07.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 158 / Tagesordnungspunkt 20

Johann WadephulCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED IRINI

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Nolte, es ist bezeichnend, dass Sie den Einsatz zahlreicher Marinen der Europäischen Union, die Menschenleben gerettet haben, hier schlicht als „kontraproduktives Konzept“ bezeichnen.

Es ist natürlich richtig, dass wir Schleuserkriminalität keinen Vorschub leisten, aber auch, dass wir eine humanitäre Verpflichtung haben, Menschenleben im Mittelmeer zu retten. Das eint eigentlich alle Fraktionen des Deutschen Bundestages – mit Ausnahme Ihrer Fraktion. Ich finde, das sollten wir auch in dieser Debatte noch einmal feststellen: Es ist schlicht ein inhumaner Ansatz, den Sie an dieser Stelle verfolgen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Libyen ist ein lodernder Konflikt. Die Situation ist politisch und militärisch verfahren. Die humanitäre Situation verschlechtert sich stetig. Die Bundesregierung hat mit der Libyen-Konferenz versucht – unter besonderem Engagement der Bundeskanzlerin –, alle Akteure an einen Tisch zu bekommen, und zwar nicht nur diejenigen, die innerhalb Libyens Krieg führen, sondern auch diejenigen, die durch Waffenproliferation einen Beitrag dazu leisten, dass sie Krieg führen können.

Die Bilanz ist verhalten. Es wird weiter gekämpft, es kommen nach wie vor Waffen ins Land; aber der positive Impuls, den Deutschland gesetzt hat – die Vereinten Nationen haben das unterstützt –, war richtig. Er hat sich noch nicht durchgesetzt. Aus unserer Sicht ist es in dieser Situation nur richtig, am Ball zu bleiben und dafür zu sorgen, dass er zum Erfolg werden kann. Dafür braucht man einen langen Atem. Es geht jetzt nicht darum, resignierend abzuwinken; vielmehr geht es darum, darauf zu setzen, dass wir diesen Konflikt mit Ausdauer, mit Konsequenz mittel- und langfristig entschärfen. Deswegen ist dieser Einsatz richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Waffenembargo ist natürlich der Dreh- und Angelpunkt aller Versuche, die Lage in Libyen zu deeskalieren. Deutschland will als Initiator des Berliner Prozesses bei der Umsetzung des Embargos eine zentrale Rolle spielen. Jetzt geht es in einem ersten Schritt – er ist nicht ausreichend – zunächst einmal darum, dass wir ein Lagebild des Waffenschmuggels erstellen. Deswegen werden wir zunächst einen Seefernaufklärer einsetzen, später wahrscheinlich auch ein Schiff. Das ist ein erster notwendiger Schritt, um Transparenz zu erzeugen und offenzulegen: Wer liefert hier Waffen?

Das Zweite ist: Was in Libyen geschieht, hat unmittelbaren Einfluss bis hinunter in den Sahel. Dort sind unsere Soldatinnen und Soldaten in dem von den Vereinten Nationen geleiteten Einsatz MINUSMA und in der Europäischen Trainingsmission Mali eingesetzt und sorgen für Sicherheit und Stabilität in jener Region.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir können in Zentralafrika, in der Sahelzone so viele Anstrengungen unternehmen, wie wir wollen: Wenn wir den Unruheherd Libyen nicht befrieden, werden wir die Situation nicht in den Griff bekommen. Dann wird sich genau dieses Flüchtlingsdrama, über das wir hier reden, fortsetzen. Es ist ein ehrenwertes und unterstützenswertes Interesse des Berliner Prozesses – der von den Vereinten Nationen unterstützt wird –, dass wir hier für eine Eindämmung sorgen. Niemand behauptet, er habe den Schlüssel in der Hand und könne dafür sorgen, dass das morgen beendet ist. Aber es ist des Einsatzes und des Schweißes aller Edlen wirklich wert – dafür setzen wir auch unsere Soldatinnen und Soldaten in diesem Einsatz ein –, dass wir hier langsam, Schritt für Schritt vorankommen.

Herr Kollege Dr. Wadephul, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nolte?

Nein, ich möchte gerne fortfahren, Herr Präsident.

Ich möchte abschließend noch zwei Anmerkungen machen. Wir wissen, dass viele externe Kräfte in Libyen den Kriegsschauplatz dominieren, beherrschen, sich einmischen. Russland versucht, sich aufzustellen, entsendet Söldner in die Region. Die Türkei greift bedauerlicherweise – das sollten wir an keiner Stelle verschweigen – sogar aktiv, auch mit Waffeneinsatz, in die Kämpfe vor Ort ein. General Haftar, der vorhin genannt wurde, fährt jetzt gerade keine Offensive, Herr Nolte, sondern wird eher zurückgedrängt, aber er erfährt bedauerlicherweise auch aus dem arabischen Raum breite Unterstützung vieler Staaten. Allen diesen Akteuren muss klar sein – ich nenne an dieser Stelle ausdrücklich auch die Türkei; das soll nicht verschwiegen werden; wir sprechen hier vollkommen offen –: Ihr derzeitiges Verhalten treibt Libyen in den Abgrund. Das muss Deutschland seinen Bündnispartnern, aber auch allen anderen Akteuren vor Ort deutlich machen. Die internationale Gemeinschaft muss es als eine gemeinsame Chance begreifen, alle aufzufordern, ihre Waffenlieferungen zu stoppen

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann fangen Sie mal an!)

und sich gemeinsam verantwortlich für Stabilität und Sicherheit in diesem geschundenen Land zu fühlen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben in Libyen einen gemeinsamen Feind; das ist nach wie vor der IS. Er ist dort nach wie vor aktiv, und er wird jedes Machtvakuum nutzen, um Tod und Schrecken auch in diesem Land und darüber hinaus weiter zu verbreiten.

Deswegen ist der Versuch, das Waffenembargo durchzusetzen, wichtig. Deswegen ist der Einsatz der Bundeswehr an dieser Stelle sinnvoll, und ich bitte Sie herzlich um Unterstützung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wadephul. – Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, hat die AfD-Fraktion, der Kollege Nolte, um eine Kurzintervention gebeten, die ich zulasse.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7444515
Wahlperiode 19
Sitzung 158
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED IRINI
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