Otto FrickeFDP - Vorsorgliche Kreditlinie des ESM
Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir müssen mal eines klarmachen – es war in der Debatte vorher doch auch klar –: Europa ist eine Rechts- und eine Wertegemeinschaft. Zu den Werten, die an vielen Stellen christlich basiert sind, gehört nicht nur das Wort „Solidarität“, dazu gehört auch das Wort „Nächstenliebe“.
Was heißt Nächstenliebe? Es geht dabei nicht um die Frage: „Bin ich reich, oder bin ich arm?“,
(Zurufe von der AfD)
sondern es geht um die Frage: Bin ich in einem Moment schwach, oder – wenn es um meine Verantwortung geht – bin ich in einem Moment stark? Das ist das, worum es heute und worum es bei der Frage „Wie helfen wir einander in Europa?“ geht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es geht nicht um reich, um arm, sondern es geht um stark, um schwach, um denjenigen, der Hilfe braucht, und denjenigen, der Hilfe leisten kann.
Meine Damen und Herren, wir können Hilfe leisten; das ist heute hier wenig erwähnt worden. Ich weiß: Besonders auf einer Seite des Hauses wird das ungerne gehört. Warum ist Deutschland in der Lage, seiner Verantwortung gerecht zu werden? Weil wir in den vergangenen Jahren – Herr Minister, man hätte es besser machen können – gespart haben. Wir haben in der Zeit gespart und können jetzt in der Not Hilfe leisten, nicht nur für uns, sondern – und das gehört sich so in einer europäischen Familie –
(Zurufe von der AfD)
wir können auch denen helfen, die sich im Moment nicht in dem Maße helfen können, wie es normal notwendig wäre.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Worüber wir aber reden müssen – das ist der Grund, warum meine Fraktion am Ende mit Enthaltung votieren wird –, ist die Frage des richtigen Weges der Hilfe. Wie gestalte ich es so, dass ich dauerhaft helfen kann? Und wie gestalte ich es auch gleichzeitig so, dass derjenige, dem ich helfen will und muss und kann, am Ende nicht wieder in dieselbe Situation hineinkommt? Denn das ist doch die Aufgabe von uns als Politikern, von Parlamenten: zu verhindern, dass dieselben Fehler noch mal passieren, dass es zu Situationen und Bildern kommt, die wir alle nicht noch einmal sehen wollen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Enthaltung ist keine Haltung!)
Deswegen gibt es von uns eine ausdrückliche Unterstützung für das Programm der EIB. Es gibt auch für SURE eine Unterstützung. Aber ich frage Sie, Herr Minister: Warum haben wir denn so eine starke Leistungsfähigkeit beim Kurzarbeitergeld? Weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer diese Leistungen erbracht haben.
(Zuruf von der AfD)
Ich erwarte von Ihnen, sich in Europa dafür einzusetzen, dass die anderen Länder in Zukunft auch eine Absicherung schaffen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer so aufbauen, dass sie in der nächsten Krise – denn Krisen kommen immer wieder – entsprechend reagieren können.
(Beifall bei der FDP)
Das ist die Hilfe, die wir geben, damit andere auf Dauer helfen können.
Zu der Frage des ESM. Ich muss dem Kollegen Rehberg und anderen widersprechen: Das ist eben nicht der richtige und präzise Weg. Ja, es ist ein Weg; aber es ist nicht der richtige und nicht der präzise. Kollege Rehberg, ich darf zum Thema, was der ESM ist, den berühmten Abgeordneten Wolfgang Schäuble zitieren. Er hat nämlich gesagt:
Es gibt Unterstützung
– über den ESM –
nur unter den Voraussetzungen der Konditionalität, also klare Auflagen, klares Sanierungsprogramm und immer nur dann, wenn es zur Aufrechterhaltung der Stabilität der Eurozone insgesamt unerlässlich ist …
Das war immer die Ultima Ratio, die wir mit dem ESM machen wollten. Und diesen Pfad – da verstehe ich meine christlich-demokratischen Freunde nicht ‑verlässt die Bundesregierung jetzt hier mit diesem Antrag. Das halten wir für nicht richtig.
(Beifall bei der FDP)
Denn – das will ich zum Schluss noch deutlich sagen, Herr Kollege Rehberg – in der Anlage 7 a, die Sie zitiert haben, die man sich anschauen sollte, steht nur, was auch in der Anlage 2 a steht: „Die einzige“ – ich betone: die einzige! – „Voraussetzung für den Zugang zur Kreditlinie wird darin bestehen, dass die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, die die Hilfe beantragen, sich verpflichten, die Kreditlinie“ für Dinge zu nehmen, die direkt oder indirekt mit Gesundheitsversorgung, Heilung oder Prävention zu tun haben. Damit – das wissen Sie – ist Tür und Tor für alles geöffnet.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ich finde das sehr komplett!)
Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss ganz klar sagen: Wir enthalten uns heute. Wir sehen, dass dieser Beschluss gefasst worden ist. Wir sehen auch, dass auf europäischer Ebene hier nichts Neues kommen wird. Wir werden uns deswegen – ich war überrascht, Herr Minister, dass Sie die Anträge der anderen Länder heute in Ihrer Rede angekündigt haben – diese Anträge ganz genau angucken und werden dann sehen, wo wir in der Verpflichtung stehen, zu helfen; denn Hilfe ist ein Teil dieses wunderbaren Kontinentes.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass in sechs Minuten die Zeit für die namentliche Abstimmung erschöpft ist. Das heißt, wenn Sie noch nicht Gelegenheit hatten, an ebendieser Abstimmung teilzunehmen, dann sollten Sie sich jetzt bitte auf den Weg machen.
Das Wort hat der Kollege Fabio De Masi für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7445982 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Vorsorgliche Kreditlinie des ESM |