Daniela KolbeSPD - Armutsbekämpfung bei Rentnern
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute einen Antrag der AfD-Fraktion zur Rentenpolitik. Das ist doch mal was.
(Heiterkeit bei der LINKEN)
Das hatten wir nicht so oft: ein in Ihrer Fraktion mehrheitsfähiges rentenpolitisches Konzept.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Premiere!)
Auch nach sieben Jahren des Bestehens haben Sie als Partei noch kein parteiweites Rentenkonzept verabschiedet.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das merkt man dem Antrag an!)
Im Gegenteil! Bisher war zwischen Herrn Meuthen und Herrn Höcke rentenpolitisch deutlich mehr Platz als zwischen der FDP und der Linken.
Alle Rentnerinnen und Rentner und alle, die das mal werden wollen, sollten sich klarmachen, dass die, die sich hier gerne als die Rächer der Enterbten aufspielen, seit Langem mit sich selber ringen, ob sie die gesetzliche Rente abschaffen sollen – was für ein Wahnsinn! – oder ob sie sie ausweiten sollen. Für die gesetzliche Rente mag es gut sein, dass der ulkige parteiinterne Wettstreit wahrscheinlich nicht für Herrn Meuthen und seine Abschaffungsfantasien ausgeht. Dass sich jetzt aber de facto der vom Verfassungsschutz beobachtete und als rechtsextrem eingestufte Flügel durchsetzt, der daran gerne noch ein paar völkische Fantasien anknüpfen möchte,
(Enrico Komning [AfD]: Den gibt es doch gar nicht mehr! – Weiterer Zuruf von der AfD: Sie haben Fantasien!)
bereitet mir und, wie ich vermute, vielen anderen hier Übelkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es sollte jedem, der für sein Geld arbeiten muss, Unbehagen bereiten, dass es in einer deutschen Partei einer wirklich lang sich hinziehenden Debatte bedarf, ob man nun die gesetzliche Rente abschaffen will oder nicht.
Zum Antrag. Sie nehmen sich das Thema Altersarmut vor. Das finde ich als Sozialdemokratin erst mal lobenswert. Das ist ein großes Thema, das wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten angehen. Dazu gehört nicht nur die Grundrente, bei der wir darauf bestehen, dass sie noch vor der Sommerpause verabschiedet wird, damit sie am 1. Januar 2021 in Kraft tritt, und von der 1,3 Millionen Menschen profitieren, und zwar ohne zum Amt zu gehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben noch mehr. Zu unserem Ansatz gehört der Mindestlohn, den wir durchgekämpft und eingeführt haben und den wir weiter erhöhen werden.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: „Durchgekämpft“ ist ein bisschen Geschichtsklitterung!)
Dazu gehört ebenfalls die Stärkung der Tarifbindung, für die wir uns unentwegt einsetzen und was jetzt endlich in der Pflege Früchte trägt und hoffentlich noch bessere Früchte tragen wird.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben mehrfach die Regelungen für Erwerbsminderungsrentner verbessert. Ich habe den Eindruck, dass sich der Gedanke durchsetzt, dass man auch etwas für die Bestandsrentner in der Erwerbsminderungsrente tun muss.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur zu! Wir warten darauf!)
– Vielleicht hören Sie auch gerne zu! – Altersarmut bekämpft man nämlich am besten zweigleisig: einerseits präventiv durch die Sicherstellung guter Löhne, stabiler Erwerbsbiografien, gute Altersvorsorge und andererseits reaktiv, indem wir diejenigen solidarisch absichern, die trotz alledem durch das Netz fallen.
