Johannes VogelFDP - Grundrentengesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass Sie nach über einem Jahr Streit in der Koalition nun dieses Modell in den Bundestag einbringen, das kritisieren auch wir scharf, aber nicht, weil wir gegen ein sinnvolles Modell zur zielgenauen Bekämpfung von Altersarmut wären.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nein!)
Ganz im Gegenteil: Das ist seit vielen Jahren überfällig.
(Beifall bei der FDP)
Nein, es sollte doch vielmehr in der Tat gerade jetzt selbstverständlich sein, erstens eine solide, nachhaltige Finanzierung und zweitens ein sinnvolles Modell zu haben. Liebe Koalition, leider haben Sie nichts davon.
(Beifall bei der FDP)
Zur soliden Finanzierung. Gestern hat der Bundesfinanzminister gesagt: Ja, natürlich wird die Grundrente aus Steuermitteln finanziert. – Schaut man aber in die mittelfristige Finanzplanung des Bundesfinanzministers, findet man dazu:
(Dr. Florian Toncar [FDP]: Nichts!)
nichts. Und weil Sie keinerlei Steuermittel eingeplant haben, haben Sie auf die EU-Finanztransaktionsteuer zur Finanzierung verwiesen,
(Dr. Florian Toncar [FDP]: Die gibt es gar nicht!)
also auf eine Steuer, die es gar nicht gibt. Aber eine Steuer, die die Staaten der Europäischen Union nicht einführen werden, kann man nicht zur Finanzierung verwenden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
(Beifall bei der FDP – Kerstin Tack [SPD]: Unsinn!)
In den letzten Jahren ist, wenn Sie sich beim Thema Rente gestritten haben, immer eines passiert: Am Ende haben Sie doch in den Topf der Beitragszahler gegriffen, und das ging voll zulasten der jungen Generation. Deshalb sage ich mal zum sogenannten Wirtschaftsflügel der Union, der heute hier nicht sehr zahlreich vertreten ist:
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja! Das ist bezeichnend!)
Da darf man eben auch nicht immer nur den Mund spitzen, sondern muss auch mal pfeifen und für eine solide Finanzierung sorgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Zum zielgenauen Modell, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Eine alleinerziehende Altenpflegerin, die 32 Jahre und 11 Monate in die Rentenkasse einzahlt und vielleicht im Alter wenig Geld hat, bekommt bei Ihrem Modell keinen Cent mehr als die Grundsicherung. Eine Friseurin, die vielleicht 20 Jahre einen Friseursalon betrieben hat, Menschen Arbeit gegeben hat, deren Unternehmen dann vielleicht gescheitert ist, die noch 20 Jahre beschäftigt war und im Alter womöglich auch wenig Geld hat, bekommt in Ihrem Modell keinen Cent mehr als die Grundsicherung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, von den 500 000 Menschen, die Ansprüche aus der Rentenversicherung haben und heute im Alter auf die Grundsicherung angewiesen sind, haben drei Viertel nicht die notwendigen Beitragsjahre, um sich für Ihre Grundrente überhaupt zu qualifizieren. Das ist doch kein zielgenaues Modell.
(Beifall bei der FDP)
Auf der anderen Seite: Von den Empfängern Ihres Grundrentenmodells sind über 90 Prozent gar nicht auf die Grundsicherung im Alter angewiesen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, das ist doch kein zielgenaues Modell. Wenn das nicht krass an den Bedürfnissen vorbeigeht, dann weiß ich es nicht.
(Beifall bei der FDP)
Diese Grundrente hilft leider kaum gegen Altersarmut, liebe Koalition.
Gleichzeitig schaffen Sie aber ganz viele neue Ungerechtigkeiten. Sie durchbrechen in der Tat den Grundsatz, dass bei uns in der Rente die Auszahlungen von den Einzahlungen abhängen. Sie stellen Wohngemeinschaften bei der Grundrente besser als Ehepaare. Sie sorgen dafür, dass jemand, der eine kleine Riester-Rente hat, keinen Anspruch auf die Grundrente hat, dass jemand, der eine identisch hohe kleine Lebensversicherung hat, womöglich aber Anspruch auf die Grundrente hat, usw. usf.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit der Bürgerversicherung kann man das vermeiden!)
Diese Ungerechtigkeiten, die Sie durch dieses Modell schaffen, sind so krass, dass Franz Ruland, langjähriges SPD-Mitglied und langjähriger Vorsitzender der Deutschen Rentenversicherung, das sogar für verfassungswidrig hält, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Das ist doch kein überzeugendes Modell gegen Altersarmut – bei aller Liebe.
(Beifall bei der FDP)
Schließlich ignorieren Sie komplett die Einwände der Deutschen Rentenversicherung. Da zitiere ich kurz aus der Stellungnahme der Rentenversicherung selbst: Die sozialpolitische Begründung der vorgesehenen Regelung ist „zum Teil widersprüchlich und in der Zielstellung nicht eindeutig“. Das Vorhaben sei eine „noch nie dagewesene Zäsur“ hinsichtlich der Umsetzbarkeit. Die Verwaltungskosten würden ein unglaubliches Viertel der Gesamtkosten ausmachen.
(Dr. Florian Toncar [FDP]: Nicht zu fassen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist vornehmes Verwaltungsdeutsch für: Ihr macht kompletten Mist! Deshalb: Kehrt um!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Wir haben euch ja ein anderes Modell vorgelegt. Unsere liberale Basisrente würde dafür sorgen, dass jede und jeder, die gearbeitet und eingezahlt haben, im Alter mehr haben als die Grundsicherung und mehr als die, die das nicht getan haben. Gleichzeitig muss im Alter niemand aufs Sozialamt gehen. Das ist ein faires und zielgenaues Modell. Ihre Grundrente ist das leider nicht, und ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie dieses Modell noch mal überdenken. Es ist möglich, es besser zu machen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat der Kollege Matthias W. Birkwald für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7446380 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 161 |
Tagesordnungspunkt | Grundrentengesetz |