Bernd WestphalSPD - Aktuelle Stunde – wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was die Regierung an Politik und Maßnahmen einleitet, Herr Kotré, ist nicht grob fahrlässig, sondern grob fahrlässig ist es, wenn man Ihnen die Stimme gibt. Wir können froh sein, dass Sie keine Regierungsverantwortung tragen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die aktuelle Krise – das zeigt sich in Dimension und Form – stellt Wirtschaft, Gesellschaft und Politik vor enorme Aufgaben. Bei allem Vertrauen auch in die Marktkräfte, was Innovation angeht, kommt es jetzt darauf an, ausgehend von staatlichen Impulsen und einem handlungsfähigen Staat eine Neubelebung der Wirtschaft zu organisieren.
Herr Kollege Theurer, Sie haben die Lufthansa angesprochen. Wenn Sie die Tickermeldung richtig lesen, dann merken Sie: Es geht darum, dass die Lufthansa ihre Entscheidung im Aufsichtsrat verschoben hat, weil die Europäische Kommission Prüfkriterien anlegt, die neu bewertet werden müssen. Es geht dabei aber nicht um den Rettungsschirm, den die Regierung hier auf den Weg gebracht hat. Das will ich nur noch mal korrigieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulli Nissen [SPD]: Lesen bildet! – Michael Theurer [FDP]: Die Lufthansa hat eine andere Lösung vorgeschlagen! Das wissen Sie!)
Es geht jetzt mithilfe eines Konjunkturpakets darum, dass wir unsere Basis für Wirtschaft und eine solidarische Gesellschaft sichern. Die SPD hat Kompetenzen, diese wirtschaftliche Dynamik mit sozialer Gerechtigkeit und vor allen Dingen auch mit dem Schutz der Umwelt zu verbinden.
Das jetzt notwendige Konjunkturpaket muss mehrere Aspekte miteinander verbinden. Deshalb geht es zunächst um die Stärkung der Nachfrage. Wie macht man das? Natürlich mit gut bezahlten Arbeitsplätzen, mit – am besten – tarifgebundenen Arbeitsplätzen, indem wir zum Beispiel mit einem Schutzpaket für die Arbeitsplätze oder
(Zuruf von der LINKEN: 12 Euro Mindestlohn!)
mit Kurzarbeitergeld für Kaufkraft sorgen, indem wir mit Soforthilfen für Liquidität in den Unternehmen sorgen und mit den Unternehmenskrediten die Arbeitsplätze sichern. Das sind wichtige Impulse, die dafür sorgen, dass die Leute Geld im Portemonnaie haben und konsumieren können. Das, was an Vorschlägen für den Mindestlohn hier von einer Fraktion kam – muss ich sagen –, hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun; das ist unchristlich, unsozial und ökonomisch völlig unsinnig.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Was wir jetzt brauchen, ist natürlich auch eine Wertschätzung von Arbeit. Das, was wir hier mit der Bezeichnung „systemrelevant“ für den Bereich von Pflege und Gesundheit formuliert haben, muss auch Veränderungen verursachen bei den Arbeitsbedingungen, bei der Ausgestaltung von Arbeitsplätzen in dem Pflege- und Gesundheitsbereich.
Aber natürlich sind auch Investitionen in Bildung – Stichwort: Fachkräftepotenzial – erforderlich. Gerade jetzt, wo der Transformationsprozess und der Wandel der Arbeitswelt positiv mit Qualifizierung unterstützt werden müssen, müssen wir in einem Konjunkturpaket entsprechende Maßnahmen verankern. Mit Blick auf die jetzige Situation von jungen Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen, muss die Wirtschaft alle Anstrengungen unternehmen; wir müssen mit einem Pakt für Ausbildung dafür sorgen, jungen Menschen eine Perspektive in der beruflichen Ausbildung zu organisieren.
(Beifall bei der SPD)
Der zweite Punkt ist: Stärkung der Investitionstätigkeit, und zwar öffentlich wie auch privat. Diese Investitionen müssen natürlich auch Aspekte des Klimaschutzes, der Digitalisierung und der nachhaltigen Transformation in unserer Volkswirtschaft unterstützen. Da gibt es Bereiche wie zum Beispiel die Energiewirtschaft. Wir haben durch die Energiewende enorme Impulse an Investitionen, die auf dem Markt schon sichtbar sind. Wir haben mit dem Ausbau der Windenergie, mit Solarenergie, aber auch mit Speichern, mit Netzen, mit Digitalisierung in der Energiewende, mit Steuerung enormes Potenzial, hier Technologien zu entwickeln, die bei der Bewältigung des globalen Problems des Klimawandels helfen. Und deshalb brauchen wir Investitionszuschüsse, auch für Industrien, die im Wandel sind; auch die steuerliche Forschungsförderung kann ausgebaut werden. Wir brauchen bessere Abschreibungsbedingungen. Der Hochlauf von Wasserstoff zum Beispiel könnte mit einer guten Regulatorik organisiert werden, und auch niedrige Strompreise könnten im privaten, aber auch im wirtschaftlichen Bereich für Impulse sorgen.
Was unsere Schlüsselindustrien angeht, brauchen wir natürlich intelligente Lösungen. Deshalb brauchen wir für einen Kernbereich der deutschen Industrie, die Automobilindustrie, sicherlich mehr als nur eine Abwrackprämie; vielmehr brauchen wir hier eine stabile Brücke für die Beschäftigten in diesem Bereich und Mobilitätskonzepte für das 21. Jahrhundert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Was öffentliche Investitionen in die Infrastruktur angeht: Dazu gehören sicherlich 5G und Digitalisierung, aber auch die Voraussetzung, dass wir mit Glasfaser und einer europäischen Cloud-Infrastruktur für Impulse in der Industriepolitik sorgen.
Neben Nachfrage, Investition und Transformation geht es der SPD vor allen Dingen auch um die Stärkung der sozialstaatlichen Struktur und der Daseinsvorsorge. Deshalb ist ein Programm für Kommunen absolut der richtige Weg; das sichert den sozialen Zusammenhalt und auch die ökonomische Basis. Und deshalb ist es richtig, dass in diesem Konjunkturprogramm auch Eltern und Kinder unterstützt werden und auch, wie gesagt, die kommunale Basis. Wir haben den Anspruch, dass keiner zurückbleibt. Gandhi hat mal gesagt: „Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun.“ Deshalb: Arbeiten Sie mit an einem wirkungsvollen Konjunkturprogramm.
Herzlichen Dank! Glück auf!
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Klaus-Peter Willsch.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7448134 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 162 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise |