Rudolf HenkeCDU/CSU - Schutz der Bevölkerung bei epidemischer Lage
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Westig, das werden wir ja in einer – die Überweisung sei unterstellt – für den kommenden Montag geplanten Anhörung diskutieren können; das werden wir anschließend im Ausschuss diskutieren können. Insofern finde ich: Zur Debatte gehört ja auch, dass jeder seine Vorschläge einbringt und dass man sie dann bewertet und gewichtet.
(Nicole Westig [FDP]: Wenn man das als Ja nimmt!)
Ich möchte mich hauptsächlich noch mal auf die Situation konzentrieren, in die wir seit der gestrigen Entscheidung der Ministerpräsidenten der Länder und der Bundesregierung gekommen sind, sehr viele Öffnungen vorzunehmen. Ja, dann finden sich immer unter „Schutzmaßnahmen“ die berühmten AHA-Kriterien: Abstand, Hygieneregeln, Alltagsmasken. Ja, dann wird auch gesagt: Die Betriebe müssen jetzt wieder Geld verdienen. – Dann muss aber natürlich ein Hygienekonzept her, das auch mit Arbeitswissenschaft und Arbeitsmedizin abgestimmt ist und mit dem man dann Betrieb für Betrieb klären kann, dass man weder Beschäftigte noch Kunden in eine Gefährdung bringt.
Damit ist jetzt eine große Verantwortung auf die Ministerpräsidenten und die Bundesländer übertragen. Uns hier mag das vielleicht auch ein Stück weit erleichtern. Aber ich bin Jens Spahn und auch dem Bundeskabinett insgesamt sehr dankbar, dass in diesem Beschluss von gestern klare Kriterien dafür enthalten sind, wann die Länder, die sich das ausdrücklich ausbedungen haben, tätig werden müssen. Man wundert sich, warum heute die Bundesratsbank hier im Plenum so schwach besetzt ist. Warum sind nicht mehr Länder vertreten, wenn es der Zeitpunkt ist, zu dem ihre Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung in vollem Umfang zurückkehrt? Warum ist das so? Ich frage mich das.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wir alle müssen Wächter dafür sein, dass die Bundesländer jetzt in der Tat ihre Zusage einhalten. Dazu ist der Öffentliche Gesundheitsdienst natürlich das zentrale Instrument, und es ist gut, dass wir ihn stärken, übrigens nicht erst zu dem Zeitpunkt, da das Gesetz beschlossen sein wird, wie das vorhin mal jemand angemerkt hat. Vielmehr gibt es ja schon eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die Maßnahmen, die getroffen werden. Das Papier vom 25. März 2020 enthält ja, dass kurzfristig pro 20 000 Einwohner mindestens ein Kontaktnachverfolgungsteam aus fünf Personen in den Einsatz gebracht wird.
(Zuruf von der SPD: Am 25. März?)
– Am 25. März ist diese Entscheidung getroffen worden:
Die Verantwortung für diese personelle Ausstattung liegt bei den Ländern. In einer Stadt wie Köln, die in den letzten Wochen enorm belastet war, erleben wir eine Aufstockung des Personals der Gesundheitsämter von 350 Personen auf 700 Personen. Natürlich haben ganz viele Ämter in Köln dafür etwas opfern müssen. Der Betriebsärztliche Dienst der städtischen Bediensteten in Köln liegt zurzeit ziemlich darnieder, weil man diese Kräfte im Gesundheitsamt konzentriert, und auch andere Ämter können davon ein Lied singen. Das ist in vielen Städten der Fall. Trotzdem haben wir noch kein Monitoringsystem, um festzustellen, wie denn der Öffentliche Gesundheitsdienst personell ausgestattet ist. Auf eine entsprechende Frage in dem Briefing heute Morgen konnte zumindest der Vizepräsident des RKI keine bundesweite Zahl der Beschäftigten in den Gesundheitsämtern nennen. Da müssen wir höllisch achtgeben; denn die Fähigkeit zum Aufdecken erneuter Infektionsausbreitung liegt jetzt in deren Händen.
