14.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 160 / Tagesordnungspunkt 21

Friedrich StraetmannsDIE LINKE - Virtuelle Gerichtsverhandlungen

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Guten Abend, Frau Präsidentin! Guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute mit dem Antrag der FDP zur verpflichtenden Einführung von virtuellen Gerichtsverhandlungen. Das ist sicherlich eine berechtigte Anfrage in der Zeit der Coronakrise, aber – ich schließe mich da den Vorrednern an – die Antwort, die Sie auf diese berechtigte Anfrage geben, ist aus meiner Sicht eindeutig falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Die aktuelle Krise und der aus den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen resultierende Verfahrensstau bei den Gerichten macht auch aus Sicht meiner Fraktion die Anwendung des § 128a ZPO notwendig, nach dem das Gericht auf Antrag der Beteiligten entscheiden kann, ob es eine Bild- und Tonübertragung der Vernehmung von Verfahrensbeteiligten, von Sachverständigen in den Gerichtssaal ermöglicht. Aber wohlgemerkt: Nach der jetzigen gesetzlichen Regelung steht dies im Ermessen des Gerichts, und das ist aus Sicht meiner Fraktion richtig und wichtig.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin mir mit der Fraktion der FDP einig, dass die Gerichte insoweit technisch besser ausgestattet werden müssen und dass hier in einem gewissen Umfang auch der Bund in der Pflicht steht, diese finanziell aufwendige technische Ausstattung der Gerichte zu ermöglichen.

(Otto Fricke [FDP]: Ach!)

Aber genug des Lobes. Ich komme jetzt zu den einzelnen Kritikpunkten. Ich kann mich da fast allem, was hier von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt wurde, anschließen.

Eine Unzulänglichkeit des Antrages sehe ich insbesondere in einer Schieflage zwischen den Verfahrensbeteiligten, die in einer virtuellen Verhandlung durchaus noch verstärkt werden kann. So kann zum Beispiel eine mangelnde technische Ausstattung, eine – es ist schon angesprochen worden – fehlende anwaltliche Vertretung oder auch mangelndes Technikverständnis als Grund für diese Ungleichheit angeführt werden.

Aus meiner Sicht als Richter ist es auch nicht in Ordnung, dass das Gericht nach Ihrem Antrag in einen solchen Verfahrensablauf gezwungen wird. Ich habe es eben angesprochen: Es ist wichtig, dass das Gericht, das am Ende die Entscheidung treffen muss, auch jederzeit Herr oder Frau über den Weg zu der Entscheidung bleibt.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU])

Die Qualität einer Vernehmung – es ist angesprochen worden – ist bei Zeugen in Bezug auf Gestik, Mimik und Verhalten eingeschränkt. In der Güteverhandlung, die besonders wichtig ist, ist gerade der persönliche Kontakt ungeheuer wichtig, weil auch eine Moderation erforderlich ist, und die gelingt halt nur bei einer gewissen Nähe im Gerichtssaal. Es sind Interessen auszugleichen. All das berücksichtigen Sie in Ihrem Antrag nicht.

Für den Rechtsfrieden ist aber auch ein ganz anderer Punkt wichtig. Es ist für die Beteiligten wichtig, gesehen zu werden. Das klingt vielleicht merkwürdig, aber es ist wichtig, seinen Fall persönlich bei Gericht anzubringen und vorzutragen. Auch das trägt zum Rechtsfrieden bei. Es ist nicht immer nur die gerichtliche Entscheidung durch Urteil, sondern auch eine moderierte Vergleichslösung oder gar eine Rücknahme aufgrund von Einsicht durch Erklärung.

Ich könnte noch vieles aufzählen.

Nein.

(Heiterkeit)

Nein? – Ich werde zum Ende meiner Rede kommen. – Wir werden das im Ausschuss sicherlich diskutieren, aber ich mache Ihnen keine Hoffnung, dass wir diesem Antrag zustimmen können.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Friedrich Straetmanns. – Nächste Rednerin in dieser sehr spannenden Debatte: Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7446304
Wahlperiode 19
Sitzung 160
Tagesordnungspunkt Virtuelle Gerichtsverhandlungen
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