Albrecht GlaserAfD - Aktuelle Stunde - Verfassungsgerichtsurteil zu EZB-Anleihekäufen
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehrenwerte Bürger haben wirklich Verantwortung übernommen. Sie haben sich aus Fürsorge für unseren Staat die Mühe gemacht, mit Verfassungsbeschwerden die Demokratie in diesem Lande gegen die Kompetenzanmaßung der EU zu verteidigen.
(Beifall bei der AfD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Verwechseln Sie nicht die Unabhängigkeit der EZB mit der Überschreitung ihres gesetzlichen vertraglichen Mandats. Diese Unterscheidung ist die entscheidende, und das wird hier penetrant durcheinandergeworfen.
Nach fünf Jahren Verfahrensdauer und dem Einsatz von viel Geld und Zeit haben am 5. Mai diese Petenten eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erstritten, die jetzt für Aufregung sorgt. Noch ehe die Entscheidung ausgewertet und verstanden ist, hat eine Kollegin der Grünen aus diesem Hause Gerichtsschelte betrieben und zusätzlich den Präsidenten des Gerichtes unqualifiziert persönlich angegriffen.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Du meine Güte!)
Es geht im Kern um ein Staatsanleiheaufkaufprogramm des EZB-Systems mit einem bereits umgesetzten Volumen von rund 3 Billionen Euro, und es geht um die Absicht, weitere Schulden von Euro-Staaten zeitlich und betragsmäßig unbegrenzt in die Bilanzen des Notenbanksystems zu nehmen, mit vorhersehbar fatalen Folgen: Die Haftungsfrage ist völlig ungewiss; niemand kann sie beantworten. Jeder, der ein bisschen was davon versteht, weiß, dass sie gewaltig ist.
Das Gericht stellt fest, dass die Bundesregierung und der Bundestag die Beschwerdeführer in ihrem Recht aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 und 2 in Verbindung mit Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes verletzt haben. – Das ist keine Kleinigkeit.
Die Bundesregierung und der Bundestag hätten es unterlassen, dagegen vorzugehen, dass die EZB für die Durchführung des Ankaufprogramms keine angemessene Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen habe. Die Erwägungen des EuGH im Vorlageverfahren zur Verhältnismäßigkeit des Vorgehens der EZB seien nicht nachvollziehbar und stellten damit ebenfalls eine Kompetenzüberschreitung dar, in diesem Fall des EuGH. – Auch Gerichte können ihre Kompetenzen überschreiten.
(Beifall bei der AfD)
Da das Verfassungsgericht, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Wächterrolle habe, substantiierten Rügen, wie es dort heißt, bezüglich Kompetenzüberschreitungen von EU-Organen nachzugehen, müsse es in diesem Falle von der Sichtweise des EuGH abweichen.
Hüter der Verträge ist dieses Verfassungsgericht; es hat in dieser seiner Mission gehandelt. Dies war und ist dringend notwendig; denn der EuGH war noch nie der Hüter der Subsidiarität und des Prinzips der Einzelermächtigung. Er hat vor vielen Jahren schon ohne jegliche gesetzliche Grundlage in den EU-Verträgen judiziert, dass die Rechtsetzung der EU nationales Recht, insbesondere auch nationales Verfassungsrecht, grundsätzlich aushebelt. – Den Wert des Grundgesetzes, dessen Jubiläum wir neulich gefeiert haben, sollten Sie neu einschätzen, meine Damen und Herren; dieses Grundgesetz ist moribund.
Die Beschwerdeführer seien, so das Bundesverfassungsgericht, in ihren Rechten verletzt, weil das verfassungsrechtlich geschützte Demokratiegebot jeden Bürger dieses Landes davor bewahre, angemaßte Hoheitsrechte von EU-Organen hinnehmen zu müssen. Daher seien im Kern die Verfassungsbeschwerden begründet und alle Verfahrenskosten den Beschwerdeführern zu erstatten. Die Kommission erklärt – hoheits-, obrigkeitsstaatlich, ohne dass sie ein Staat ist –, dass EU-Recht nationales Recht breche. Man werde deshalb das Urteil genau prüfen. – Der Finger steht.
Diese machtpolitisch getriebene Sicht wird soeben auch von Jean-Claude Juncker geäußert. Wen wundert das? Bruno Le Maire und Giuseppe Conte sehen ihre fiskalischen Interessen als Hochschuldenländer gefährdet. Vor Kurzem haben sie eine französische Politikerin als EZB-Präsidentin installiert. Jetzt sehen sie die Neutralität durch das Bundesverfassungsgericht gefährdet, das nur die Einhaltung der EU-vertraglichen Kompetenzen der EZB anmahnt; etwas anderes tut das Verfassungsgericht gar nicht. – Machtpolitik versus Recht: Wir erleben gerade eine europäische Politik live.
Der Finanzminister und Euromane aller Couleur verbiegen das Urteil des Verfassungsgerichts, indem sie behaupten, es sei nunmehr von ihm anerkannt – das wurde gerade wieder ausgeführt –, dass die EZB prinzipiell das Recht habe, Staatsanleihen zu kaufen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht aus, die Handhabung der Kriterien, die der EuGH für einen Anleiheerwerb selbst aufgestellt habe, der nicht gegen das Verbot der Staatsfinanzierung verstoße, begegne erheblichen Bedenken – wörtlich zitiert –; prinzipiell sehe sich jedoch das Bundesverfassungsgericht in der Frage der Staatsanleihen an die Auffassung des EuGH gebunden, nicht, weil es selbst davon überzeugt sei.
Dies ist eine bedauerliche Unterwerfungserklärung des Bundesverfassungsgerichts, die einmal mehr beweist, –
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
– dass es in den EU-Verträgen kein wirksames Instrument gibt, eine systemimmanente stetige Kompetenzerweiterung in diesem Staatenbund zu verhindern, meine Damen und Herren, und das ist das eigentliche Problem. Deshalb werden sich die Probleme, die wir vor uns haben, weiter schürzen, und die EU wird weiter in schweres Wasser geraten.
Herr Kollege!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege Christian Petry.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7444496 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Verfassungsgerichtsurteil zu EZB-Anleihekäufen |