Wir helfen, der Bund hilft, das Bundesministerium für Gesundheit hilft, wo es nur geht. Wir stellen die Containment Scouts, einen schnellen Eingreifdienst, zur Verfügung, 525 Kräfte. Wir schaffen 40 zusätzliche Kräfte in der Kontaktstelle Kommunaler Öffentlicher Gesundheitsdienst beim RKI. Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes wird in dem Projekt Medis4ÖGD mit Medizinstudierenden zum Einsatz in den Gesundheitsämtern unterstützt.
Das ist alles sehr, sehr gut, aber die eigentliche Verantwortung liegt woanders. Man wird ja die zusätzlichen 350 Kräfte im Kölner Gesundheitsamt jetzt nicht innerhalb weniger Monate wieder zurückschicken können. Also, wie macht man das? Wo ist das Konzept dafür, dass diese Zahl an Kräften dort auch bleibt? Diese Frage stellt sich in der gesamten Republik. Deswegen wäre ich froh gewesen, hätten wir Ministerpräsidenten oder Gesundheitsminister der Länder zu Gast gehabt, die hier bekundet hätten, wie sie das ganz genau machen werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich bin aber sicher und fest überzeugt, dass ihnen die Größe dieser Aufgabe, die sie da gestern übernommen haben, natürlich vollständig bewusst ist, und deswegen bin ich absolut sicher und optimistisch, dass wir alle Öffnungen, viele von den Ministerpräsidenten gefordert, jetzt natürlich auch einlösen werden.
Ich will noch ein Wort zu der, wie ich finde, etwas unsinnigen Debatte um das Thema Immunitätsausweis sagen. Dass das jetzt dort nicht drinsteht, finde ich in Ordnung, weil wir ja, realistisch betrachtet, je nach Studie allenfalls 2 Prozent der Bevölkerung haben, die derzeit infiziert sind und sich in Antikörpertestungen als Antikörperträger ausweisen können. Im Moment weiß keiner, wie lange diese Antikörper Bestand haben, und wenn sie denn da sind, weiß keiner, was es bedeutet und ob sie einen Krankheitsschutz bieten. Wenn sie einen Krankheitsschutz böten, wüsste auch keiner, ob sie einen Infektionsschutz in der Weise bieten, dass man andere nicht anstecken kann. Weil das so ist, hat die Debatte darüber auch noch Zeit. Aber über eines müssen wir uns, finde ich, alle klar sein: Jeder Arzt und jede Ärztin, der oder die bei einem Patienten einen Befund erhebt, ist natürlich rechtlich verpflichtet, diesem Patienten den Befund zu eröffnen und mitzuteilen. Selbstverständlich kann der Patient mit diesem Befund verfahren, wie er will, und selbstverständlich kann er ihn auch dazu nutzen, um beispielsweise, wenn eine Quarantäne gegen ihn verhängt würde, dagegen zu argumentieren und zu sagen: Quarantäne für mich ist doch völlig unverhältnismäßig; Besuchssperre für mich ist doch völlig unverhältnismäßig.
Ich bin sicher: Wenn die wissenschaftlich zu klärenden Fragen betreffend Charakter, Dauer und Bedeutung des Immunitätsnachweises beantwortet sind, dann ereilt uns diese Frage selbstverständlich wieder. Deswegen, finde ich, ist es auch richtig, dass wir die Zeit, die jetzt gewonnen ist, –
Herr Kollege.
– dazu nutzen, uns darauf vorzubereiten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Allerletzte Bemerkung.
Herr Kollege, die Zeit ist abgelaufen. Ich bitte wirklich um Nachsicht. Also, das geht jetzt nicht mehr.
Ja. Ich habe die Nachricht verstanden. – Dann bedanke ich mich.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie haben bald wieder Gelegenheit.
Ich habe ja vielleicht irgendwann noch mal eine Gelegenheit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ja, gut. – Dann ist die letzte Rednerin zu diesem Punkt die Kollegin Heike Baehrens, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7444285 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Schutz der Bevölkerung bei epidemischer Lage |