfD]: Wieso denn nicht?)

60 Prozent unserer Exporte gehen an unsere europäischen Freunde. Viele für unsere Volkswirtschaft dringend notwendigen Lieferketten haben ihren Ursprung bei unseren europäischen Nachbarländern. Nehmen wir doch nur mal Norditalien für die Automobilindustrie.

Deshalb, meine Damen und Herren der AfD: Ihre antieuropäische Haltung ist keine Antwort auf die Probleme der Krise; sie ist Ausdruck Ihrer permanenten Hilflosigkeit. Das ist letztendlich Ihr Geschäftsmodell: spalten und ausgrenzen. Das kennen wir von Ihnen, und ehrlich gesagt, erwarten wir auch nichts anderes mehr.

Aber was erwarten die Menschen in diesem Land von uns? Sie wollen mit ihren Sorgen und Nöten eben nicht alleingelassen werden. Die Menschen müssen im Moment ein anderes Leben organisieren. Das fängt bei der Kinderbetreuung an, geht über den Erhalt des Arbeitsplatzes oder der Existenz und endet sicherlich nicht nur damit, dass man sich Gedanken darüber macht, ob man gesund bleibt.

Wir haben viele Helden des Alltags, und sie verdienen unsere Solidarität. Und diese Helden des Alltags gibt es natürlich auch in ganz Europa. Unsere Bundesregierung hat hier schnell, umfassend und mit großer Verantwortung reagiert, und das auch mit den Stimmen der Opposition. Das ist Solidarität, und daran könnte sich die AfD mal ein Beispiel nehmen.

Genauso erwarten die Menschen in Europa natürlich auch Hilfe, die von der europäischen Idee der Solidarität getragen ist. „ Helfen“ heißt natürlich auch „Risiko“, heißt „Kosten“, bietet aber auch Chancen. Die Welt wird sicher nach der Coronakrise eine andere sein. Wir haben aber jetzt die große Chance, unsere Welt besser und zukunftsfähiger zu machen. Deutschland als guter Nachbar hat ein elementares Interesse an einem starken Europa. Die EU ist trotzt kultureller Unterschiede und unterschiedlicher Mentalitäten eine politische Stabilität und ein verlässlicher Partner in der Welt.

Sicherlich verrate ich kein Geheimnis, wenn ich sage, dass unser Finanzminister Olaf Scholz zusammen mit seinem französischen Amtskollegen dafür gesorgt hat, die unterschiedlichen Interessen Europas zu bündeln und ein erstes gemeinsames Konzept im Kampf gegen die Krise zu erarbeiten, ein Konzept, meine Damen und Herren, das richtige Antworten liefert und die Menschen in ganz Europa nicht im Regen stehen lässt. Diese Anstrengungen in Europa können sich sehen lassen.

Was wurde mit dem Unterstützungspaket in Höhe von 540 Milliarden Euro erreicht?

Erstens. 200 Milliarden Euro für die Investitionsbank, damit Unternehmen der gesamten EU unterstützt werden können, analog zu unserer KfW.

Zweitens. 100 Milliarden Euro für den SURE-Fonds, um das Kurzarbeitergeld zu finanzieren.

Drittens. 240 Milliarden Euro aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus werden für medizinische Hilfen im Zusammenhang mit der Pandemie zur Verfügung gestellt. Jedes Land kann bis zu 2 Prozent des BIP als Hilfe beantragen. Allein für Italien würde das 39 Milliarden Euro an zusätzlicher Hilfe bedeuten. Dass die Rechtspopulisten der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung dieses Geld ablehnen, erstaunt angesichts des hier vorliegenden Antrags der AfD nicht wirklich.

Sie sehen also, meine Damen und Herren: Rechtspopulisten sind nicht nur in Deutschland hilflos; sie sind es auch anderswo in der Welt. Nachbarschaftliche Solidarität ist wesentlicher Bestandteil der Beseitigung der Pandemie. Das gehört zum europäischen Gedanken.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matern von Marschall [CDU/CSU])

Wir werden auch zukünftig Ideen entwickeln, die wahrscheinlich über die bestehenden Programme hinausgehen müssen, und Denkverbote über die Ausgestaltung und Finanzierung der Hilfen sollte es, anders als in Ihrem Antrag formuliert, liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD, nicht geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ob konditionierte Darlehen, Beteiligung, wie wir es hier in Deutschland machen – über alles müssen wir nachdenken. Sicher muss dies auf Grundlage der europäischen Verträge und auf Grundlage des Grundgesetzes passieren, und sicherlich wird das Parlament hier das letzte Wort haben wollen.

Zum Schluss. Was fühlen die Menschen in diesem Land? Wir handeln hier mutig, verantwortungsbewusst und entschlossen, und wir haben gute und richtige Lösungen. Meine Damen und Herren, Solidarität ist die politische Form der Nächstenliebe. Diese Koalition und große Teile dieses Parlamentes leben diese Solidarität.

Herzlichen Dank. Und bleiben Sie gesund!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Alexander Ulrich.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Petry [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7442014
Wahlperiode 19
Sitzung 156
Tagesordnungspunkt Nationalstaatliche Souveränität bei EU-Corona-Hilfen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta