Johann SaathoffSPD - Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2017
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines will ich an dieser Stelle mal sagen: Das EEG ist und bleibt ein Erfolgsgesetz,
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Bernhard Loos [CDU/CSU])
Das kann man so oft schlechtreden wollen, wie man will: Am Ende wird der Erfolg dadurch belegt, dass das Gesetz zigmal in der ganzen Welt kopiert wurde. Es war ein guter Anker, um erneuerbare Energien endlich in die Energiewelt einzubringen. Und deswegen lassen wir uns das nicht schlechtreden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben viel zu tun in der Energiepolitik, um das mal klar zu sagen. Und zugegebenermaßen ist der Regelungsumfang der Novellierung des EEG-Gesetzes, um den es sich heute handelt, eher begrenzt. Das ist eigentlich schade.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Was regeln wir in dieser Mini-EEG-Novelle? Wir regeln, dass die Privilegierungen für Bürgerenergiegesellschaften letzten Endes ausgesetzt werden, und zwar ganz und gar und nicht nur befristet. Diese Privilegierungen sind missbraucht worden, insbesondere im Hinblick auf das Planungsrecht und Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz bzw. der Befreiung davon. Alle anderen Bürgerenergieprivilegien gelten natürlich nach wie vor.
Wir wollen eine Energiewende, die von einer breiten Mehrheit der Menschen getragen wird. Wir sehen auch, dass es Akzeptanz geben muss für die Energiewende; aber wir haben komplett andere Vorstellungen von Akzeptanz für Windenergie als Sie. Wir definieren Akzeptanz über Beteiligung und nicht über Abstände.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jens Koeppen [CDU/CSU]: Moderner Ablasshandel!)
Ich bin ganz überrascht und auch ein bisschen froh, dass der Minister in dieser Woche einen Vorschlag gemacht hat, der vorsieht, den Bürgerinnen und Bürgern in den Windenergiekommunen Geld zu zahlen. Dieser Vorschlag umschreibt das, was wir „Bürgerwindgeld“ genannt haben; das haben wir vor zwei Monaten auch bekannt gegeben. Mir fällt dazu das Schweizer Kräuterbonbon ein: Wer hat es letzten Endes erfunden? Es ist made by Sozialdemokratie, und das ist gut so.
(Beifall bei der SPD – Zurufe von der AfD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, wir regeln außerdem Fristverlängerungen wegen der Coronakrise, und wir regeln, dass dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie Kompetenzen übertragen werden, die notwendig sind, um den weiteren Ausbau im Offshorebereich sicherzustellen. Und was mich persönlich freut – keiner soll sagen, dass die Arbeit nicht in den Ausschüssen gemacht wird –: Wir haben gestern noch im Ausschuss die Fristverlängerung für die Flexibilitätsprämie für Betreiber von Biogasanlagen vereinbart.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Peter Bleser [CDU/CSU] – Timon Gremmels [SPD]: Gut gemacht!)
Denn Netzdienlichkeit ist die neue Grundlastfähigkeit. Es geht um Netzdienlichkeit, und Biogas hat in Sachen Netzdienlichkeit durchaus Potenziale: einmal bei Substratspeichern, aber auch bei Gasspeichern und auch im Hinblick auf die Möglichkeit, Methan aus der Atmosphäre zu filtern, wenn es güllegeführte Biogasanlagen sind; die brauchen wir.
Spannender als das, was im Gesetz geregelt ist, ist eigentlich, was wir nicht geregelt haben.
(Timon Gremmels [SPD]: Leider!)
Wir haben das 65-Prozent-Ziel nicht geregelt, obwohl das in unserem Koalitionsvertrag steht. Das ist schade! Wir haben nicht geregelt, wie wir das 65-Prozent-Ziel erreichen wollen. Das ist schade und gibt vielleicht dem einen oder anderen Gelegenheit, zu zweifeln, ob wir es denn wirklich erreichen wollen. Für die sozialdemokratische Seite der Koalition kann ich definitiv sagen: Jawohl, das wollen wir erreichen.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben nicht geregelt – das ist im Kanzleramt längst vereinbart –, dass bis 2030 nicht nur 15 Gigawatt, sondern 20 Gigawatt aus dem Offshorebereich kommen sollen. Das ist auch schade!
