Bernhard DaldrupSPD - Aktuelle Stunde – wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich sage mal ganz zu Anfang: Wenn man schon Luther zitiert, dann muss man wenigstens so viel Mut haben, deutsche Sprache auch zu reden. Von „Hintern“ hat er nicht gesprochen. – Egal.
(Heiterkeit)
Ebenso entschlossen, wie wir gegen die Ausbreitung der Coronapandemie tätig geworden sind, müssen wir jetzt auch geschlossen handeln, wenn es darum geht, Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung auf allen staatlichen Ebenen zu setzen.
Ich sage mal an dieser Stelle: Dazu braucht man neben all der Hilfen für Branchen, neben all der Hilfe für einzelne Berufsgruppen einen funktionierenden Staat. Man braucht dabei einen starken Staat, sonst wird das alles nicht gelingen. Wenn das eine solche Gemeinschaftsaufgabe ist, dann haben die Kommunen dabei eine ganz zentrale Rolle – darüber will ich gleich sprechen, Herr Willsch; Sie werden sich wundern –; denn 60 Prozent der öffentlichen Investitionen werden durch die Kommunen getätigt: in kommunale Einrichtungen, in Straßen, in Kitas und in soziale Einrichtungen. Im Übrigen sind die Kommunen der Ort des sozialen Zusammenhaltes in unserer Gesellschaft, Heimat im besten Sinne. Wenn wir das alles wieder organisieren wollen, ist Heimat, ist sozialer Zusammenhalt eine Produktivkraft in diesem Land, die wichtig ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Folgen der Coronapandemie gefährden die Kommunen unmittelbar: fast 16 Milliarden Euro weniger Steuern laut der Steuerschätzung, davon alleine 12 Milliarden Euro weniger Gewerbesteuern im Vergleich zum letzten Jahr. Die Folge: unmittelbare Betroffenheit bei den Kommunen. Der Vorschlag des Bundesfinanzministers Olaf Scholz, den Kommunen die Gewerbesteuerausfälle jeweils zur Hälfte mit den Ländern zu erstatten – einige machen das schon jetzt –, ist genau die richtige Antwort auf die Herausforderungen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es ist wirksam; es ist schnell umsetzbar; es ist nachvollziehbar. Es geht ohne Gängelung der kommunalen Selbstverwaltung. Es sichert kommunale Liquidität. Alles das, richtig, geht auf keinem anderen Weg schneller. Es ist also vernünftig.
(Beifall bei der SPD)
Jetzt gibt es darüber hinaus eine ganze Reihe praktischer Vorschläge; heute sind auch welche genannt worden. Von den Ländern werden noch einige dazukommen. Ich persönlich begrüße auch sehr die Vorschläge unserer Bundesumweltministerin in ihrem eigenen Programm, weil sie viele zukunftsorientierte Projekte im Bereich des ÖPNV, der Wasserstoffstrategie und ähnlicher Dinge mehr beinhalten. Wir müssen uns auch darum kümmern, dass unsere Städte wieder lebendig werden, der Handel darin wieder lebendig wird usw.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
In Verbindung mit diesen zukunftsweisenden Projekten ist der Vorschlag von Olaf Scholz zur Erstattung der Gewerbesteuerausfälle besonders überzeugend. Er ist, Herr Kollege Ulrich, nicht das Konjunkturprogramm, aber er ist ein wichtiger, zentraler Bestandteil des Programms.
Wir haben das deshalb sehr intensiv mit der Wissenschaft diskutiert. Wir haben mit Professor Truger vom Sachverständigenrat darüber gesprochen, mit Professor Horn, mit Professor Junkernheinrich – er wird vielen von den Regionalanalysen ein Begriff sein – und selbstverständlich mit Professor Carsten Kühl, dem Direktor des Deutschen Instituts für Urbanistik. Alle diejenigen, die in der Wissenschaft tätig sind, halten genau diesen Weg für den richtigen.
