Lothar BindingSPD - Staatshilfen für Konzerne in Steueroasen
Schönen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst Herrn Müller anschließen und der Bundesregierung danken. Ich hätte nicht gedacht, dass man in der kurzen Zeit ein solches Programm operativ abwickeln kann. Also, das muss ich ehrlich sagen: Was da, auch mit unserer Unterstützung, in vier oder sechs Wochen passiert ist! – Aber wir wissen, auf wen viele Ideen zurückgehen. Das ist eine Wahnsinnsleistung, finde ich; das muss man erwähnen, und das wurde auch schon mehrfach erwähnt. Das ist auch verdient.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU])
Weil es immer viel um Geld geht – es geht auch um viel Geld –, will ich Olaf Scholz besonders erwähnen, weil er immer irgendwie Ja sagen muss. Falls in ein paar Jahren irgendwas schiefgeht, dann weiß ich, wem man dafür die Schuld geben wird. Ich sage jetzt nicht, wem. Aber es ist völlig klar: So wird das Spiel laufen. – Vielen Dank für das, was da geleistet wurde.
Ich will ein Wort zu Otto Fricke sagen, weil er etwas Gutes behauptet hat. Er hat ausgeführt: Mal angenommen, einem Unternehmen geht es schlecht, und es würde die 1 Milliarde Euro, die ihm helfen würde, nicht bekommen – es hat nämlich ein Tochterunternehmen in Panama –, wodurch wir 50 000 Arbeitsplätze verlieren.
(Otto Fricke [FDP]: Nein, das ist falsch wiedergegeben!)
Jetzt gibt es noch eine andere Lösung. Wir sagen: Wer eine passive Gesellschaft als Tochter in Panama hat, kriegt die 1 Milliarde Euro nicht.
(Otto Fricke [FDP]: Das habe so ich nicht gesagt!)
Dann können wir sagen: Die 50 000 Arbeitsplätze sind weg. Oder wir sagen: Die stille Gesellschaft in Panama wird geschlossen. Wird die stille Gesellschaft geschlossen, werden die 50 000 Arbeitsplätze durch die 1 Milliarde Euro erhalten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist gutes Management. Darauf würde ich mich gerne beziehen.
Ich will Klaus-Peter Willsch eine Frage stellen: Weißt du, was in einer Mottenkiste ist?
(Beifall des Abg. Michael Schrodi [SPD] – Ulli Nissen [SPD]: Auf die Antwort bin ich gespannt! – Heiterkeit des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU])
Der Staat macht sehr viel; das will ich gar nicht alles wiederholen. Cansel Kiziltepe hat schon gesagt: Der Staat hat bewiesen, dass er hilft.
Herr Kollege Binding, der Kollege Fricke würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
Das Risiko gehe ich ein.
(Heiterkeit)
Herr Kollege Binding, das Risiko können Sie ruhig eingehen. Es ist auch nett, dass Sie hier versuchen, die Zuhörer ein bisschen zu, wie man es im Rheinland so schön sagt, verkasematuckeln.
Ich habe bewusst nicht das Beispiel Panama gebracht. Ich glaube, bei Panama sind wir uns beide ziemlich einig darin, dass wir hier ein Land auf der Länderliste haben – das gilt genauso für die Cayman Islands und andere –, bei dem es einfach ganz klar sein muss, dass es in einem solchen Fall keine Staatshilfe gäbe. Ich habe aber bewusst das Beispiel Niederlande gebracht. Ich würde deswegen gerne wissen – das müssen wir nämlich klarmachen –: Was machen Sie denn in dem Fall, den die Linken im Zusammenhang mit den 46 000 Arbeitnehmern von Airbus angeführt haben? Sie sagen: Ja, es stimmt. – Die Holding ist – übrigens aus steuerlichen Gründen, wie wir beide wissen – in den Niederlanden. Ist es denn nach Ihrer Meinung so, dass Airbus, wenn das Unternehmen mit der Bitte um Hilfe käme, keine Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds bekommen dürfte, oder doch?
Die KfW würde vertraglich zu verabreden haben, dass die Gelder, die dort als Kredite, verzinst und rückzahlbar, zur Verfügung gestellt werden, dem Unternehmensstandort Deutschland helfen. Diesen Vertrag muss man dann entsprechend gestalten.
(Otto Fricke [FDP]: Aber sie können es bekommen? Okay!)
Man muss dann schauen, ob in dieser Liste mit den 40 Steueroasen auch die Niederlande aufgeführt sind. Das sollte man im Einzelfall prüfen.
Gibt es da einen Kanal, der letztendlich nur dazu dient, dass unser Zuschuss oder unser günstiger Kredit, für den letztendlich der Staat haftet,
(Otto Fricke [FDP]: Das ist ja die Voraussetzung des Gesetzes!)
dann in den Niederlanden landet, um ihn von dort über Irland nach Panama weiterzuleiten, dann muss der Vertrag – das wäre meine Meinung – so gestaltet sein, dass die Antwort ist: Ja, die Niederlande bekommen das Geld bei einer klugen Vertragsgestaltung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Ihr Gesetz! – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Soll ich jetzt eine Antwort auf die Frage geben?)
So, weiter geht es.
Wir wollen, dass Unternehmen dann, wenn sie Kredite oder Hilfen vom Staat bekommen, auch einen finanziellen Anteil für die Gemeinschaft leisten. Wir wissen seit Jahren, dass wir mit BEPS, Country-by-Country Reporting, mit dem Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz, dem Lizenzschrankengesetz, dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, dem Gesetz gegen Kassenbetrug immer dagegen vorgehen müssen, damit das System halbwegs fair funktioniert. Ist es nicht schlimm, dass wir permanent solche Gesetze machen müssen? Könnten die Unternehmen sich nicht so verhalten, dass diese Gesetze überflüssig wären? Das wäre ein Anspruch. Diesen hätte ich an einen halbwegs ethisch-moralisch korrekten Manager.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Die Kassenbons müssen weg! Das ist ein Virusträger!)
– Ja, ja.
Wir wollen auch, dass die Investitionen in Deutschland den deutschen Unternehmensstandort stärken; das ist doch völlig klar. Das sind deutsche Steuergelder. Insofern ist das eine kluge Sache. Aber Vorsicht: Nicht auf dem Rücken anderer! Wir müssen schon schauen, dass die Gemeinschaft den Einzelnen hilft. Und wenn die Krise vorbei ist, helfen wieder die Einzelnen der Gemeinschaft. So einfach ist das. Was wir hier verteilen, ist ja nicht unser Geld, sondern das Geld aller.
Wir wollen nicht – das habe ich schon gesagt –, dass dann diese Gelder über geschickte Gestaltungen über Steueroasen letztendlich ganz woanders landen. Es geht eben nicht, dass man hier einen Zuschuss bekommt und gleichzeitig Dividenden ausschüttet und Aktien zurückkauft; dazu ist schon viel gesagt worden.
Das Gute an dem Antrag der Linken ist, dass er sozusagen zwei Ausgänge hat. Der eine Ausgang ist, dass die Regierung, dass wir, dass die KfW dieses Anliegen unterstützt. Wer jetzt ein bisschen genauer nachschaut, der findet dazu in den Merkblättern der KfW – die Merkblätter muss ich ja lesen, wenn ich diesen Antrag beurteilen will –: Gewinn- und Dividendenausschüttungen sind verboten.
(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Das habe ich schon vorgelesen!)
– Ja, manchmal hilft die Wiederholung. Ich meine, über die Mottenkiste haben wir schon geredet.
(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Ich darf die Frage ja gar nicht beantworten!)
Diese KfW-Coronahilfen sind eben so gestaltet, dass das verboten ist, und zwar für alle. Deshalb steht das in dem entsprechenden Papier, das ich zeichnen muss, wenn ich den Kredit bekommen will. Aktienankäufe sind genauso verboten. Also, das ist eigentlich schon geregelt.
Wir haben aber natürlich auch das Ziel, dass Konsortialfinanzierungen in einer ähnlichen Weise organisiert und unterstützt werden, dass auch Konsortien, also Zusammenschlüsse großer Unternehmen – die meisten mittelständischen und großen Unternehmen sind groß –, liquide bleiben. Da ist die Sache jetzt ein bisschen schwieriger, weil dazu nichts im Merkblatt steht, sondern das wird einzelvertraglich verabredet; das habe ich schon gerade als Antwort auf die Frage von Otto Fricke gesagt.
Mit dieser einzelvertraglichen Regelung bin ich nicht glücklich. Ich finde, wir müssten versuchen, zu erwirken, dass diese einzelvertraglichen Regelungen dort rausgelöst werden und sozusagen auch in die Form eines Merkblatts kommen, damit das für alle gilt.
(Otto Fricke [FDP]: Das geht ja gar nicht!)
– Ja, du schüttelst den Kopf. – Ich meine, es ist klug, alles für alle gleich zu machen. Denn dann gelten die Regeln für alle, dann ist es also durchgängig.
(Otto Fricke [FDP]: Ich glaube, er weiß nicht, was im Gesetz steht!)
Allerdings kann man jetzt nicht sagen: Es ist nichts geregelt. – Die KfW hat die Chance, diese Verträge zu machen. Das ist natürlich eine sehr gute Sache, weil man im Einzelfall genauer hingucken muss; das haben wir schon diskutiert. Man kann, glaube ich, keine Regel finden, die jetzt die Grenze scharf zieht, ab wann ein Tochterunternehmen in einem Land eine passive Gesellschaft ist, derentwegen wir einen Zuschuss verweigern müssen. Wer das von vornherein festlegen will, der merkt: Das ist richtig schwer.
Diese europäische Liste ist ja eigentlich – das muss man sagen – ohne großen Wert, weil die wichtigsten Steueroasen gar nicht aufgeführt sind. Das ist ein Vehikel, um anzudeuten: Wir kümmern uns darum. Aber das ist keine Lösung des Problems. Darüber haben wir schon oft was gehört. Insofern ist es klar, dass wir eine große Unterstützung geben wollen. Wir wollen aber auch, dass die Unterstützung zurückkommt und dass die Unternehmen sich daran erinnern, wenn die Krise vorbei ist.
Jetzt gibt es eine Sache, die ich unter „maßlos“ subsumieren würde. Es gibt Unternehmen, die Zuschüsse, Darlehen bekommen. In dieser kritischen Phase, wo der Staat sich gigantisch neu verschuldet und Wahnsinnsrisiken eingeht: Was verlangen diese Unternehmen in dem Moment? Steuersenkungen! Und da muss ich sagen: Man sollte nicht maßlos werden. Steuersenkungen in dieser Phase zu fordern, halte ich nicht für in Ordnung. Dort, wo man erkennt, dass der Staat sich um die Einzelnen kümmert, sollten die Einzelnen nicht noch mehr fordern.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Die Frage ist immer noch nicht beantwortet!)
Vielen Dank, Herr Kollege Binding. – Für die Fraktion der FDP hat das Wort die Kollegin Katja Hessel.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7444298 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Staatshilfen für Konzerne in Steueroasen |