Volker UllrichCDU/CSU - Europäische Grundwerteinitiative
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Europatag, den wir vor Kurzem begangen haben, verweist auf zwei historische Ereignisse: auf den 9. Mai 1950 mit der Schuman-Erklärung, der Initialzündung für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Aber er verweist auch auf den 5. Mai 1950 und damit auf die Proklamierung der Europäischen Menschenrechtskonvention und auf die Gründung des Europarats.
(Beifall bei der LINKEN)
Insofern muss man sagen, dass beide Ereignisse zu den Gründungspfeilern Europas gehören: zum einen die wirtschaftliche Integration, die Überwindung von Handels- und Zollhemmnissen, zum anderen aber von Anfang an, jedoch in einer anderen Organisation, die Geltung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Das lehrt uns heute, dass Europa nur mit diesen beiden Pfeilern gesehen werden kann.
Das bedeutet auch, dass für die Europäische Union, die im Bereich der wirtschaftlichen Integration mittlerweile natürlich eine wesentlich höhere Bedeutung und mehr Integrationstiefe hat, die Frage der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Menschenrechte eine ganz zentrale Rolle spielen muss. Deswegen ist es richtig, dass wir auf diese Umstände in den Europäischen Verträgen besonders hinweisen, die eine europäische Grundrechtsinitiative einfordern, verbunden mit der Aussage: Eine Europäische Union kann und darf ohne Rechtsstaatlichkeit nicht existieren.
(Beifall des Abg. Metin Hakverdi [SPD])
Das bedeutet, dass wir alle Initiativen stärken müssen, dass wir die Rechtsstaatlichkeit nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten stärken und unterstreichen müssen. Eine Europäische Union, die auf europäischer Ebene Rechtsstaatlichkeit einfordert, aber nicht gewillt ist, sie auch auf mitgliedstaatlicher Ebene einzufordern, versagt bei diesem wichtigen Punkt. Deswegen sind Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene untrennbar miteinander verbunden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Da haben wir Sorgenfalten: In einigen europäischen Staaten sind autoritäre Tendenzen auf dem Vormarsch – nicht mit einem großen Knall oder mit lauter Musik, sondern schleichend: durch eine Änderung des Justizsystems, durch Änderungen beim Wahlrecht, durch Änderungen der Medienverfassung auf nationalstaatlicher Ebene. Da müssen wir deutlich sagen und auch deutlich machen, dass sich jeder, der Mitglied der Europäischen Union ist, an diesen Grundkonsens von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit zu halten hat. Das steht nicht zur nationalen Disposition, sondern das sind europäische Werte, die von uns stets eingefordert werden können.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dafür brauchen wir eine klare europäische Antwort.
Im EU-Vertrag ist das sogenannte Artikel-7-Verfahren angelegt, mit dem das Stimmrecht im Rat bei groben Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit entzogen werden kann. Aber das muss einstimmig passieren; das ist eine Alles-oder-nichts-Entscheidung. Das macht dieses Instrumentarium in der Praxis so schwerfällig. Deswegen brauchen wir weitere Instrumente, weitere Methoden der Achtsamkeit, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf europäischer Ebene einzufordern.
Es ist sicherlich nicht unanständig, dass bei der Frage der Verteilung europäischer Mittel der Respekt vor rechtsstaatlichen Normen und der demokratischen Verfasstheit auf alle Fälle Berücksichtigung finden muss. Deswegen ist unsere Forderung, dass die Koppelung von europäischen Mitteln an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards im kommenden mehrjährigen Finanzrahmen wesentlich deutlicher zum Ausdruck kommen muss.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir wollen auch, dass es eine stärkere Beobachtung der Frage der Rechtsstaatlichkeit gibt.
Hier komme ich wieder zum Anfang zurück, nämlich zur Verzahnung von Europäischer Union und Europarat. Die Venedig-Kommission des Europarats ist eine hochanerkannte Kommission, die die Frage der Rechtsstaatlichkeit klar und deutlich beurteilen kann. Lassen Sie uns doch in dem Zusammenhang die Rolle der Venedig-Kommission stärken.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der LINKEN)
Machen wir alles, dass die Europäische Union, wie es auch in den Verträgen angelegt ist, der Europäischen Menschenrechtskonvention des Europarats beitritt, sodass sich insgesamt in Europa sowohl im Raum der Europäischen Union als auch im Raum des Europarats grundlegende Regeln von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit abbilden und wir sie einhalten. Denn das ist es, was die Gründungsväter von Europa wollten: einen Raum von Frieden, Freiheit, aber auch des Rechts.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat der Kollege Axel Schäfer für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7445965 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Grundwerteinitiative |