Peter WeißCDU/CSU - Soziale Maßnahmen in der COVID-19-Pandemie
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Die Coronakrise fordert uns alle über die Maßen, und sie fordert vor allen Dingen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die auch mit vielen Sorgen ihrem derzeitigen Alltag entgegensehen. Darauf geben wir heute Morgen als Parlament eine Antwort.
Mit dem gerade beratenen zweiten Pandemieschutzgesetz und dem jetzt zu Diskussion und Abstimmung stehenden Sozialschutz-Paket II machen wir klar: Wir errichten in dieser Krise für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger einen sozialen Schutzschirm, so stark, wie es noch nie einen in Deutschland gab. Das ist eine tolle Leistung unseres Landes, unserer Sozialversicherungen und der Solidarität der Bürgerinnen und Bürger untereinander. Darum geht es.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wer in diesem Zusammenhang über soziale Marktwirtschaft sprechen will, der sollte auch etwas vom Thema Soziales in der sozialen Marktwirtschaft verstehen; denn das machen wir heute.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir erhöhen das Kurzarbeitergeld, ein bewährtes und gutes Krisenbekämpfungsinstrument, das wir kennen. Wir verlängern das Arbeitslosengeld I, weil wir zurzeit auch keine Vermittlungen in großem Umfang vornehmen können.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sehr gut!)
Wir haben schon den Zugang zum Arbeitslosengeld II vereinfacht. Wir vereinfachen und ermöglichen denen, die Kurzarbeit haben, dass sie in den Bereichen hinzuverdienen können, in denen ihre Arbeitskraft dringend benötigt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können das deswegen machen, weil wir in den letzten zehn Jahren in unserem Land gut gewirtschaftet haben, weil wir bei der Bundesagentur für Arbeit eine Rücklage von 26 Milliarden Euro aufgebaut haben, die wir jetzt zur Krisenbekämpfung einsetzen.
(Zuruf von der AfD: Die könnte Mitte August schon weg sein!)
Ich will aber auch gerne sagen: Die derzeitigen Perspektiven sind so, dass wir diese Rücklage wahrscheinlich gegen Ende des Jahres aufgebraucht haben werden und nach den derzeitigen Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit bei einem zusätzlichen Mittelbedarf von rund 5 Milliarden Euro landen werden. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Geld, das wir in die Kurzarbeit geben, ist gut investiertes Geld; denn die Kurzarbeit ist die Basis dafür, dass man mit seiner Stammbelegschaft anschließend wieder schnell aus der Krise herauskommen kann. Das ist unsere Zuversicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ein Zweites ist: Für alle Menschen, die der Hilfe, der Unterstützung, der Beratung und der Begleitung bedürfen, ist es wichtig, dass wir die ausgefächerte soziale Infrastruktur in unserem Land erhalten. Deswegen haben wir etwas vollkommen Neues erfunden, was es bisher nicht gab, nämlich das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz. Wir verbessern mit dem Sozialschutz-Paket II noch einmal dieses neue Gesetz, damit möglichst alle Dienste und Einrichtungen, die wir auch in Zukunft brauchen, zum Beispiel für Menschen mit Behinderungen, für Langzeitarbeitslose, für die Beratung von jungen Leuten, Familien sowie Seniorinnen und Senioren, für Weiterbildung und Fortbildung, jetzt in der Krise nicht in die Knie gehen, sondern wir sie erhalten und sie auch in Zukunft leistungsfähig sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt verschiedene Anträge der Opposition. Wenn ich sie durchlese, habe ich den Eindruck: Es ist irgendwie ein Rückschritt ins Mittelalter: Geldverteilen als Hilfe in der Krise. Ja, Almosen verteilen, das war Sozialpolitik des Mittelalters, sofern man das „Sozialpolitik“ nennen kann. Eine moderne Sozialpolitik ist zuerst einmal, soziale Infrastruktur zu schaffen, zu erhalten, zu bewahren und auszubauen. Mit unserem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz machen wir eines: Wir stärken und unterstützen die soziale Infrastruktur in unserem Land; moderne Sozialpolitik für die Zukunft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Kollege Weiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen?
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Aus dem Mittelalter!)
Gerne.
Herr Kollege Weiß, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben eben die Anträge der Opposition kritisiert. Da gibt es unter anderem zwei, drei Anträge von uns, von Bündnis 90/Die Grünen. Wir machen in diesen Anträgen halt Lücken deutlich, die es in dem Sozialschutz-Paket gibt. Beim Kurzarbeitergeld ist es so, dass Ihre Regelung bei denen, die es am meisten nötig haben, bei denen mit geringem Einkommen, gar nicht ausreicht. Da reichen auch 70 oder 80 Prozent nicht aus. In mittleren Einkommen kommt die Unterstützung zu spät. Die haben trotzdem ein Kurzarbeitergeld, das unter dem Existenzminimum liegt. Da setzt unser Antrag an, wo wir vorschlagen, zielgenau untere und mittlere Einkommen zu unterstützen und nicht flächendeckend überall auf 70 oder 80 Prozent zu erhöhen. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt, auf den wir aufmerksam machen: Eine Gruppe, die besonders vulnerabel ist, sind die Obdachlosen. Auch da muss die Bundesregierung endlich einmal Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass die Obdachlosen in diesem Land besser geschützt sind.
Es ist jetzt also nicht so, dass wir sagen: „Der Weltuntergang findet statt; wir wollen nur mehr, mehr, mehr“, sondern wir machen gezielt darauf aufmerksam, wo man punktgenau etwas besser machen kann. Das ist der Sinn unserer Anträge.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Ist das eine Frage? – Gegenruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann auch eine Bemerkung machen!)
Verehrter Herr Kollege Strengmann-Kuhn, ja, in der Tat sind Menschen, die gar keinen Anspruch auf Leistungen aus der Sozialversicherung haben und die deswegen überhaupt kein Kurzarbeitergeld bekommen können, zum Beispiel die Selbstständigen, oder Menschen, die schon bisher ein sehr geringes Einkommen hatten, bei einem Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 Prozent eventuell in einer Situation, in der sie auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen sind.
Genau deswegen haben wir etwas Außergewöhnliches gemacht: Wir haben den Zugang zum Arbeitslosengeld II in der Form erleichtert, dass weder nach der Wohnsituation noch nach eventuell vorhandenem Vermögen gefragt wird. Das ist eine große Veränderung jetzt in der Krisenzeit, um Menschen, die darauf angewiesen sind, einen schnellen und einfachen Zugang zum Arbeitslosengeld II zu gewähren. Ich finde, das ist eine großartige Leistung unseres Sozialstaates, und ich wundere mich, dass Sie die so infrage stellen, indem Sie thematisieren, was Sie jetzt gerade thematisieren. Unsere Antwort ist ein einfacherer und schnellerer Zugang zu Arbeitslosengeld II.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Karlheinz Busen [FDP] – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat mit der Frage nichts zu tun!)
Weil Sie Obdachlose als eine besonders betroffene Gruppe ansprechen: Mit der Änderung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes schaffen wir ja gerade eine Regelung, damit all die Einrichtungen, die Obdachlosen – oder Wohnungslosen, wie man heute sagt – mit ihren Angeboten helfen und unterstützen, nicht zusammenbrechen, sondern ihre Angebote für die Zukunft aufrechterhalten können. Das ist doch das Wichtigste. Wir erhalten die soziale Infrastruktur mit den Leistungen, die wir ins Gesetz schreiben, und wir machen das sehr intelligent, wie ich finde, nämlich indem wir sagen: Zuallererst sollen diese Einrichtungen und Dienste schauen: Was können wir mit unseren Leuten, mit unseren Kapazitäten, mit unseren Kompetenzen zur Bekämpfung der Coronakrise beitragen? – Wir aktivieren also zunächst diese Einrichtungen, und erst als Zweites können sie Leistungen nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz in Anspruch nehmen.
Wir machen noch etwas Zusätzliches: Beide Koalitionsfraktionen haben die Bundesregierung aufgefordert, gerade auch für die gemeinnützigen Träger von Diensten und Einrichtungen die Möglichkeit zu schaffen, staatsverbürgte Kredite in Anspruch zu nehmen. Ich möchte mich bei den beteiligten Bundesministerien herzlich bedanken, dass sie sehr konstruktiv an diesem Thema arbeiten und wir vielleicht schon nächste Woche ein gutes Ergebnis dazu bekommen werden. Vielen Dank an die beteiligten Bundesministerien!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Weil ich gerade über Gruppen spreche, die es besonders nötig haben: Mit der Änderung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes sichern wir auch die Frühförderung von Kindern mit Behinderungen zusätzlich ab. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz in seiner Wirkung ausweiten. Oder – ein anderes Beispiel –: Wir ermöglichen den Einrichtungen, über einen erweiterten Datenaustausch Hilfe besser zu gewähren. Auch das ist ein wichtiger Punkt, den wir in diesem Gesetz neu regeln.
Herr Kollege Weiß, bedenken Sie, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.
Ich wollte gerade zu meinem fulminanten Schlusssatz ansetzen, Herr Präsident.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Das haben wir befürchtet!)
Dann tun Sie es – wenn es ein Satz ist.
(Ulli Nissen [SPD]: Jetzt sind wir aber gespannt! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber fulminant! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: So viel Fulminanz!)
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das Sozialschutz-Paket II ist etwas, dem Sie zustimmen sollten. Denn es bedeutet konkret: Wir lassen die Menschen in der Coronakrise nicht allein. Wir schaffen Sicherheit und Solidarität. Das ist unser Auftrag.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Schöner Schlusssatz! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Schöner Schluss! – Jan Korte [DIE LINKE]: War nicht schlecht, aber doch nicht überzeugend!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich geht jetzt die Zeit für die namentliche Abstimmung zu Ende. Aber da ich informiert worden bin, dass es doch noch eine Reihe von Kollegen gibt, die auf dem Weg zu den Urnen sind, schlage ich vor bzw. entscheide ich, dass wir die Zeit für die namentliche Abstimmung um zehn Minuten verlängern, sodass noch bis 10.25 Uhr Stimmkarten eingeworfen werden können.
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Johannes Vogel, FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7445939 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Soziale Maßnahmen in der COVID-19-Pandemie |