14.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 160 / Tagesordnungspunkt 8

Harald WeinbergDIE LINKE - Pandemieschutz und -hilfe

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Ja, vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns zweifelsfrei in einer neuen Etappe der Pandemie. Da gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Es ist mit Sicherheit noch nicht vorbei. Es gibt auch keinen Grund, irgendwie einen Lockerungswettbewerb zu machen.

Aber es gibt Gründe für eine Veränderung der Zuständigkeiten und der Grundlagen. Das gilt für die föderale Verfasstheit unseres Landes und damit die eingeleitete stärkere Verantwortung der Zuständigkeit der Länder, Landkreise und Kommunen für die Eindämmung und Kontrolle der Pandemie. Das gilt aber auch bei der Wiederherstellung der Gewaltenteilung zwischen Regierung, Gesetzgebung und Rechtsprechung.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

In der ersten Phase der epidemischen Lage von nationaler Tragweite war es richtig und wichtig, besonders schnell und entschlossen zu reagieren. Dazu sieht unser Grundgesetz in Artikel 80 die Möglichkeit vor, dass der Gesetzgeber die Regierung ermächtigt, Maßnahmen per Rechtsverordnung zu treffen, die notwendig sind oder notwendig erscheinen, um eine Pandemie einzudämmen. Dazu muss das ermächtigende Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen.

Das war beim ersten Bevölkerungsschutzgesetz bereits schwierig. Die Einschränkung der Grundrechte hat ja beispielsweise bei der Frage der Demonstrationsfreiheit bei dem einen oder anderen Gericht durchaus dafür gesorgt, dass die Demonstrationsfreiheit dann doch durchgesetzt werden konnte. Es ist aber bei dem zweiten Gesetz nicht nachvollziehbar, warum es dem Bundesgesundheitsminister erneut eine weithin unbestimmte Verordnungsermächtigung geben soll, die in ihrer Reichweite und in der Relativierung parlamentarischer Kontrolle problematisch ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dabei sollen offenbar auch Sachverhalte per Verordnung geregelt werden, die keinen unmittelbaren Zusammenhang zur aktuellen Pandemie aufweisen. Das halten wir ebenfalls für äußerst problematisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man die einzelnen Regelungssachverhalte bilanziert, ergeben sich sicher auch einige positive Punkte. Am Ende überwiegen jedoch die negativen Aspekte und einige ungedeckte Schecks. Meine Redezeit ist zu kurz, um alle Punkte durchzugehen. Ich will nur einige wesentliche nennen.

Das Erste ist die Coronaprämie für Pflegekräfte: eigentlich eine gute Sache. Aber es stellt sich natürlich sofort die Frage, warum diese Prämie nicht auf alle Beschäftigten ausgeweitet wird, die mit Covid-19-Patienten in der Altenpflege und im Krankenhaus zu tun haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Die Ausweitung der Tests ist eigentlich eine vernünftige Sache, weil es darum geht, auch regional ein Frühwarnsystem etabliert zu haben, um reagieren zu können. Dass das allerdings von den Kosten her zulasten der Versichertengemeinschaft geht, ist aus unserer Sicht inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Aussage in der Gesetzesbegründung, dass es dann in Verhandlungen zwischen Bundesgesundheitsministerium und Bundesfinanzministerium zu einem Ausgleich im Herbst kommen soll – das ist ja dann eine Frage der Haushaltspolitik –: Na ja, ich höre die Kunde, aber mir fehlt an dieser Stelle, ehrlich gesagt, der Glaube.

Das Dritte ist das Thema Krankenhausfinanzierung. Der Vorschlag, den es am Anfang von Deutscher Krankenhausgesellschaft und AOK-Bundesverband gab, die DRG-Finanzierung auszusetzen, ist ja vom Minister verworfen worden. Da ist ganz offensichtlich die DRG-Finanzierung systemrelevanter gewesen als die Krankenhäuser selber.