Und nicht nur die halten diesen Weg für richtig: auch der ZDH, selbstverständlich auch der Oberbürgermeister der Stadt Hamm, der Landesvorsitzender der KPV in NRW ist, also der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU, natürlich die Oberbürgermeister aus der SPD sowieso. Selbstverständlich ist das Bündnis „Raus aus den Schulden“, das 70 Kommunen in neun Bundesländern umfasst, uneingeschränkt für diesen Vorschlag, sowohl was die Gewerbesteuer als auch was die Frage angeht, was denn eigentlich mit der Altschuldenhilfe sein soll. Dazu gehören übrigens auch – das habe ich vergessen – Herr Landsberg vom Städte- und Gemeindebund und der Kollege Brändle von der CSU. Auch die alle halten das für vernünftig, Herr Brehm. Sie werden das noch mal bestätigen können; vielen Dank schon jetzt dafür.
Also, warum sollten Bund und Land diesen Weg nicht beschreiten, zumal – ich will das an dieser Stelle betonen – alle, die ich hier zitiert habe, auch den zweiten Teil des Scholz-Vorschlages, nämlich die hälftige Übernahme der Kassenkredite von insgesamt 45 Milliarden Euro, ausdrücklich unterstützen? Es geht dabei nämlich gar nicht um neue Schulden; die Schulden sind ja schon da. Es geht darum, dass der Bund gemeinsam mit den Ländern den größten Teil dieser Schulden übernimmt und die Kommunen wieder handlungsfähig macht. Das ist der zentrale Punkt. Es geht überhaupt nicht darum, dass Länder, die nicht betroffen sind, die Schulden der Kommunen anderer Bundesländer übernehmen. Das sagt nicht nur Herr Söder bewusst falsch, sondern Sie, Herr Willsch, sagen es auch falsch, weil Sie es vielleicht nicht wissen. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass derjenige, der sich verweigert, nichts davon hat, aber diejenigen, die es brauchen, dadurch nichts bekommen. Er schadet den anderen. Das ist der Punkt, um den es jetzt geht. Wir können sonst nämlich die Investitionsfähigkeit der Kommunen nicht ausweiten, weil die überschuldeten Kommunen das nicht können. Denn sie benötigen ihre Handlungsspielräume.
Ich will an dieser Stelle auch mal sagen: Einige hier im Haus kommen aus Ländern, deren Kommunen die geringsten Schulden haben, die höchsten Rücklagen haben, obwohl sie geringe Gewerbesteuereinnahmen haben, und zwar deswegen, weil ihnen in den letzten drei Jahrzehnten solidarisch mit Milliardenbeträgen geholfen worden ist. Ich will das gerne konkretisieren. Aber mir geht es nicht darum, Gegensätze aufzubauen, sondern darum, Hürden zu überwinden. Das ist mein entscheidender Punkt.
(Beifall bei der SPD)
Ich sage Ihnen an dieser Stelle noch mal ganz deutlich: Es geht auch nicht darum, es sozusagen verfassungsrechtlich einfach nur den Ländern zuzuschieben. Wir können das gerne machen; in Nordrhein-Westfalen will ich es gerne Herrn Laschet sagen, so wie Sie es früher immer bei Rot-Grün gemacht haben. Rot-Grün hat übrigens gehandelt. Als Erste hatten sie seinerzeit einen Schuldenpakt aufgelegt. Andere Länder machen es auch. Aber es ist eben nicht hinreichend. Wenn es eine gemeinschaftliche Aufgabe des Staates insgesamt ist, dann ist es auch Aufgabe des Bundes, bei der verfassungsrechtlichen Aufgabe zur Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen erst recht in der Folge der Bewältigung einer solchen Krise gemeinschaftlich zu helfen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich kann nur davor warnen, sozusagen in Plattitüden zu verfallen und es den Kommunen zuzuschieben, als könnten sie mit dem Geld nicht umgehen. Sie wissen ganz genau, in welchen schwierigen Situationen sie gewesen sind. Ich kann das leider aus zeitlichen Gründen –
Sie müssen zum Schluss kommen, Herr Kollege.
– nicht mehr ausführen, will aber an dieser Stelle sagen: Wir müssen darauf achten, gemeinschaftlich den Verfassungsauftrag zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu erfüllen. Deswegen appelliere ich an alle, in den weiteren Beratungen den Kommunalen Solidarpakt 2020 des Bundesfinanzministers zu unterstützen. Wir jedenfalls stehen an der Seite der Kommunen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Sebastian Brehm für die Fraktion der CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7448136 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 162 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise |