Helge LindhSPD - Demokratie, Bürgerrechte und Zivilgesellschaft
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir scheint, dass, wenn es nach der AfD geht, schon der Mund-Nase-Schutz unter islamistisches Verhüllungsgebaren fällt. Insofern ist Ihr Beitrag nicht wirklich ernst zu nehmen,
(Dr. Roland Hartwig [AfD]: Was für ein Unsinn!)
auch wenn die Lage tatsächlich ernst ist.
(Beifall bei der SPD)
Aber abgesehen davon: Der grüne Antrag will sehr viel; dennoch, glaube ich, ist er immer noch zu sehr im Verteidigungsgefecht und zu wenig im Angriffsgefecht für die Demokratie.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)
Warum?
(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil er die Demokratie nicht angreift!)
„Jenseits von Gut und Böse“, Nietzsche – ich zitiere hoffentlich richtig –:
Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das glaube ich!)
Das trifft manchmal gewiss zu, und wir müssen darauf achten. Diese Gefahr besteht real in Form der Maßnahme im Zuge der Coronaepidemie, aber sie besteht erst recht in Hinsicht auf die Gefährdung der Demokratie weit jenseits der Coronaepidemie. Diese Gefahren sind ganz klar und präzise zu benennen; sie lauten zum Beispiel: Hanau, Halle und Kassel. Sie kommen dadurch zum Ausdruck, dass bis zum heutigen Tage inmitten der Demokratie, im Namen der Demokratie, mit Mitteln der Demokratie von Populisten und Extremisten versucht wird, diese Demokratie abzuschaffen.
(Karsten Hilse [AfD]: Das macht ihr schon!)
Deshalb rate ich auch dazu, dass wir weniger von Demokratie und mehr von Republik sprechen, nämlich von diesem Gesamtkunstwerk aus Volkssouveränität, aber eben auch Gemeinwohl, Gewaltenteilung und Rechtsstaat. Wenn das so ist, dann ist selbstverständlich der Satz: „Es darf keine Diskussion geben“, ein Unsatz; die muss es geben. Aber dann darf es in diesen Diskussionen auch Empörung über Lockerungsorgien geben, und dann darf es auch erlaubt sein – ich blicke einerseits nach Bayern und Hamburg und andererseits nach Nordrhein-Westfalen –, dass Klarheit und Konsequenz nicht Ausdruck eines Mangels von Demokratie ist, aber Wankelmütigkeit und Zaudern nicht automatisch Ausdruck der Steigerung von Demokratie.
(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben Sie den Faden völlig verloren!)
Wenn das aber so ist, halte ich es für notwendig, dass wir uns fokussieren und fragen, auf wessen Demokratie wir uns richten wollen. Ich finde, dann ist es ist in der Tat notwendig, einmal einen blinden Fleck zu löschen, nämlich dass es doch auch um die Freiheit und Demokratie derjenigen gehen muss, die womöglich in Altenheimen, Senioreneinrichtungen und Behinderteneinrichtungen durch Versagen oder unglückliche Umstände sterben. Ich erinnere an die Risikogruppen, über die man nicht spricht, die einen Anspruch auf Schutz haben, aber eben auch auf Demokratie und Teilhabe und Freiheit, und an die sowieso schon bekannten Risikogruppen der Demokratie, die durch Armut, fehlende Teilhabe, Wohngebiete, in denen sie leben, ausgeschlossen sind.
(Dr. Roland Hartwig [AfD]: Wirres Zeug!)
Das sind doch diejenigen, an die sich unsere Maßnahmen zur Steigerung von Demokratie aus meiner Sicht richten müssen.
Dann macht mehr Parlamentarismus Sinn. Dann macht es aus meiner Sicht auch Sinn, Bürgerräte zu bilden, und gerne – ich bin dafür offen – auch Volksentscheide kombiniert mit Bürgerräten, aber nicht als Ausdruck von mehr Freiheit für sehr wenige, sondern als Ausdruck von mehr Freiheit gerade für diese Gruppen und mehr Freiheit für die vielen. Dann, aber auch nur dann wird die Coronakrise womöglich auch zu einem Inkubator eines demokratisch-republikanischen Bewusstseins, das wir in diesen Zeiten mehr denn je brauchen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD – Dr. Roland Hartwig [AfD]: Wirres Zeug! – Karsten Hilse [AfD]: Frei gesprochen, aber eben wirr gesprochen!)
Das Wort hat der Kollege Stephan Thomae für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7444766 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 158 |
Tagesordnungspunkt | Demokratie, Bürgerrechte und Zivilgesellschaft |