14.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 160 / Tagesordnungspunkt 11

Peter BoehringerAfD - Vorsorgliche Kreditlinie des ESM

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung bringt heute schon wieder eine neue Milliardenmaßnahme der EU in den Bundestag, ein Pandemic-Crisis-Instrument über 240 Milliarden Euro. Man hat es ja! Die deutsche Bonität gibt diese Kredite für Euro-Südland noch immer her. Doch vieles wird dem deutschen Steuerbürger bzw. ‑bürgen dabei wieder einmal nicht gesagt.

Zunächst einmal zum Thema Solidität; der Minister hat es eben ja auch betont. Diese Solidität, die hier ex ante von allen südeuropäischen Staaten angenommen wird, ist ein politischer Befehl. Es ist ein Befehl! Minister Scholz und die EU wissen heute schon mehr, als die Märkte zu diesen Ländern in drei Jahren wissen werden. Das ist schon eine Leistung, echte Hybris, ja. Aber gut.

Erstens. Kredite an wirtschaftlich angeblich noch solide Staaten widersprechen der Gründungsbehauptung des ESM, wonach die Staatengemeinschaft lediglich in Notsituationen einspringt. Zwar ist eine Notsituation für den Euro tatsächlich gegeben, und zwar permanent seit 2010; denn die Finanzkrise der Euro-Südzone war ja nie beendet. Corona ist heute aber nur der Anlass, um ein weiteres Transfervehikel für deutsches Geld einzuführen.

Zweitens. Die akute Coronaphase ist beendet. Am Montag dieser Woche gab es in ganz Berlin noch zwei Neuinfektionen. Und nein, die Seuche wurde nicht durch den verfügten Stillstand des Landes beendet. Als der Shutdown Ende März befohlen wurde, war das Virus in Deutschland bereits am Ende oder fast am Ende seiner saisonalen Ausbreitung.

(Beifall bei der AfD – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Oh Gott!)

– Wir wissen das inzwischen sicher, auch wenn die Bundesregierung uns diese Informationen zum Teil bis heute vorenthält.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was für ein Schwachsinn!)

– Ja, es war schon klar, dass das kommt.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was für ein Schwachsinn!)

Der Reprofaktor von Corona liegt seit März konstant im ungefährlichen Bereich. Inzwischen entsteht ein größerer medizinischer Schaden – –

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sie haben von Finanzen schon keine Ahnung! Jetzt fangen Sie mit so einem Quatsch an!)

– Hören Sie zu; dann lernen Sie noch was, Herr Schneider.

Inzwischen entsteht ein größerer medizinischer Schaden durch die Corona-Shutdown-Maßnahmen als durch Corona selbst. Verschobene OPs werden Tausende Opfer fordern,

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alter Schlaumeier!)

fehlende Bewegung und Sozialkontakte ebenfalls.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Geh doch nach Brasilien!)

Nur ein Zitat aus dem – na ja, nennen wir es so – Non-Paper der Krisenabteilung des Innenministeriums: Die Coronagefahr ist offenkundig nicht größer als die vieler anderer Viren. – Herr Seehofer feuerte den Verfasser solcher Wahrheit einfach, getreu dem Idi-Amin-Prinzip der Meinungsfreiheit: Ja, ich gewähre Freiheit der Rede, aber keine Freiheit nach der Rede.

(Beifall bei der AfD)

Der Shutdown müsste schon seit sechs Wochen beendet sein. Der volkswirtschaftliche Schaden Deutschlands alleine nur durch diese unnötige Verzögerung liegt bereits jetzt bei über 200 Milliarden Euro.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sind Sie jetzt Virologe, oder was?)

Drittens. Corona stellt einen symmetrischen Schock dar, für alle Länder der EU gleich. Das Virus kann darum keine asymmetrischen Geldtransfers zulasten Deutschlands begründen. Und trotz des nominal hohen Volumens, des riesigen Volumens von ECCL wäre ECCL noch nicht mal ein besonders wichtiger Topf. Die EZB-Programme werden noch viel wichtiger sein: 1,5 Billionen und mehr. Aber man will offenbar heute nicht die gesamte EU-Rettung über die EZB machen, da deren Anti-Corona-Programm die vom Bundesverfassungsgericht ja dummerweise eben erst definierten Kriterien für verbotene monetäre Staatsfinanzierung klar erfüllt.

(Beifall bei der AfD)

Viertens. ECCL steht in direkter Haushaltskonkurrenz zu nationalen Coronawirtschaftsprogrammen, die wir leider in gewaltigem Umfang benötigen werden, um die völlig unnötigen Wirtschaftsschäden in Deutschland zu kompensieren: 20 bis 30 Milliarden Euro pro Woche des anhaltenden Stillstands. Just heute – heute! – kommt die neue Steuerschätzung heraus. Es ist schon klar: Es fehlen nach nur sechs Wochen Coronastillstand 120 Milliarden Euro in der Staatskasse. Sogar ohne Coronaprogramme ist ein weiterer deutscher Nachtragshaushalt auf Pump schon heute absolut sicher.

Die AfD spricht sich in dieser Konfliktsituation um Mittel ganz klar für die Rettung der deutschen Arbeitnehmer und Unternehmen aus und lehnt alle Hilfsansätze über EU-ropäische Institutionen ab.

(Beifall bei der AfD)

Aus diesem Grunde werden wir natürlich auch den Entschließungsantrag der FDP ablehnen, der unverständlicherweise ebenfalls noch mehr deutsche Gelder über den Umweg EU nach ganz EU-ropa – außer Deutschland natürlich – transferieren will.

Fünftens. ECCL stellt ein fast bedingungsloses Kreditprogramm dar. Der ESM verlangt keinerlei Nachweise der Verwendung der Gelder. Die Mittel dürfen etwa auch nur zu sehr vage definierten Zwecken der Vorsorge verwendet werden. Das ist ein weiter Begriff. Gesundheitliche Vorsorgemaßnahmen können damit ebenso gemeint sein wie eben Haushaltsvorsorge von Griechenland, Spanien, Frankreich.

Sechstens. PCSI verlangt im Gegensatz zu allen bisherigen ESM-Programmen keinerlei strukturelle Anpassungen von den Nehmerländern. Auch das widerspricht völlig den Forderungen und Versprechungen des originären ESM-Vertrages, den wir ja heute – ich erinnere daran – im Wortlaut überhaupt nicht verändern.

Der im FDP-Entschließungsantrag naiv-optimistisch von den Nehmerländern verlangte jahrelange Primärüberschuss ist darum niemals zu erreichen. Ohne wirtschaftliche Strukturanpassungen können die Euro-Südländer niemals nachhaltige Primärüberschüsse erzielen – und genau das verlangen Sie in Ihrem Entschließungsantrag. Letztlich haben diese Länder die Chance erst wieder, wenn sie das seit 1999 bestehende unselige Euro-Korsett abstreifen und so ihren Realwirtschaften endlich wieder Wettbewerbsfähigkeit verleihen.

(Beifall bei der AfD)

Das ist der tabuisierte rosarote Elefant im Raum. Jeder weiß um ihn, aber keiner spricht diese Ursache der Euro-Krise an, die lange vor Corona existiert hat und die kein ECCL-Programm lösen kann.

Siebtens und letztens muss man noch daran erinnern, warum eigentlich 2012 der ESM überhaupt eingerichtet wurde. Angeblich waren die Euro-Südländer damals nicht mehr kapitalmarktfähig, was per se schon mal eine falsche Aussage ist. Das geht gar nicht. Inzwischen haben sie trotz Corona und trotz Dauerrezession dank EZB eindeutig wieder Zugang zum Kapitalmarkt, sogar zu echten Traumkonditionen von 0, 0,5 bis 2,2 Prozent Jahreszins. Das sind Traumkonditionen; das ist nichts. Und es kommt noch besser: Aufgrund der Voodoo-Ökonomie der EZB-Nullzinspolitik wären alle Euro-Südländer heute in der Lage, die ESM-Kredite am regulären Kapitalmarkt mit nur minimalen Zusatzkosten umzuschulden. Damit ist der einzige Grund entfallen, weswegen der ESM 2012 etabliert wurde. Der ESM kann somit aufgelöst werden. Wir haben genau das heute beantragt. Es geht; die EZB-Zinsplanwirtschaft macht dieses Wunder möglich.

Bringen Sie den deutschen Steuerzahler endlich aus der Haftung! Die Transferprogramme von deutschem Geld und deutscher Bonität an internationale Gläubigerbanken Süd-EU-ropas waren schon vor Corona illegal und grundfalsch. Sie werden keinesfalls durch Corona legitimer und sinnvoller.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7445975
Wahlperiode 19
Sitzung 160
Tagesordnungspunkt Vorsorgliche Kreditlinie des ESM
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