15.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 28

Wieland SchinnenburgFDP - Arbeitszeit und Prämie in der Pflege

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Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! In diesen Tagen kann man oft hören: Die Pflegekräfte sind die Helden der Coronapandemie. – Das stimmt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die Pflegekräfte sind schon seit Langem die Helden. Schon lange vor Corona haben sie eine tolle Arbeit geleistet. Im Namen der Freien Demokratischen Partei möchte ich mich ausdrücklich bei allen Menschen bedanken, die in der Pflege arbeiten. Sie machen eine tolle Arbeit und sind systemrelevant. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich habe fünf Jahre als Zahnarzt in einem Pflegeheim Bewohner betreut. In dieser Zeit habe ich sehr genau kennengelernt, wie es dort zugeht. Dort wird sehr harte Arbeit geleistet, sowohl körperlich hart als auch seelisch hart, weil man mit Menschen zu tun hat, denen es nicht gut geht. Die Menschen, die dort arbeiten, werden von Bürokratie belastet. Immer mehr Energie wird nicht auf die Pflege verwendet, sondern aufs Häkchenmachen.

Aber, meine Damen und Herren, ich habe festgestellt, dass man aus dem Pflegeberuf auch schöne Dinge ziehen kann. Ich persönlich habe es noch nie erlebt, dass mich ein Computer dankbar angelächelt hat. Ich habe aber schon oft erlebt, dass Menschen, denen es schlecht ging, mich dankbar angelächelt haben, nachdem ich ihnen geholfen habe. Deshalb, meine Damen und Herren: Lassen Sie uns den Beruf des Pflegers nicht schlechtmachen! Das ist ein toller Beruf, der unsere Unterstützung verdient. Das muss immer wieder deutlich gemacht werden.

(Beifall bei der FDP)

Ansonsten müssen wir uns nicht wundern, wenn ihn keiner aufnimmt.

Die FDP hat wiederholt, insbesondere durch die Kollegin Westig, hier und anderer Stelle Vorschläge gemacht, wie wir den Menschen in der Pflege konkret helfen können. Hier ist nicht die Zeit, noch mal alle aufzuführen. Lassen Sie mich daher nur drei Punkte nennen.

Erstens. Der Bürokratieabbau. Menschen, die Pfleger werden wollten, haben das nicht deshalb entschieden, weil sie Formulare ausfüllen wollen, sondern weil sie Menschen helfen wollen.

(Marianne Schieder [SPD]: Es gibt auch Pflegerinnen!)

Darauf müssen wir zurückkommen: dass die Menschen wieder das tun können, was sie eigentlich tun wollten.

(Beifall bei der FDP)

Zweitens. Wir müssen den Personalmangel bekämpfen. Die FDP fordert seit Jahren ein echtes Einwanderungsgesetz. Das bezieht sich nicht nur auf die Pflege, sondern auf alle Berufe, aber eben auch auf die Pflege. Die Bundesregierung wartet. Bis heute ist sie nicht in der Lage. Wir brauchen endlich ein Einwanderungsgesetz. Dann helfen wir auch den Menschen in der Pflege.

(Beifall bei der FDP – Marianne Schieder [SPD]: Oje, oje!)

Der dritte Punkt. Wir müssen die stationäre Pflege entlasten. Das können wir dadurch tun, dass Menschen länger zu Hause bleiben. Dazu brauchen wir entsprechende Technologie; aber vor allem brauchen wir eine verlässliche Kurzzeitpflege. Solange wir die nicht haben, werden wir Menschen viel zu früh in die stationäre Pflege geben und diese überlasten. Lassen Sie uns für eine vernünftige und verlässliche Kurzzeitpflege sorgen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Dies sind alles vernünftige Vorschläge, und noch viele mehr gibt es.

Dann kommt der Antrag der Linken, meine Damen und Herren. Ich bin bestürzt über das, was darin steht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was?)

Sie fordern ernsthaft angesichts des Personalmangels eine Arbeitszeitreduzierung auf 30 Stunden,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zum Schutz der Beschäftigten!)

natürlich mit vollem Lohnausgleich. Dass Sie nicht über Kosten reden, das kennen wir von Ihnen; das lasse ich einmal weg. Ich frage mich nur: Was ist die Folge einer 30-Stunden-Woche von Pflegekräften? Entweder eine enorme Arbeitsverdichtung für die Menschen, die dort arbeiten; das wollen wir doch nicht ernsthaft. Oder Patienten bleiben unversorgt. Meine Damen und Herren, wir als FDP lehnen beides ab.

