14.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 160 / Tagesordnungspunkt 11

Katja LeikertCDU/CSU - Vorsorgliche Kreditlinie des ESM

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 70 Jahren hat Robert Schuman mit seinem Plan zur Zusammenlegung der deutschen und französischen Kohle- und Stahlproduktion den Grundstein für ein stabiles Europa geschaffen. Mehr als 30 Jahre später hat Helmut Kohl entscheidende Weichen zur Einführung des Euro und damit zur finanzpolitischen Stabilität in Europa gestellt.

Heute erleben wir, wie diese Stabilität herausgefordert wird. Die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise sind in ganz Europa spürbar. Es wurde hier schon geschildert. Wir stehen vor einer tiefen Rezession in Europa. So dürfte die Wirtschaft in der Europäischen Union in diesem Jahr um 7,4 Prozent schrumpfen. Dies sind sogar 3 Prozentpunkte mehr als damals nach der Weltfinanzkrise. Anders als nach der Weltfinanzkrise trifft die Rezession die Mitgliedstaaten unverschuldet und ungleichmäßig.

Während die Kommission für Italien und Spanien einen Rückgang von 10 Prozent erwartet, sind es in Deutschland 6,5 Prozent und in den osteuropäischen Staaten 4 Prozent. Diese Unterschiede werden sich natürlich auch auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken. Einige Länder werden sich früher erholen; bei anderen wird es länger dauern. Es ist genau diese Ungleichmäßigkeit, die die Stabilität in der Europäischen Union in ganz besonderer Weise herausfordert. Es ist nicht nur in Großbritannien so, sondern auch einige andere Staaten stellen die Mitgliedschaft infrage. Auch die Italiener – das wurde auch schon erwähnt – haben aktuell mehr Vertrauen in die USA, in China und in Russland als in Deutschland. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Stimmung muss ein Warnschuss für uns alle sein. Wir brauchen mehr Solidarität in Europa.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wichtige Grundsteine dafür sind in den letzten Wochen gelegt worden. Die Staats- und Regierungschefs haben ein Rettungspaket in Höhe von 540 Milliarden Euro verabschiedet. Eine zentrale Säule dieses Pakets ist der Europäische Stabilitätsmechanismus, der ESM. Damit können Länder der Euro-Zone eine vorsorgliche Kreditlinie bis zu einem Volumen von 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts beantragen. Es ist nicht unkonditioniert, wie es von FDP und vonseiten der AfD gesagt wurde.

(Otto Fricke [FDP]: Aha, was sind denn die Bedingungen?)

– Die Bedingungen sind, dass diese Mittel in die Beseitigung von Schäden im Gesundheitsbereich investiert werden, die durch die Coronapandemie entstanden sind. Das steht ganz klar in den Statuten.

(Otto Fricke [FDP]: Das ist aber keine Bedingung!)

Den Rechtspopulisten in diesem Hause, in der italienischen Abgeordnetenkammer oder der Assemblée nationale möchte ich hier eine klare Absage erteilen. Der ESM ist gerade kein Knechtmittel aus Brüssel. Es ist keine Troika vor Ort, anders als Sie es geschildert haben. Die Kreditvergabe wird ganz transparent ablaufen.

Klar ist aber auch: Der ESM wird zur Bewältigung der Krise in der Europäischen Union nicht ausreichen. Deswegen verstehe ich Ihre Enthaltung an dieser Stelle nicht.

(Otto Fricke [FDP]: Sie verstehen immer noch nicht, was die Bedingung ist! – Frank Schäffler [FDP]: Lesen Sie doch unseren Antrag!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Solidarität darf nicht beim ESM enden. Die Coronapandemie wird beispiellose asymmetrische Schäden in Wirtschaft und Gesellschaft verursachen. Daher muss die Reaktion der EU über das bisher bekannte Maß hinausgehen.

(Otto Fricke [FDP]: Ist das die Meinung der CDU? Ist das die Meinung Ihrer Fraktion? Das ist ja spannend!)

Ich begrüße daher die Überlegungen der Europäischen Kommission zur Schaffung eines europäischen Wiederaufbauinstruments. Auch darüber wurde in den letzten Wochen viel diskutiert. Es ist gut, dass wir hier um die verschiedenen Konzepte ringen.

Dabei setzen wir uns erstens für die Anknüpfung des Instruments an den EU-Haushalt ein; denn nur dadurch ist der EU-Wiederaufbaufonds gerade eben kein Trojanisches Pferd für Euro-Bonds. Diese wollen wir nicht, wie es die AfD und insbesondere Frau Weidel immer wieder meinen. Und Herr Boehringer, der vorhin hier ein Statement abgegeben oder eine Rede gehalten hat – wie man es auch immer sehen will – mit den immer gleichen Vorwürfen gegenüber EZB und dem Euro-Raum: Der Euro hat dazu geführt, dass wir in Deutschland das höchste Bruttoinlandsprodukt,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

die niedrigste Inflationsrate und die niedrigste Arbeitslosenquote haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Grauenvoll!)

Dieser europäische Wiederaufbaufonds muss zweitens dazu führen, dass die Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedstaaten kleiner werden und nicht größer. Deswegen brauchen wir hier ein angemessenes Verhältnis zwischen Darlehen und Zuschüssen. Auch hier müssen wir noch über die Details reden.

Drittens müssen wir Europa nachhaltig krisenfest machen. Wir brauchen daher diesen Wiederaufbaufonds, um den Wiederaufbau mit dem Green Deal zu verknüpfen, mit Investitionen in nachhaltige Infrastruktur, Digitalisierung und moderne industrielle Wertschöpfung.

(Otto Fricke [FDP]: Also, Green New Deal ist die Bedingung! – Gegenruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Sache von Frau von der Leyen, der Kommissionspräsidentin! Das weißt du auch!)

Wenn uns das gelingt, werden wir bald zu einem solidarischen und stabilen Europa zurückkehren, wie es die großen Europäer Schuman und Kohl vor Augen hatten: solidarisch füreinander miteinander und mit Maß eintreten. Wir als CDU/CSU sind dazu bereit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Leikert. – Ich schließe die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 11.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7445991
Wahlperiode 19
Sitzung 160
Tagesordnungspunkt Vorsorgliche Kreditlinie des ESM
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