Benjamin StrasserFDP - Grundrechte in der Corona-Krise
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Millionen von gläubigen Menschen in Deutschland, egal ob Christen, Jüdinnen, Juden, Muslime, erleben momentan harte Zeiten. Das Osterfest ist in weiten Teilen ausgefallen, genau wie die Pessachfeiern, und auch der Ramadan kann nicht wie gewohnt stattfinden. Bei alldem handelt es sich um massive Eingriffe in die Religionsausübung, die wir auch hier im Deutschen Bundestag besprechen müssen.
In dieser Situation kommt jetzt ein Antrag der AfD auf den Tisch, der ein bemerkenswertes Verständnis von Religionsfreiheit offenbart. Wenn es nach dieser Partei geht, so lesen wir im Antrag, ist nämlich in Coronazeiten Religionsfreiheit nur für Christen gestattet. Sie sprechen in Ihrem Antrag von pauschalen Verboten von Ostergottesdiensten, aber kein Wort zu Pessachfeiern oder dem Ramadan.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Sie sorgen sich um Weihnachten 2020. Ob Jüdinnen und Juden in diesem Land Chanukka feiern können, ist Ihnen offensichtlich egal. Dieses Verhältnis zur Religionsfreiheit ist entlarvend. Sie benützen Religionsfreiheit nur dann, wenn es in Ihre politische Agenda passt, Frau Storch,
(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)
wenn man sich als Vorkämpferin von Jüdinnen und Juden geriert, wenn es gegen Muslime geht; aber sonst zählen diese Menschen für Sie offensichtlich nichts. Das ist nicht der Geist des Grundgesetzes. Laut Grundgesetz gilt Religionsfreiheit für alle Menschen, und dahinter stehen wir Freien Demokraten ganz ausdrücklich.
(Beifall bei der FDP)
Aber Herr Amthor hat recht: Reden wir weniger über die AfD; reden wir lieber über das Verhalten der Bundesregierung in der letzten Zeit.
(Zuruf des Abg. Philipp Amthor [CDU/CSU])
Sie werden sicher schon festgestellt haben, dass in Ihrem Kommentar zu den Grundrechten steht, dass es dem Staat grundsätzlich nicht zusteht, darüber zu verfügen, wie Gläubige ihren Glauben ausleben. Es steht nicht zur Disposition des Staates oder der Mehrheitsgesellschaft, irgendwelche Änderungen an diesem Glauben vorzunehmen. Genau deshalb gab es auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 10. April, das nicht nur festgestellt hat, dass diese Gottesdienstverbote schwerwiegende Grundrechtseingriffe sind, sondern auch festgelegt hat, dass es eine andauernde Überprüfung dieser Maßnahmen gibt.
(Zuruf des Abg. Philipp Amthor [CDU/CSU])
Ich kann dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz nur zustimmen, der sich sehr enttäuscht über das gezeigt hat, was die Bundeskanzlerin fünf Tage nach dieser Entscheidung beschlossen hat. Alle Religionsgemeinschaften in Deutschland, Jüdinnen und Juden, Christen, Muslime, haben durch die Bank diese Maßnahmen in der Coronakrise sehr kooperativ mitgetragen. Dass die Frau Bundeskanzlerin am 15. April dann Kfz-Händler und die ganzen Ladengeschäfte unter Sicherheitsvorkehrungen öffnen lässt, aber Gottesdienste nicht gestattet, das kann nicht sein und ist ein massiver Eingriff in die Glaubensfreiheit dieser Menschen.
(Beifall bei der FDP)
Glaubensfreiheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, heißt nicht – ihr ist damit auch nicht Genüge getan –, dass jeder an das glauben darf, was er will, aber bitte daheim, sondern dass man seinen Glauben auch ausleben kann. Gottesdienste sind kein Nice-to-have, sondern wesentlicher Teil einer Grundrechtsausübung. Deswegen muss in der Zukunft klar sein, dass solche Entscheidungen, wie sie die Bundesregierung getroffen hat, so nicht mehr vorkommen, sondern dass die Religionsfreiheit für alle Menschen in diesem Land gewährleistet bleibt.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Benjamin Strasser. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Niema Movassat.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7444267 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Grundrechte in der Corona-Krise |