(Beifall bei der FDP)

Dann fordern Sie ernsthaft eine Gewinndeckelung für private Anbieter. Das ist absolut kontraproduktiv. Ich möchte erreichen, dass es interessant ist, Geld in Pflegeeinrichtungen zu investieren. Wenn Sie eine Gewinndeckelung einführen, geht das Geld woandershin. Die Folgen wollen Sie doch nicht ernsthaft, meine Damen und Herren. Das hört sich sozialistisch gut an, ist aber absolut kontraproduktiv.

Herr Kollege Schinnenburg, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke?

Bitte schön. Von wem?

Frau Kollegin Ferschl.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Danke, Kollege Schinnenburg, dass Sie die Frage zulassen. Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass Sie unseren Antrag insbesondere zum Thema Arbeitszeitverkürzung ablehnen. Ich möchte Folgendes fragen: Sie haben ja die Zahlen gehört und wahrgenommen, dass es eine Zunahme der Infektionen insbesondere im Pflegebereich gibt: Menschen, die Patientinnen und Patienten in der Intensivpflege, die an Corona erkrankt sind, pflegen, infizieren sich selber. Sie haben auch von den Erfahrungen in Wuhan gehört. Das sind übrigens keine neuen Erfahrungen, weil es auch schon andere Studien gibt, die belegen, dass sowohl die Gesundheit der Patienten profitiert als auch natürlich die Gesundheit der Pflegekräfte, wenn die Arbeitszeit sich reduziert. Dazu gibt es Erfahrungen in Schweden mit Modellprojekten; in Österreich wird über eine Arbeitszeitverkürzung diskutiert.

Wenn Sie diese beiden Erkenntnisse haben, dass die längere Arbeitszeit zu mehr Infektionen beim Pflegepersonal führt, was ist denn dann Ihre Antwort darauf, wie Sie damit umgehen wollen? Da können Sie doch nicht tatenlos zusehen, wie die Arbeitszeit verlängert wird. Dann machen Sie bitte einen konkreten Vorschlag, wie Sie mit dieser Situation umgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin, zunächst einmal bin ich sehr dafür, alle Maßnahmen zu ergreifen, die sowohl Patienten als auch Pflegepersonal schützen. Da gibt es eine ganze Menge Möglichkeiten.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel?)

Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt. Es wäre ja schön, die Arbeitszeit zu reduzieren, wenn wir 50 000 Pfleger auf der Straße stehen hätten, die wir einstellen könnten, um die Lücken zu schließen; dann können wir das vielleicht machen. Es gibt aber jetzt einen großen Personalmangel. Dann zu sagen: „Wir kürzen die Arbeitszeit der wenigen, die da sind“, das ist absolut kontraproduktiv und nützt übrigens auch nichts bei der Frage des Schutzes vor Infektionen. Das ist völlig falsch.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der dritte Punkt, den ich erwähnen wollte: Sie kommen ernsthaft auf die Idee, eine Einheitsprämie, eine Coronaprämie, zu zahlen. Die vollzeitbeschäftigte Fachpflegekraft soll das Gleiche erhalten wie die teilzeitbeschäftigte Reinigungskraft. Ja, das gab es noch nicht einmal in der DDR, diese Einheitslöhne. Das ist doch absolut kontraproduktiv. Sagen Sie das einmal einer Fachkraft! Die werden Ihnen was dazu erzählen, wenn sie so gleichbehandelt werden sollen. Auch diesen Punkt lehnen wir ab.

Ich fasse zusammen. Was die Menschen in der Pflege brauchen, sind konkrete Hilfen. Was sie nicht brauchen, sind linke Eiferer, die sie vor ihren Karren spannen wollen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: „Eiferer“! Das ist ein sachlicher Antrag!)

Um es kurz zu sagen: Die Menschen in der Pflege brauchen die FDP, aber nicht die Linken.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Darüber entscheiden zum Glück die Wählerinnen und Wähler!)

Das stimmt, das entscheiden die Wählerinnen und Wähler. Insofern ist diese Aussage in sich selbst konsistent.

Die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist die Kollegin Dr. Kirsten Kappert-Gonther.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7446398
Wahlperiode 19
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Arbeitszeit und Prämie in der Pflege
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