Zu vielen Punkten, die ich gerade genannt habe, hat die AfD noch nichts, was man auch nur annähernd als Haltung bezeichnen könnte. In Ihrem Antrag fordern Sie nun eine Anrechnungsfreistellung von Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 15 Prozent für Rentnerinnen und Rentner in der Grundsicherung. Vorliegende private Vorsorge wollen Sie ebenfalls teilweise anrechnungsfrei stellen. Gemeinsam soll das gedeckelt sein bei maximal 50 Prozent des Regelbedarfsatzes. Dazu sollte man erst mal die aktuelle Gesetzeslage kennen. Bereits jetzt – Sie können mal raten, wer das durchgesetzt hat – sind Teile der privaten Altersvorsorge anrechnungsfrei: die ersten 100 Euro komplett und danach anteilig 30 Prozent.
Sie wollen jetzt ein kleines Häppchen aus der gesetzlichen Rente dazupacken, übrigens gedeckelt genau bei der gleichen Stelle, wo es jetzt schon gedeckelt ist, und glauben, Sie hätten das Thema Altersarmut geklärt. Im Leitantrag zum Sozialparteitag der AfD, der immer wieder angekündigt und verschoben wurde – die jetzige Verschiebung haben Sie in der Tat nicht zu verantworten –, ist dieser kleine Anrechnungsmechanismus in der Grundsicherung aus Ihrem Antrag tatsächlich die Hauptidee zur Bekämpfung von Altersarmut.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hauptidee? Die einzige bisher!)
Kein Wort zur Lohnpolitik, zu Gewerkschaften, zur Einkommenssituation von Frauen, von Ostdeutschen! Eine vorausschauende Rentenpolitik geht anders.
Unabhängig davon kann es auch nicht Sinn der Sache sein, immer mehr Menschen durch eine solche Kombirente auf das bedürftigkeitsgeprüfte und antragsbasierte Grundsicherungssystem zu verweisen. Bereits jetzt nehmen ja schon ganz viele, die berechtigt wären, den Anspruch gar nicht wahr, entweder aus Überforderung oder auch aus Scham. Empirische Untersuchungen gehen von etwa 50 Prozent oder mehr aus.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 60 bis 68 Prozent!)
– Der Herr der Zahlen kommt später bestimmt noch.
(Heiterkeit bei der SPD)
Viel zu viele Menschen nehmen es jedenfalls nicht in Anspruch. Die Grundsicherung ist eine Sozialleistung und sollte wirklich nur die letzte Option sein und nicht zur Regel werden. Sonst hätte Herr Meuthen doch noch gewonnen. Das will ja schätzungsweise die Mehrheit Ihrer Fraktion nicht, oder doch?
(René Röspel [SPD]: Will es auch gar nicht wissen!)
Man weiß so wenig, zumindest wenn es um Rentenpolitik und AfD geht.
Ihr Vorschlag würde zu einer deutlichen Ausweitung des Personenkreises führen, der anspruchsberechtigt wäre, aber wahrscheinlich kaum für wenige Euro einen solchen Antrag stellen würde. Ich möchte zudem festhalten, dass etwa ein Viertel der Grundrentenbezieher gar keine Rentenansprüche, viele weitere nur sehr geringe Rentenansprüche haben. Diese würden von Ihrem Konzept gar nicht oder nur sehr wenig profitieren. Das sind nicht unbedingt faule Leute. Das sind nämlich – Sie wollen ja für alle ein bisschen was; das atmet auch Ihr Antrag zum Sozialparteitag – oft Selbstständige, die irgendwann mal wirtschaftlich auf die Nase gefallen sind. Damit das nicht in der Grundsicherung endet, wollen wir von der SPD die Selbstständigen in die gesetzliche Rente aufnehmen. Ihr Vorschlag hilft dieser Gruppe gar nicht.
(Beifall bei der SPD)
Ihr Antrag greift zu kurz, ist nicht zielführend. Den Betroffenen ist damit nicht geholfen. Damit ist eigentlich alles gesagt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Vielen Dank, Daniela Kolbe. – Nächster Redner ist Norbert Kleinwächter für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7446051 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Armutsbekämpfung bei Rentnern |