Sebastian BrehmCDU/CSU - Staatshilfen für Konzerne in Steueroasen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn das Ihr Beitrag ist, den Sie zur Bewältigung der Krise leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, dann ist das ziemlich dünn.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ihr Vorhaben mit diesem Antrag ist so durchsichtig wie die Glasscheibe Ihres politischen Schaufensters, in welches Sie Ihren Antrag stellen. Ihr Ziel war, in zehn Minuten mal schnell einen Antrag runterzuschreiben, eineinhalb Seiten; aber ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger brauchen keinen schnell runtergeschriebenen Antrag, damit man in die Schlagzeilen kommt, sondern sie brauchen und erwarten Ernsthaftigkeit. Und sie erwarten vor allem in der jetzigen Krise, dass wir die Probleme angehen und lösen.
Das, was Sie fordern, ist schon lange von dieser Regierungskoalition umgesetzt, und zwar besser als in den von Ihnen erwähnten europäischen Ländern wie Dänemark. In diesen Nachbarländern sind das Regierungsempfehlungen. Wir haben es ins Gesetz gegossen. Wenn wir es so gemacht hätten wie die anderen Länder und nur Empfehlungen ausgesprochen hätten, wären Sie die Ersten gewesen, die es kritisiert hätten. Wir haben eine entsprechende gesetzliche Regelung.
Ich wiederhole es zum dritten Mal am heutigen Tag – vielleicht tritt dann ein Lerneffekt ein –: Im Bereich der Coronahilfen, bei den KfW-Hilfsprogrammen gibt es diese klaren Regelungen in den Ausführungsbestimmungen. Ein Blick auf die Seite des Bundesfinanzministeriums oder in die entsprechenden KfW-Auflagen hilft bei der Wahrheitsfindung:
(Otto Fricke [FDP]: Eben! Sehr wahr!)
Erstens:
(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])
Zweitens:
– das sind übrigens die von Ihnen erwähnten Konzerne –
Drittens:
Also, vielleicht noch mal zum Nachlesen für Sie; vielleicht bringt es ein bisschen was.
Der zweite Bereich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der von uns eingerichtete und mit 600 Milliarden Euro ausgestattete Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Er wurde überwiegend für große Unternehmen und Konzerne eingerichtet: für Staatsgarantien, für staatliche Beteiligungen und für die Refinanzierung durch die KfW. Hier gibt es sogar bereits gesetzlich umgesetzte Regelungen.
(Otto Fricke [FDP]: Eben!)
Auch da hilft zur Wahrheitsfindung ein Blick ins Gesetz; dort werden entsprechende Bedingungen gestellt. Lassen Sie mich diese noch ausführen; dann können wir gerne darüber sprechen.
Die Unternehmen müssen folgende Nachweise erbringen: Erstens: die Verwendung der aufgenommenen Mittel. Zweitens. Die Aufnahme weiterer Kredite muss angezeigt werden. Drittens. Die Vergütung der Organe, des Vorstandes und des Aufsichtsrates, muss angezeigt werden. Viertens: die Ausschüttung von Dividenden. Fünftens: die Maßnahmen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Sechstens: branchenspezifische Restrukturierungsprogramme. – Das alles ist streng geregelt, wesentlich schärfer als in allen anderen europäischen Ländern.
Das haben wir mit einer großen Selbstverständlichkeit umgesetzt; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir deutsches Steuergeld verwenden, dann muss dieses auch in Hilfsprogramme für Deutschland und in Deutschland verwendet werden; das ist völlig klar. Wer hier versucht, Missbrauch zu betreiben, wird auch zur Rechenschaft gezogen.
Herr Kollege Brehm, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen De Masi?
Ich freue mich. Warten wir es ab.
Vielen Dank, Herr Kollege Brehm, dass Sie die Frage zulassen. – Durch Ihre Rede erkennt man Fortschritte in der Qualität der Debatte. – Sie haben mir empfohlen, noch mal nachzulesen; das habe ich natürlich getan. Ist Ihnen bekannt, dass es immer noch möglich ist, vor Beantragung von staatlichen Hilfen Dividenden auszuschütten und dann Staatsgelder abzugreifen, und dass die Regelung in Dänemark darauf abzielt, genau das zu unterbinden? Welche Maßnahmen möchten Sie in die Wege leiten, um zu verhindern, dass Geld aus den Unternehmen gezogen wird – was im Übrigen Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet – und man hinterher die Hand aufhält?
(Beifall bei der LINKEN)
Herzlichen Dank, auch für das Lob. – Ich empfehle Ihnen den vierten Punkt der KfW-Auflagen. Da steht: Es gilt für Ausschüttungen von Dividenden, die bereits von der Hauptversammlung beschlossen worden sind. – Es gilt also auch für diese Dividenden. Wenn natürlich im Januar, vor der Coronakrise, Dividenden ausgeschüttet wurden, kann man da nichts mehr machen, weil das ein ganz normaler wirtschaftlicher Vorgang ist. Aber jetzt sind die gesetzlichen Regelungen so klar, dass es in diesem Zeitraum keine Ausschüttung von Dividenden geben darf. Kurzarbeitergeld ist ja übrigens in diesem Sinne keine staatliche Hilfe, wie Sie immer sagen, sondern ein Beitrag der Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber.
