Jens MaierAfD - Virtuelle Gerichtsverhandlungen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Ullrich hat schon viel gesagt. Ich werde da noch einen draufsetzen.
(Heiterkeit bei der AfD und der CDU/CSU)
Offenbar gibt die Coronapandemie einigen die Möglichkeit, das, was man irgendwie schon immer vorhatte, unterzumischen und mit den momentan angeblich bestehenden Erfordernissen zu begründen. So wollen die Linken als besonders abstoßendes Beispiel, dass während der Coronazeit Schwangerschaftsabbrüche auch ohne Beratungshilfe möglich werden und so die Fristenlösung eingeführt wird. Die Linken nennen ihren Antrag in beispielloser Geschmacklosigkeit „Reproduktive Rechte auch während der Corona-Krise schützen – Beratungspflicht aussetzen und Schwangerschaftsabbrüche absichern“. Corona als Lizenz zum Töten – schämen Sie sich!
(Beifall bei der AfD – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Schämen sollten Sie sich!)
Die FDP, die Partei der Schönen und Reichen, aber auch der inhaltlichen Beliebigkeit, geht im Prinzip genauso vor, wenn auch auf deutlich höherem Niveau. Auch sie reitet auf der Coronawelle. Ihr Antrag lautet: „Auswirkungen des Coronavirus auf die Justiz – Virtuelle Gerichtsverhandlungen ermöglichen“. Auch hier will man die Coronakrise nutzen, um das, was man schon immer wollte, mit Aktualität zu versehen. Dabei wird vom Titel her so getan, als ob man jetzt irgendetwas Neues hier erfinden würde.
§ 128a ZPO sieht aber für den Zivilprozess die Möglichkeit von Videoverhandlungen schon vor, und das in völlig ausreichender und ausgewogener Weise. Nun will die FDP aber, dass die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videoverhandlung nicht mehr im Ermessen des Gerichts liegen soll, sondern auf Antrag einer Partei durchgeführt werden muss. Das heißt, eine Partei bestimmt jetzt darüber, in welcher Form eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, entweder normal im Gerichtssaal oder als Videoverhandlung. Das ist nicht sinnvoll, und Sie, Herr Dr. Ullrich, haben ja auch zu den rechtlichen Dingen Stellung genommen. Das ist auch wohl nicht möglich, und es ist vor allen Dingen ein Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit. Dem Richter wird ein Teil der Hoheit über die Verfahrensführung genommen. Wie das Verfahren geführt wird, unterliegt nicht mehr seinem Ermessen.
Dann stellt sich die Frage, wie das realisiert werden soll. Weder die Gerichte noch alle Rechtsanwälte oder Parteien verfügen über die erforderliche technische Ausstattung. Es wird auch ein allgemeingültiger Standard in Sachen Digitalisierung nicht oder nur schwer zu erzwingen sein. Da wird auch ein Digitalpakt zwischen Bund und Ländern nicht helfen, so wie Sie von der FDP sich das vorstellen.
(Manuel Höferlin [FDP]: Dann lassen wir das doch mit der Digitalisierung!)
Güteverhandlungen virtuell durchzuführen, wie die FDP es fordert, ist schon eher ungewöhnlich. In der Zöller-Kommentierung zu § 128a ZPO wird dazu passend auch die Auffassung vertreten, dass dies dem Zweck der Güteverhandlung nicht gerecht wird, weil die Präsenz der Parteien im Rahmen der Güteverhandlung von erheblicher Bedeutung ist. Ich kann das bestätigen; ich bin schließlich 20 Jahre lang Zivilrichter gewesen.
(Beifall bei der AfD)
Dann vom Grundsätzlichen her: Es heißt von alters her für die Parteien: Wir gehen vor Gericht. – Wenn eine Videoschalte auf Antrag zu erfolgen hat, dann geht man nicht mehr vor Gericht, dann holt man sich das Gericht auf seinen Bildschirm. Was für ein Bild wird da vermittelt? Der zuschaltbare Richter, der sozusagen wie ein Netflix-Abo ins Haus geholt werden kann.
(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)
Wie lässt sich das mit der Stellung eines Gerichts vereinbaren? Schließlich verkörpert das Gericht staatliche Autorität. Diese wird durch das von der FDP vorgeschlagene Antragsrecht noch weiter untergraben, als das bisher schon durch die allgemein negative politische Entwicklung geschehen ist.
Bedenklich ist auch der Vorschlag, der Allgemeinheit die Teilnahme an der virtuellen Verhandlung per Livestream zu ermöglichen. Über diesen Weg wird eine mediale Öffentlichkeit hergestellt, die für alle Beteiligten unüberschaubare Risiken mit sich bringt. Auch das Zustimmungserfordernis ist da kein Korrektiv. Insbesondere können Livestreams aufgezeichnet und verbreitet werden und so dauerhaft zu einer Gefährdung von Persönlichkeitsrechten führen. Darum sollten wir am § 169 GVG festhalten, der eine Direktübertragung ausschließt und auch die Speicherung der Aufnahme für spätere Veröffentlichungen nicht zulässt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Vielen Dank, Herr Maier. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Esther Dilcher.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7446302 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Virtuelle Gerichtsverhandlungen |