Thomas HackerFDP - Gedenkstätte für Opfer des Zweiten Weltkrieges
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst vor wenigen Tagen gedachten wir des Endes des Zweiten Weltkrieges, der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Der 8. Mai 1945 markiert das Ende der Nazidiktatur. Deutschland war am Ende. Für viele Täter und Opfer gab es keine Hoffnung mehr, keine Menschlichkeit, keine Zukunft.
Dieser Tag ist für uns Deutsche ein Tag der Trauer und der Scham. Wir trauern um die Millionen Toten, die im Krieg und durch die Nazis ihr Leben lassen mussten. Und wir sind beschämt, weil der Krieg und die furchtbarsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit von deutschem Boden ausgegangen sind.
In diesem Jahr war es ein stilles, ein einsames Gedenken. Die politischen Spitzen der Bundesrepublik Deutschland legten Kränze nieder in der Neuen Wache, der zentralen Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, von Flucht und Vertreibung, der Gedenkstätte übrigens für alle Opfer.
(Marianne Schieder [SPD]: Genau!)
Zurzeit erinnern wir uns an viele 75. Jahrestage aus den Schlussmonaten des Zweiten Weltkriegs: die Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Dort wurden Menschen systematisch gequält, ihrer Würde beraubt, industriell ausgelöscht, ermordet, vernichtet. Menschen aus Polen, aus Deutschland, aus Ungarn, aus Frankreich und aus vielen anderen Ländern Europas, Menschen jüdischen Glaubens, Christen, Sinti, Roma, Homosexuelle, Angehörige anderer Minderheiten – den Nazis war die Nationalität ihrer Opfer egal. Wir erinnern uns an die Bombardierung Dresdens genauso wie an die Todesopfer in den zuvor bombardierten Städten anderer Länder – London oder Coventry –: Kinder, Frauen, Männer. Den Bomben war die Nationalität ihrer Opfer egal.
Krieg ist grausam und unmenschlich. Völkerrechtlich mag ein Krieg definierbar sein. Urteile über Schuld und Unschuld einzelner können verwischen.
Sind Täter immer Täter und Opfer immer Opfer? So einfach ist das häufig nicht. Schnell können aus Opfern Täter und aus Tätern Opfer werden. Wir haben aufgrund unserer Geschichte Schwierigkeiten im Umgang mit dieser Ambivalenz. Wie gehen wir mit Menschen um, die zugleich Täter und Opfer sind? Wiegt die Schuld der Tat schwerer als das erlittene Leid? Fragen wie diese müssen wir uns immer wieder stellen. Sie gehören zu uns, zu unserer Geschichte. Nur wenn wir uns damit auseinandersetzen, können wir für die Zukunft lernen.
Der 8. Mai 1945 war Schlusspunkt unvorstellbarer Grausamkeiten und Verbrechen. Gleichzeitig konnte Neues entstehen, auch wenn viele das in den zertrümmerten Städten oder Kriegsgefangenenlagern noch nicht sehen konnten. Befreit von der Nazidiktatur wurde die Grundlage für ein freies, ein demokratisches Deutschland geschaffen: zuerst in der Bundesrepublik, nach der friedlichen Revolution 1989 dann im vereinten Deutschland, freundschaftlich verbunden mit unseren Nachbarn in Europa.
In unseren Gedenkstätten und Erinnerungsorten, an Jahrestagen wie dem 8. Mai setzen wir uns mit unserer Geschichte auseinander. Wir erinnern an die Opfer und ihr Leid, unabhängig davon, wo sie lebten oder woher sie kamen. Wichtiger als diese Frage sind die Lehren, die wir aus unserer Vergangenheit ziehen, die Erkenntnisse, die wir an die junge Generation weitergeben: das klare Bekenntnis zum „Nie wieder“ – nie wieder nationale Überheblichkeit, nie wieder Hass, Intoleranz, Gewalt gegenüber anderen Nationen, anderen Religionen, anderen Meinungen, nie wieder Krieg.
Danke.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion der SPD ist die Kollegin Marianne Schieder.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7446281 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Gedenkstätte für Opfer des Zweiten Weltkrieges |