14.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 160 / Zusatzpunkt 6

Carsten SchneiderSPD - Aktuelle Stunde - Wahlrechtsreform

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast zum Abschluss der Debatte: Das ist ja nicht die erste und wahrscheinlich auch nicht die letzte, die wir zum Wahlrecht hier im Bundestag führen. Wir werden nämlich noch eine führen müssen, nach der wir dann auch entscheiden – und das noch in dieser Legislatur mit Gültigkeit für die nächste Legislatur –; denn nicht akzeptabel wäre es, wenn das Ergebnis der nächsten Bundestagswahl ein Bundestag mit einer Größe von über 800 Abgeordneten wäre. Das wäre für die Akzeptanz der Demokratie schädlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts der jetzigen Anzahl von 709 Abgeordneten bei einer Regelgröße von 598 sehen wir schon jetzt, wie schwer es ist, in Zeiten der Einschränkung, die wir derzeit erleben, unseren Betriebsablauf so zu organisieren, dass er funktioniert, was er in den letzten Wochen getan hat, und den gesundheitlichen Vorschriften – ich denke an die Situation heute Morgen – gerecht wird.

Ich gebe der Opposition recht, die uns vorwirft, dass wir sehr lange gebraucht haben etc. Da haben Sie einen Punkt gemacht. Wir sind in einer Koalition und haben lange versucht, innerhalb der Koalition zu einer Einigung zu kommen. Sie haben in Aktuellen Stunden oft verlangt, auch wir sollten uns positionieren. Nachdem es uns nicht gelungen ist, zu einer gemeinsamen Position zu kommen, haben wir uns positioniert. Das liegt jetzt nicht als Gesetzentwurf für Sie hier im Bundestag vor – das stimmt –, weil wir per Koalitionsvertrag festgelegt haben, dass wir hier keine eigenen Initiativen einbringen, sondern nur gemeinsame, aber wir haben Ihnen unseren Vorschlag übersandt. Wegen der noch zur Verfügung stehenden Zeit – der Kollege Straetmanns selbst hat darauf hingewiesen – ist er wahrscheinlich der einzige Vorschlag, der in der jetzigen Situation – eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl – noch in der Lage ist, eine wirkliche Begrenzung der Größe des Bundestages bei der nächsten Bundestagswahl zu erreichen.

Herr Middelberg, Sie haben eben gesagt, dass das für Sie ausgeschlossen ist. Damit sagen Sie nichts anderes, als dass es in dieser Legislaturperiode seitens der Union keine Einigung und Verständigung auf ein anderes Wahlrecht mehr geben wird.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Nein!)

– Doch, Herr Amthor.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das ist falsch! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sag doch mal, was ihr schon alles abgelehnt habt!)

– Es gibt keine Einigung. Ich habe ja das „Spiegel“-Interview mit Herrn Brinkhaus gelesen, und es ist ja auch kein Geheimnis, dass zwischen der CDU und der CSU da ein Unterschied besteht. Ich hoffe, Sie einigen sich noch. Aber: Es besteht da ein Unterschied.

Der Vorschlag, den Herr Middelberg ausgeführt hat – eine teilweise Reduzierung der Wahlkreise auf vielleicht 270; Herr Heveling hat das ja auch vorgeschlagen –, ist allein aufgrund der Zeit gar nicht mehr umzusetzen. Wir sind nämlich schon fast bei der Aufstellung der Kandidaten für die nächste Bundestagswahl, und dann muss der Wahlkreiszuschnitt feststehen. Das ist also gar nicht mehr möglich.

(Zuruf des Abg. Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU])

– Das ist die Realität, Herr Middelberg, und deswegen müssen Sie und alle Kollegen hier im Bundestag das jetzt einmal als Fakt hinnehmen.

Ich halte die Vorschläge der Opposition auch nicht für der Weisheit letzten Schluss, weil diese Vorschläge – eine Reduzierung auf 250 Wahlkreise – einen sehr harten Eingriff in die Größe der Wahlkreise bedeuten würden. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wer direkt gewählt wurde. Ich bin dreimal direkt gewählt worden und dreimal nicht direkt gewählt worden, sondern über die Liste eingezogen. Trotzdem kümmere ich mich immer um meinen Wahlkreis. Mein Wahlkreis war früher einmal nur die Stadt Erfurt; jetzt gehören die Stadt Erfurt, die Stadt Weimar und das Weimarer Land dazu. Mein Wahlkreis ist um ein Drittel größer geworden. Man kann nicht mehr überall so präsent sein, wie das vorher der Fall war. Aus diesem Grund wäre eine Reduzierung um fast 50 Wahlkreise schon gewaltig; das ist schon ein richtiges Wort.

Das führt dazu, dass die Präsenz aller Abgeordneten in ihrem jeweiligen Wahlkreis abnimmt. Ob sie da direkt gewählt worden sind oder nicht, ist egal. Sie fühlen sich aber verpflichtet, weil sie dort nominiert waren und zur Wahl gestanden haben. Das halten wir als SPD für ein so großes Problem, dass wir gesagt haben: Wir wollen für die nächste Bundestagswahl keine Reduzierung der Wahlkreise, sondern an den 299 Wahlkreisen festhalten.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man also bei der festgesetzten Größe des Bundestages von 598 Abgeordneten eine maximale Größe nicht überschreiten möchte – wir sprechen von 690 –, dann ist das ohne eine Kappung schlichtweg nicht möglich. Auch das Modell der Opposition mit dem Ziel, dass der Bundestag kleiner wird, würde mathematisch nur funktionieren, wenn die Zahl der Wahlkreise auf 200 reduziert werden würde – realistisch gerechnet. Wenn es demnach knapp 99 Wahlkreise weniger wären, dann würde das eine Vergrößerung jedes einzelnen Wahlkreises um etwa ein Drittel bedeuten. Ich jedenfalls würde das dem Bundestag nicht empfehlen.

Aus diesem Grund schlagen wir – das liegt auf dem Tisch; dazu finden ja auch Gespräche auf der Ebene der Fraktionsvorsitzenden statt – für die nächste Bundestagswahl im Jahre 2021 eine Kappung vor. Ja, das ist ein Einschnitt. Ja, das ist etwas Neues und bringt auch Härten mit sich – sowohl für die direkt gewählten Abgeordneten als auch im Hinblick auf die Ausgleichsmandate, die es dann nicht mehr geben wird. Auch das gehört – das sei der Fairness halber gesagt – dazu.

Wie Herr Straetmanns schlagen auch wir die Einsetzung einer Kommission vor der nächsten Bundestagswahl vor. Weiterhin muss geklärt werden, an welchem Enddatum deren Ergebnis vorliegen muss und welche Kriterien in etwa zu erfüllen sind. Außerdem soll es ein Ablaufdatum für unser Brückenmodell geben, weil das nicht für immer der Standard, sondern nur eine Brücke für die nächste Bundestagswahl sein soll.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Carsten Schneider. – Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde: Philipp Amthor für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7446035
Wahlperiode 19
Sitzung 160
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Wahlrechtsreform
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