Alexander UlrichDIE LINKE - Aktuelle Stunde – wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Altmaier, Sie haben als Erster geredet. Möglicherweise war es Ihre Idee, eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Es wäre aber vielleicht auch sinnvoll gewesen, als Wirtschaftsminister eine Regierungserklärung abzugeben in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.
(Beifall des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE])
Aber wenn Sie dazu heute etwas sagen wollten, so muss ich feststellen, dass Ihre Rede sehr enttäuschend war.
(Beifall bei der LINKEN)
Millionen Menschen da draußen wissen nicht, wie es nach dem Soforthilfeprogramm weitergehen soll, und von Ihnen kein Satz dazu. Sie sagen: „Wir machen ein Konjunkturpaket“; Sie sagen aber in keinem Satz, was die Inhalte dieses Konjunkturpaketes sind, sondern nennen nur die Überschrift.
Dann laden Sie auch noch den Bundestag ein, mitzumachen. Doch heute Morgen im Wirtschaftsausschuss kamen über die Parlamentarische Staatssekretärin keine konkreten Vorschläge dazu, was denn nächste Woche beschlossen werden soll und wie sich der Bundestag beteiligt. Ich sage Ihnen: Ihre Rede heute war eine große Enttäuschung und wird den Notwendigkeiten dieses Landes nicht gerecht.
(Beifall bei der LINKEN)
Dann beginnen Sie Ihre Rede mit einem Dank an die vielen Helden des Alltags, auch an die Menschen im Gesundheitswesen; aber aus Ihrer Partei, Ihrer Fraktion, kommen dann Vorschläge wie: Man soll den Mindestlohn absenken
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Pfui!)
oder die Mindestlohnerhöhung verschieben und auch die Einführung der Grundrente verschieben. Ich finde: Wer mit den Helden des Alltags so umgeht wie Ihre Partei, Ihre Fraktion, der sollte sich schämen, hier nochmals Dank diesen Menschen auszusprechen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie haben die Lufthansa angesprochen. Auch wir sagen: Ja, ein Unternehmen mit mehr als 100 000 Beschäftigten muss gerettet werden. Aber die Frage ist immer: Wie wird ein Unternehmen gerettet? Man hat manchmal den Eindruck, dass die Lufthansa Deutschland rettet und nicht umgekehrt. Wir lassen uns von der Lufthansa diktieren, zu welchen Bedingungen eine Rettung stattzufinden hat. Für uns als Linke ist klar: Eine Rettung muss einhergehen mit Beschäftigungssicherung. Darauf zu verzichten, ist eigentlich ein Skandal für den Steuerzahler.
(Beifall bei der LINKEN)
Dass man auch keinen Einfluss nehmen will! Die Lufthansa ist an der Börse noch etwas mehr als 4 Milliarden Euro wert. 9 Milliarden Euro sollen wir für die Rettung in die Hand nehmen, aber auf Mitsprache verzichten. Wir dulden also auch in Zukunft, dass die Lufthansa Gewinne in Steueroasen verschieben kann.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist Quatsch!)
Der Steuerzahler soll zwar die Lufthansa retten; aber wir akzeptieren, dass die Lufthansa weiterhin den Steuerzahler abzockt. Das kann doch nicht wirklich von dieser Bundesregierung unterstützt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Was wir jetzt tatsächlich brauchen, ist ein Zukunftsinvestitionsprogramm. Wir als Linke haben schon vor der Coronakrise gesagt: Wir müssen in die Zukunft investieren. Wir brauchen dafür auch keine schwarze Null, eine Schuldenbremse; denn das Land ist schon vorher auf Verschleiß gefahren. Wir brauchen Investitionen in die Gesundheit, in die Bildung, in die Infrastruktur. Wir brauchen auch Investitionen in erneuerbare Energien und deren Ausbau. Jetzt muss Geld in die Hand genommen werden. Deshalb: Machen Sie ein Konjunkturpaket, mit dem man in die Zukunft investiert, und kein Strohfeuer für wenige Monate!
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Claudia Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Herr Altmaier, ich muss Sie enttäuschen: Heute Morgen war kein Experte da, noch nicht einmal einer derjenigen, die Ihre Fraktion vorgeschlagen hat, keiner, der gesagt hat, man solle der Automobilindustrie mit einer Abwrackprämie 2.0 helfen. Deshalb: Hören Sie auf, an diesen Ideen weiterzuarbeiten! Wir brauchen Investitionen in die Mobilitätswende. Wir brauchen Investitionen, die die Transformation der Automobilindustrie hin zu mehr E-Mobilität gestalten können. Dafür braucht es vielleicht Hilfe, aber keine Abwrackprämie 2.0.
(Beifall bei der LINKEN)
Jedes Konjunkturpaket wird verpuffen, wenn wir nicht an das Problem der Kommunen herangehen. Wir brauchen Aktionen auf allen staatlichen Ebenen, und wenn Sie hier eine Aktuelle Stunde beantragen, dann ist es auch wichtig, darüber zu reden, wie wir die Kommune als wesentliche staatliche Ebene mit einem Konjunkturprogramm zum Laufen bringen. Deshalb braucht es endlich eine Lösung der Altschuldenproblematik. Wir als Linke haben schon vor der Coronakrise gesagt: Wir brauchen einen Altschuldenfonds.
Herr Post, wenn Sie sagen: „Wir machen das“, dann nehme ich Sie beim Wort. Machen Sie es endlich! Zeigen Sie der Bundesregierung mal, dass die SPD mit dabei ist! Verhandeln Sie es! Wir brauchen einen Altschuldenfonds für die Kommunen; denn wenn wir diesen haben, dann braucht es auch kein Konjunkturpaket.
(Beifall bei der LINKEN – Bernhard Daldrup [SPD]: Das ist ganz falsch!)
Wir als Linke haben Ihnen auch schon vor der Coronakrise gesagt: Wir brauchen Investitionen. Dabei müssen Sie nicht unsere Ideen übernehmen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und der BDI haben den tollen Vorschlag gemacht, dass man jährlich zusätzliche Investitionen von 45 Milliarden Euro organisieren müsste, um dieses Land fit für die Zukunft zu machen. Der DGB hat heute Morgen in der Anhörung gesagt: An der Aktualität dieser Notwendigkeit hat sich auch durch Corona nichts verändert.
Deshalb: Schauen Sie sich das Papier von DGB und BDI an. Das sind ja zwei Organisationen, die nicht jeden Tag partnerschaftlich zusammenarbeiten. Wenn die schon mal auf so eine tolle Idee kommen, Herr Altmaier, und Sie sie aufnehmen würden, dann hätten Sie auch mehr zu sagen als das, was Sie heute gesagt haben, dann hätten Sie schon viel Griffiges gehabt, was man nächste Woche beschließen könnte.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist wichtig, dass wir aus dieser Krise mit mehr guter Arbeit herausgehen. Deshalb muss der Mindestlohn auch schnell auf 12 Euro erhöht werden. Wir brauchen mehr flächendeckende Tarifverträge, eine Allgemeinverbindlichkeit. Ein Staat, der hilft, muss von jedem Unternehmen verlangen, dass die Beschäftigung gesichert wird, auch bei der Lufthansa.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Claudia Müller für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7448130 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 162 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise |