13.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 159 / Zusatzpunkt 1

René SpringerAfD - Aktuelle Stunde - Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einigen Schlachtbetrieben in Niedersachsen sind bis zu 50 Prozent der Mitarbeiter erkrankt, aber nicht an Covid‑19, sondern an Tuberkulose, und auch nicht in den letzten Wochen, sondern schon 2018. Das Problem gesundheitsgefährdender Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie ist also kein neues Problem, und der Bundesregierung ist es seit Jahren bekannt. Bei allem Respekt, Herr Minister Heil, da hilft dann hier vorne auch kein betroffenes Gesicht mehr aus der Patsche.

(Beifall bei der AfD)

In den vergangenen Jahren haben sich sogar unsere Nachbarländer Belgien, Frankreich und Dänemark kritisch zu unseren, in Deutschland vorherrschenden Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Schlachtbranche geäußert. Das sagt nicht irgendwer; das sagt das Bundesarbeitsministerium in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage aus dem Jahr 2017. Der aktuelle Coronaausbruch in Betrieben der fleischverarbeitenden Industrie ist daher nur die Folge eines permanenten Versagens dieser Bundesregierung.

(Beifall bei der AfD)

Seit Jahren werden Arbeitskräfte besonders aus dem EU-Ausland in deutschen Schlachtbetrieben ausgebeutet. Sie müssen unter teilweise menschenunwürdigen und gesundheitsgefährdenden Umständen leben und arbeiten. Das ist – so hat es ein Pastor kürzlich bei einer Demo in Coesfeld zum Ausdruck gebracht – nichts anderes als moderne Sklaverei.

(Beifall bei der AfD)

Abertausende Solo-Selbstständige – vorwiegend aus Osteuropa – werden mit fragwürdigen Werkverträgen zu Billiglöhnen beschäftigt. Damit werden dem Staat nicht nur Millionen an Sozialabgaben entzogen, sondern auch Arbeitskräfte aus dem In- und Ausland entlang der Lohngrenze gegeneinander ausgespielt. Arbeitnehmer in der Fleischindustrie verdienen heute rund 36 Prozent weniger als in der Gesamtwirtschaft. Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein Drittel weniger in der Tasche.

Woher kommen die niedrigen Löhne? Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Zahl der deutschen Arbeitskräfte in der Fleischverarbeitung in den letzten zehn Jahren um 20 Prozent gesunken, während die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte um über 270 Prozent gestiegen ist. Für diese zumeist osteuropäischen Arbeitskräfte rechnet sich ein ausbeuterisches Arbeitsverhältnis leider häufig, nicht nur weil sie Miete sparen, indem sie sich in Sammelunterkünften einpferchen lassen, sondern auch weil sie in Deutschland Anspruch auf Kindergeld haben

(Ulli Nissen [SPD]: Das musste ja wieder kommen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unterirdisch!)

und aufstockende Leistungen, Hartz IV. In der Summe ergibt es ein Einkommen, das weit über dem liegt, das die Menschen in ihrem Heimatland zur Verfügung hätten. Durch die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union und das konsequente Wegschauen der Bundesregierung wird diese Form der Selbstausbeutung überhaupt erst ermöglicht und werden die Löhne noch weiter gedrückt. Und der Steuerzahler – und das ist die Idiotie an der ganzen Sache – subventioniert diese neue Form der Sklaverei auch noch mit Sozialleistungen.

(Beifall bei der AfD)

Das muss dieses soziale Europa sein, von dem Sie immer reden, auch Sie, Herr Heil. Sie reden von einem sozialen Europa, meinen aber die Auflösung nationalstaatlicher Souveränität in einem EU-Superstaat auf dem Rücken der Beschäftigten. Dafür dulden Sie, Herr Minister, dafür duldet die Bundesregierung, auch der überwiegende Teil hier im Parlament, alles, was billig ist, nicht nur in der Fleischindustrie. Schon seit Jahren sehen wir die gleiche Praxis mieser Arbeitsbedingungen und mieser Löhne in der Landwirtschaft, im Sicherheitsgewerbe, im Baugewerbe und auch in der Paketbranche. Wir alle erinnern uns noch gut an die Debatte, die wir zu Weihnachten dazu geführt haben.

Dabei liegen die Lösungen, die im Interesse aller sind, doch auf der Hand. Zunächst mal darf es keine Billigimporte, kein Billigfleisch aus dem Ausland geben.

(Beifall bei der AfD)

Wir müssen über die sinnvolle Gestaltung der Globalisierung durch Begrenzung der EU-Freizügigkeit nachdenken. Wir müssen die Landwirtschaft regionalisieren, und wir brauchen stärkere und engmaschigere Kontrollen der Betriebe durch staatliche Behörden nicht nur auf Bundesebene, sondern auch dort, wo die Verantwortlichkeiten liegen, bei Ländern und Kommunen.

Wenn 80 Prozent der Beschäftigten in der Fleischindustrie einen Werkvertrag haben, also selbstständig sind, dann muss man sich fragen, ob dieses Instrument in dieser Branche nicht verboten gehört.

Machen wir uns nichts vor: Schlussendlich wird es faire Arbeitsbedingungen und faire Löhne auch nur dann geben, wenn die Produkte einen gerechten Preis haben. Das ist eine Sache, bei der sich jeder an seine eigene Nase packen muss.

Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen lassen sich verhindern, nicht mit Worten, sondern mit Taten. Herr Heil, oft wurden Taten angekündigt, diesmal wieder. Räumen Sie endlich auf!

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin in dieser Debatte ist für die Fraktion der SPD die Kollegin Katja Mast.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7445333
Wahlperiode 19
Sitzung 159
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie
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