(Christian Hirte [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Insofern muss man es anders betrachten als die KfW-Hilfsprogramme oder den Wirtschaftsstabilisierungsfonds.
Ich möchte fortfahren. In Ihrer Argumentation sagen Sie: Wenn ein Unternehmen, ein internationaler Konzern, in einem Niedrigsteuerland einen Sitz hat – Niedrigsteuerländer wären zum Beispiel auch die USA, die Niederlande und andere –, dann dürfe man keine Staatshilfen geben. Das ist aber doch gerade das Merkmal eines international tätigen Unternehmens, dass es eben Niederlassungen in verschiedenen Staaten der Welt hat. Also, das ist völlig in Ordnung. Klar ist natürlich, dass wir die Liste der EU mit den zwölf Steueroasen verwenden und keine Hilfen dorthin auszahlen.
Was Sie übrigens völlig außer Acht lassen, ist, dass es notwendig ist, dass wir die großen Konzerne in Deutschland ebenfalls unterstützen, weil es einen Zusammenhang, eine Zusammenarbeit, eine Abhängigkeit zwischen dem deutschen Mittelstand und den Konzernen gibt. Wenn wir das nicht machen, dann verlieren wir Arbeitsplätze in unserem Land. Ich sage Ihnen: Mit Ihrem Antrag vernichten Sie Arbeitsplätze in Deutschland. Sie sind dann dafür verantwortlich, dass Massenarbeitslosigkeit entsteht, weil wir aus purer linker Klassenkampfrhetorik heraus Konzerne wieder mal angreifen. Wir achten darauf, dass die gesetzlichen Regelungen eingehalten werden.
Ich will Ihnen noch einen zweiten Aspekt nennen. Lassen Sie mich noch kurz sagen, was wir darüber hinaus machen – das wissen Sie auch ganz genau –: Seit 2015 ist Deutschland Vorreiter im sogenannten BEPS-Prozess, also in einem Aktionsplan gegen Gewinnkürzungen und gegen Gewinnverlagerungen. Viele Punkte aus diesem 15-Punkte-Plan konnten bereits umgesetzt werden. Wir diskutieren in diesem Jahr zum Beispiel auch über die grenzüberschreitende Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle; das ist gerade im Gesetzgebungsverfahren. Wir konnten dafür sorgen, dass es eine Festlegung internationaler Verrechnungspreise, ein System der Hinzurechnungsbesteuerung gibt. Wir konnten umsetzen, dass es Einschränkungen gibt, Gewinne durch Lizenzeinkünfte zu verlagern. Wir haben internationale Zinsschranken eingeführt. Das alles sind Maßnahmen, um Steuerverlagerungen in Niedrigsteuerländer zu vermeiden.
Diesen Prozess müssen Sie einfach anerkennen. Es gibt die Möglichkeit, die Sie erwähnen, dass deutsche Konzerne wild Geld in die Welt versenden und es nicht versteuern, gar nicht mehr. Übrigens zahlen die deutschen Großunternehmen mehr Steuern in Deutschland, als sie müssten. Auch da mal ein herzliches Dankeschön!
(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist mir neu! Was meinen Sie damit?)
Auch das sind Einnahmen, die wir jetzt, in dem Prozess der Hilfe, wieder ausgeben können.
Ich glaube, Sie erzeugen hier bewusst eine Verunsicherung der Bürger. Was die Bürgerinnen und Bürger jetzt aber brauchen, ist Sicherheit – Sicherheit, dass die Arbeitsplätze in unserem Land erhalten bleiben, Sicherheit, dass wir weiterhin wirtschaftliche Stabilität und Wohlstand haben. Deswegen sage ich: Weniger politische Schaufenster und mehr politischer Schreibtisch. Sacharbeit ist, glaube ich, jetzt angesagt.
Ich sage Ihnen: Wir arbeiten jeden Tag hart und sehr konzentriert, damit wir den Weg aus dieser sehr schweren Krise – es wurde erwähnt: es ist die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte – schaffen und dann Wettbewerbsfähigkeit erreichen. Dazu gehört übrigens auch eine Modernisierung der Unternehmensbesteuerung. Ich habe vernommen, dass Sie unserem Konzept da verklausuliert zustimmen. Herzlichen Dank! Dann werden auch wir in den Prozess eintreten.
Ich glaube, es ist kein einfacher Weg. Deswegen lassen Sie uns gemeinsam die politischen Weichen stellen und uns darüber unterhalten, wie wir aus dieser Krise herauskommen, unser Land wettbewerbsfähig machen und die Arbeitsplätze erhalten.
Ich danke herzlich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Kollege Brehm. – Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7444302 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Staatshilfen für Konzerne in Steueroasen |