15.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 161 / Zusatzpunkt 11

Sebastian MünzenmaierAfD - Coronahilfen für die Reisewirtschaft

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „ Coronahilfen für die Reisewirtschaft“: Als ich den Titel Ihres Antrags gelesen habe, war ich gespannt auf die innovativen Lösungen, die Sie ja immer versprechen. Ich war sehr gespannt – und dann habe ich Ihren Antrag gelesen.

(Dr. Marcel Klinge [FDP]: Lesen und verstehen!)

Aber betrachten wir zuerst mal die Ausgangslage. Sie haben vollkommen recht: Die deutsche Reisewirtschaft liegt am Boden. Laut dem Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft sind durch die Coronakrise rund 1 Million Beschäftigte im Reise- und Gastgewerbe akut von Arbeitslosigkeit bedroht. 70 Prozent der Beschäftigten sind jetzt schon in Kurzarbeit. Nach einer Umfrage des Deutschen Reiseverbandes stehen zwei Drittel aller Unternehmen der deutschen Reisewirtschaft unmittelbar vor der Insolvenz. Ich gebe Ihnen auch recht: Ja, diese Menschen brauchen jetzt unsere Hilfe. Und: Ja, die Bundesregierung hat hier versagt. Auch das ist unzweifelhaft; ich gebe Ihnen vollkommen recht.

Aber wir diskutieren heute ja nicht das Versagen der Bundesregierung, sondern wir diskutieren Ihren konkreten Antrag. Deswegen: Schauen wir uns mal an, was Sie konkret fordern.

Sie fordern zum Beispiel, dass die Regierung Unternehmen und Verbraucher über geplante Hilfsmaßnahmen aufklärt. Es ist, ehrlich gesagt, eine absolute Binsenweisheit, dass eine Regierung über die eigenen Maßnahmen aufklärt. Für diese Erkenntnis hätte es die FDP nicht gebraucht. Das kriegen vielleicht sogar noch die Koryphäen auf der Regierungsbank halbwegs hin.

(Beifall bei der AfD – Roman Müller-Böhm [FDP]: Da steht ja noch viel mehr drin!)

Der Punkt des Antrags war schon mal nichts, Herr Dr. Klinge. Aber vielleicht landen Sie ja beim nächsten Punkt Ihres Antrags einen Treffer.

Thema Reisegutscheine. Wir alle wissen es, und viele Menschen draußen haben es in den Nachrichten mitverfolgt: Die Bundesregierung wollte den Reiseveranstaltern erlauben, Urlaubern, deren Reise wegen des Coronavirus storniert wurde, statt der Reisepreiserstattung nur einen Gutschein in die Hand zu drücken, und sie dann auch noch darauf verpflichten, diesen anzunehmen. Das hat die EU-Kommission nicht mitgemacht und der Bundesregierung mitgeteilt, dass diese Zwangsgutscheine gegen europäisches Recht verstoßen.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Das ist auch richtig so!)

– Das sieht auch die FDP-Fraktion so; Herr Müller-Böhm nickt. Sie haben es ja auch im Ausschuss betont. – Ich zitiere, mit Erlaubnis des Präsidenten, auch noch mal den EU-Justizkommissar, der gesagt hat:

Nach EU-Recht haben Verbraucher die Wahl, ob sie einen Gutschein akzeptieren oder eine Rückerstattung bevorzugen.

Die Rechtslage ist also vollkommen klar, und die Bundesregierung hat auch hier versagt.

Aber jetzt die Frage an die FDP-Fraktion – erklären Sie mir das bitte mal! –: Wieso will Ihre papierlose Fraktion, worauf Sie ja immer so stolz sind, hier einen Riesenbürokratieaufwand betreiben und ein neues Gesetz verabschieden – das fordern Sie in Ihrem Antrag –, das exakt das erlaubt, was heute schon Rechtslage ist und erlaubt ist?

(Dr. Marcel Klinge [FDP]: Nein, das stimmt nicht!)

Das ist, ehrlich gesagt, absoluter Quatsch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD – Roman Müller-Böhm [FDP]: Es geht auch um Rechtssicherheit!)

Ich fasse noch mal zusammen: In einem Punkt fordern Sie de facto gar nichts, und in den zwei anderen Punkten, die ich gerade angesprochen habe, fordern Sie Dinge, die sowieso schon Rechtslage sind. – Wenn ich jetzt wohlwollend wäre, könnte ich sagen: Sie machen zumindest nichts kaputt; da ist die Bundesregierung schlimmer. Aber weiterhelfen tun Sie als FDP-Fraktion auch keinem.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Wirtschaftsstabilisierungsfonds! Lesen Sie mal zu Ende!)

Einen Punkt, den Sie eben auch angesprochen haben, habe ich noch vergessen: Sie fordern eine „Arbeitsgruppe Tourismuskonzept Corona“. Herzlichen Glückwunsch! Wenn man nicht mehr weiterweiß, gründet man einen Arbeitskreis.

(Zurufe von der FDP)

Und auch für Sie noch mal als Nachhilfe: Diese Forderung ist natürlich insbesondere dann sinnvoll, wenn es genau diesen Arbeitskreis schon gibt, in dem die Branche, in dem die Politik und die Wissenschaft zusammenarbeiten. Der heißt zwar nicht „Arbeitsgruppe Tourismuskonzept Corona“, sondern nennt sich Tourismusbeirat, und den gibt es schon, meine Damen und Herren. Also auch diesen Punkt Ihres Antrags können wir leider getrost streichen.

Das heißt, werte, geschätzte Kollegen der FDP-Fraktion – Sie merken es ja selbst; ich sehe es in Ihren Gesichtern –:

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Da interpretieren Sie unsere Gesichter aber nicht richtig! Fassungslos ob der Rede!)

Dieser Antrag war wohl nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Lachen bei der FDP)

Aber wir wollen ja gemeinsam in die Zukunft schauen. Deshalb lassen Sie uns doch darüber sprechen, was die deutsche Reisewirtschaft wirklich braucht.

(Markus Tressel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben Ihnen doch was vorgelegt!)

Die deutsche Reisewirtschaft braucht Umsatz. Und wie sorgt man für Umsatz? Im Auslandstourismus sorgt man dafür, indem man die pauschale weltweite Reisewarnung jetzt aufhebt und im Einzelfall danach entscheidet, wie sich die Situation in den jeweiligen Reiseländern darstellt. So würde man der Reisewirtschaft helfen. Sie haben es kurz angesprochen; in Ihrem Antrag steht davon leider wieder nichts.

(Zuruf von der FDP: Tomaten auf den Ohren!)

Wie sorge ich im Inland für Umsatz? Indem man endlich diesen Shutdown komplett beendet, indem man Hotels, Restaurants und andere Tourismusangebote wieder öffnet, und zwar komplett öffnet. Wir haben das am 7. April als Erste gefordert. Am 23. April habe ich hier an dieser Stelle Sie alle dazu aufgefordert, den Menschen ihre Freiheit und ihre berufliche Perspektive wieder zurückzugeben. Auch Sie als FDP-Fraktion haben das abgelehnt. Stattdessen wollen Sie also einen Arbeitskreis gründen und die gültige Rechtslage noch mal feststellen.

Ehrlich gesagt, das ist ein bisschen schwach, aber ich bin mir sicher: Diesen Nonsens wird Ihnen die deutsche Reisewirtschaft nicht vergessen und es bei der nächsten Wahl bedenken.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Markus Tressel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Müsst ihr mal selber was vorlegen! – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Das entscheiden die zum Glück noch selbst!)

Das Wort hat die Kollegin Gabriele Hiller-Ohm für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So Gabi, stell das mal richtig!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7446426
Wahlperiode 19
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Coronahilfen für die Reisewirtschaft
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