Wolfgang Schäuble - Wahlen
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Deutsche Bundestag trauert um Norbert Blüm. Er ist am 23. April im Alter von 84 Jahren gestorben. Unser Land verliert mit ihm einen streitbaren Demokraten und einen seiner profiliertesten Sozialpolitiker.
Seine Devise lautete: „Einmischen ist Pflicht!“ In diesem Sinne beteiligte sich Norbert Blüm bis zuletzt an der gesellschaftlichen Debatte und erhob leidenschaftlich seine Stimme für die Schwächeren. Im Zentrum seines christlich geprägten Denkens und Handelns stand immer der Mensch. „ Solidarität ist kein Luxus, sondern Existenzbedingung des menschlichen Lebens“, sie ist „die politische Form der Nächstenliebe“ – so brachte Norbert Blüm die katholische Soziallehre für sich auf den Punkt.
Seiner Weitsicht und der politischen Hartnäckigkeit, mit der er seine Anliegen gegen alle Widerstände vertrat, verdankt unser Sozialsystem die Pflegeversicherung – und die Gesellschaft ein geschärftes Bewusstsein für die Generationengerechtigkeit. Norbert Blüm erkannte früher als andere die gesellschaftspolitische Bedeutung des demografischen Faktors, um die Rente in einer alternden Gesellschaft zu sichern. Es wurde sein Lebensthema. Als ein großes Glück bezeichnete er rückblickend, an der sozialpolitischen Einigung Deutschlands vor 30 Jahren mitgewirkt zu haben, einer historisch einmaligen Herausforderung.
Norbert Blüm passte in keine Schablone: Werkzeugmacher und studierter Philosoph, Spitzenpolitiker und Gelegenheitskabarettist, Hochschullehrer und Menschenrechtsaktivist – all das war Norbert Blüm. Er behielt immer seinen eigenen Kopf, unbequem für den politischen Gegner wie im Übrigen auch für Parteifreunde und Kabinettskollegen. „ Im Notfall gönne ich mir, gegen den Strom zu schwimmen“, pflegte er zu sagen. Gleichzeitig war er zeitlebens ein Mann des Ausgleichs mit klarer Haltung und Prinzipientreue, die er mit großer Glaubwürdigkeit vertrat.
Norbert Blüm wurde 1972 zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt. Er gehörte diesem Hause fast drei Jahrzehnte an – mit einer Unterbrechung, als er in Westberlin unter Richard von Weizsäcker Senator war. Auch wenn er in der Hauptstadtdebatte 1991 zu den Wortführern für Bonn zählte: Mit der Entscheidung zum Umzug nach Berlin hat er sich sofort abgefunden. Dieses Maß an Gelassenheit schrieb er als große Begabung den Rheinländern zu, wobei in diesem Zusammenhang wohl eher sein unverwechselbarer Humor in Erinnerung bleiben wird.
Als Minister und Abgeordneter zeigte er sich als Meister der „unverblümten Rede“, der sich gerne dem parlamentarischen Schlagabtausch stellte. Seine letzte Rede im Plenum des Deutschen Bundestages 2002 ist ein Glanzstück lebendiger Debattenkultur: mit fundierten Argumenten, Schlagfertigkeit, Witz und – was ihm immer wichtig war – mit Respekt vor dem politischen Gegner. Dafür wurde er über Fraktionsgrenzen hinweg hochgeschätzt und respektiert.
Norbert Blüm hat sich um unser Land, die Demokratie und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft große Verdienste erworben. Der Deutsche Bundestag wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen und Freunden, denen unser tief empfundenes Mitgefühl gilt.
Ich darf Sie bitten, sich zu einem stillen Gedenken für Norbert Blüm zu erheben.
– Ich danke Ihnen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gratuliere ich nachträglich der Kollegin Leni Breymaier und dem Kollegen Reinhard Houben zum jeweils 60. Geburtstag und dem Kollegen Dr. h. c. Hans Michelbach zum 71. Geburtstag. Alle guten Wünsche im Namen des ganzen Hauses!
Für den ausgeschiedenen Kollegen Dr. Stefan Ruppert ist der Kollege Matthias Nölke als Mitglied des Deutschen Bundestages nachgerückt. Herr Kollege Nölke, ich begrüße Sie im Namen des ganzen Hauses und wünsche eine gute Zusammenarbeit.
Interfraktionell sind folgende Änderungen der Tagesordnung vereinbart worden:
Mit dem Tagesordnungspunkt 10 soll der Wahlvorschlag der Fraktion der AfD für die Wahl des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages aufgerufen werden. Der Tagesordnungspunkt 12 soll abgesetzt werden. Im Anschluss an Tagesordnungspunkt 18 soll auf Verlangen der Fraktion der AfD eine Aktuelle Stunde zum Thema „Auswirkungen des Verfassungsgerichtsurteils zu EZB-Anleihekäufen“ stattfinden. In verbundener Beratung mit dem Tagesordnungspunkt 26 soll der Antrag „Rechtsstaat in der Corona-Krise verteidigen – Bürger- und Freiheitsrechte bewahren“ aufgerufen werden. Sind Sie mit all dem einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7444227 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Wahlen |