Wir haben das Mieterstromgesetz nicht geregelt – das ist uns vom Minister eigentlich schon zugesagt worden –; das sollten wir Ende letzten Jahres bekommen. Das ist nicht nur schade, sondern es ist auch nicht in Ordnung, dass man so mit dem Parlament umgeht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN -Timon Gremmels [SPD]: Das ist Wortbruch!)
– Man könnte auch sagen, das sei Wortbruch.
Was nicht geregelt ist: wie die Altanlagen, die nach 2020 aus dem EEG fallen, weiter abgewickelt werden. Und wir haben nicht geregelt – und das ist unverantwortlich –, dass der PV-Deckel endlich abgeschafft wird, und wir haben nicht geregelt, wie wir mit der Windenergie weiter umgehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Tausende von Menschen bangen um ihren Arbeitsplatz, nicht nur wegen der Coronakrise, sondern weil wir in dieser Koalition – das muss man selbstkritisch sagen – nicht in der Lage sind, hierfür die notwendigen Regelungen zu schaffen.
(Beifall bei der SPD)
Die Verantwortung dafür liegt bei der Union, und wer einen Beweis dafür braucht, der muss sich nur die Rede von Herrn Koeppen noch mal anhören. Es ist unverantwortlich, dass das BMWi hier auch nicht liefert; es ist energiepolitisch, klimapolitisch und auch industriepolitisch unverantwortlich. Von daher hoffe ich, dass wir jetzt bald aus dem Quark kommen.
Wir haben über Konjunkturprogramme gesprochen, und mein Kollege Bernd Westphal hat eindrucksvoll darauf hingewiesen, dass es im Konjunkturprogramm eben auch darum gehen muss, Anreize für Speichertechnologien für Wasserstofflösungen zu schaffen;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
es muss darum gehen, digitale Netze auszubauen. Wenn wir jetzt schon viel Geld ausgeben müssen für die Coronahilfen, dann lassen Sie es uns doch so machen, dass wir gleichzeitig auch die Transformationsanreize schaffen, die wir sowieso hätten setzen müssen in diesem Kontext.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren, es geht eine Angst um, die Angst, dass die EEG-Umlage steigt; wir haben das heute auch noch mal gehört. Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie Gegner der erneuerbaren Energien immer ein Argument gegen die erneuerbaren Energien haben: Entweder steigt die EEG-Umlage, oder es steigt der Strompreis generell. Der Kanon lautet immer: Uh, Vorsicht mit den Erneuerbaren; hier steigt irgendwas. – Aber der Zusammenhang wird verkannt. Warum steigt eigentlich die EEG-Umlage in der nächsten Zeit? Weil der Marktpreis für Strom sinkt.
(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Eben! – Gegenruf der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie gut zu, Herr Koeppen!)
Das sind zwei korrespondierende Größen, die miteinander in Zusammenhang stehen. Wenn das eine mit dem anderen zu tun hat, kommt am Ende die gleiche Summe heraus. Deswegen, Herr Koeppen, ist es falsch, zu sagen: Der Strompreis steigt automatisch. Es ist schlichtweg falsch.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Koeppen [CDU/CSU]: Aber der Bürger bezahlt es doch am Ende, kein anderer! – Gegenruf des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Herr Koeppen, dann schafft die Industrieprivilegien ab!)
Und weil es falsch ist, muss man keine Angst davor haben.
Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich habe keine Angst – ein Kind von der Küste kennt zwei Dinge nicht: Geld und Angst –,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
aber ich mache mir Sorgen über schmelzende Gletscher, über steigende Meeresspiegel und über Dürren, die die Bauern in echte Schwierigkeiten bringen; das sind meine eigentlichen Sorgen.
Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben in der Energiepolitik noch viel zu regeln. In Ostfriesland würden wir sagen: Wi hebben noch Halswark to doon. – Lassen Sie uns endlich anfangen!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen herzlichen Dank, Johann Saathoff. – War der letzte Satz jetzt die Übersetzung? Das müssen Sie mir – ich komme aus Schwaben, aus dem Süden – sagen. Was haben Sie uns denn sagen wollen?
„Wi hebben noch Halswark to doon“ kann man nicht wörtlich übersetzen.
Dann ungefähr.
Es heißt so viel wie: Wir haben noch eine ganz Menge vor uns zu tun.
Gut. – Vielen Herzlichen Dank. Ich freue mich immer auf den Sprachunterricht.
(Johann Saathoff [SPD]: Ich auch!)
Nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion Sandra Weeser.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7446311 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2017 |