Die eingeführte Pauschale von 560 Euro pro bereitgestelltem Intensivbett erweist sich als zu grob. Es soll jetzt eine Differenzierung kommen. Dazu ist ein Beirat gegründet worden. Ich bin mal gespannt, was dann dabei herauskommt; ich bin aber nicht sehr zuversichtlich. Am Ende entscheidet ohnehin wieder das Bundesgesundheitsministerium auf der Grundlage einer weitreichenden Verordnungsermächtigung.

Herr Kollege.

Ich komme jetzt zum Schluss.

Bitte.

Das Problem falscher Anreize in der Krankenhausfinanzierung löst sich nicht dadurch, dass man den Fallpauschalen jetzt noch eine Bettenpauschale an die Seite stellt. Wir brauchen Krankenhäuser in öffentlicher Hand, gemeinwohlorientiert finanziert.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege, jetzt müssen Sie Ihre Rede wirklich beenden.

Aus den genannten Gründen werden wir dem Gesetz nicht zustimmen; wir werden ablehnen.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt erteile ich das Wort dem Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Martina Stamm-Fibich [SPD])

Personen

Dokumente
Beschlussempfehlung und Bericht
Drucksache 19/19216
a) zu dem Gesetzentwurf der CDU/CSU und SPD - Drucksache 19/18967 - Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite b) zu dem Antrag der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Dr. Robby Schlund, Jörg Schneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion AfD - Drucksache 19/17128 - Bekämpfung der Seuchenausbreitung in Deutschland c) zu dem Antrag der Abgeordneten Joana Cotar, Uwe Schulz, Dr. Michael Espendiller, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/18716 - Corona digital bekämpfen - Förderprogramme im Bereich digitaler Gesundheit und digitaler Pflege beschleunigen und ausbauen d) zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Sichert, Jürgen Pohl, Jörg Schneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/18717 - Häusliche Pflege stärken e) zu dem Antrag der Abgeordneten Joana Cotar, Uwe Schulz, Dr. Michael Espendiller, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/18721 - Corona digital bekämpfen - Deutsches Elektronisches Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) zur Dokumentation und Überwachung von Infektionskrankheiten unverzüglich fertigstellen f) zu dem Antrag der Abgeordneten Joana Cotar, Uwe Schulz, Dr. Michael Espendiller, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/18723 - Corona digital bekämpfen: Innovationspotentiale zur Vermeidung von Ansteckung und Unterstützung der Genesung konsequent ausschöpfen g) zu dem Antrag der Abgeordneten Jens Maier, Thomas Seitz, Roman Johannes Reusch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/18724 - Verfügbarkeit von medizinischen Produkten über gewerbliche Wettbewerbsrechte stellen h) zu dem Antrag der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Dr. Robby Schlund, Jörg Schneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/18975 - Deutschland auf zukünftige Pandemien besser vorbereiten - Effektivität der Coronavirus-Maßnahmen wissenschaftlich auswerten i) zu dem Antrag der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Paul Viktor Podolay, Dr. Robby Schlund, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 19/18999 - Verordnungsermächtigung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) einschränken - Feststellung der epidemiologischen Lage von nationaler Tragweite aufheben j) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Westig, Michael Theurer, Nicole Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 19/18676 - Soforthilfe für pflegende Angehörige während der COVID-19-Pandemie k) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Andrew Ullmann, Till Mansmann, Ulrich Lechte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 19/18950 - Vom Reagieren zum Agieren - Pandemievorbereitung schon jetzt beginnen l) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 19/18952 - Eine verlässliche Datenlage zur Ausbreitung von COVID-19 in Deutschland schaffen m) zu dem Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann, Susanne Ferschl, Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 19/18749 - Häusliche Pflege und pflegende Angehörige unterstützen n) zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Maria KleinSchmeink, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 19/18940 - Wertschätzung für Pflege- und Gesundheitsberufe ausdrücken - Corona-Prämie gerecht ausgestalten o) zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 19/18956 - Die ambulante medizinisch-therapeutische Versorgung von besonders vulnerablen Gruppen sichern - Die Leistungserbringer unter den Schutzschirm nehmen
von: Ausschuss für Gesundheit

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7445928
Wahlperiode 19
Sitzung 160
Tagesordnungspunkt Pandemieschutz und -hilfe
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