Christoph HoffmannFDP - Corona-Moratorium für Entwicklungshilfe
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 1990 haben Freihandel und Globalisierung die Anzahl der Armen von 2 Milliarden auf 630 Millionen gesenkt.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja, ja! Wer’s glaubt!)
Statt 36 Prozent sind nur noch 8 Prozent der Weltbevölkerung in Armut.
Der globale Shutdown scheint diese Erfolge jetzt aber zum Zusammenbruch zu bringen. Die Hotels sind zu, die Nähereien sind zu, es gibt keine Aufträge mehr aus Europa, und die Menschen gehen in die Arbeitslosigkeit. Doch in den Staaten des globalen Südens gibt es keine Kurzarbeit, kein Homeoffice, kein Arbeitslosengeld und auch keine Sozialhilfe. Die Menschen dort fallen nicht weich, sondern sie fallen hart.
Die Tagelöhner, die von der Hand in den Mund leben, stehen vor dem Nichts, vor dem Aus. Normalerweise helfen ihre Verwandten im In- und Ausland ihnen, über die Runden zu kommen, aber jetzt sind auf einmal alle betroffen. Alle haben kein Einkommen mehr, und auch die Rücküberweisungen aus Europa in die EZ-Länder von Leuten, die hier arbeiten, werden dieses Jahr drastisch sinken.
Für viele Menschen geht es mit dem Shutdown auf null Einkommen, und null Einkommen bedeutet Hunger. Das ist existenziell. Gleichzeitig steigen die Nahrungsmittelpreise im globalen Süden. Um etwa 20 Prozent sind sie schon gestiegen. In Ostafrika fressen sich Trillionen von Heuschrecken durch die Felder und ersticken die dortige Selbstversorgung. Das Welternährungsprogramm spricht von Hungersnöten in biblischem Ausmaß. Alleine in Westafrika sind 50 Millionen Menschen vom Hunger bedroht.
Und damit nicht genug: Der Shutdown unterbricht die Gesundheitsversorgung. Viele Impfungen können nicht durchgeführt werden. Drei Monate ohne Impfungen bedeuten 500 000 Tote allein durch Tuberkulose.
Deshalb ist völlig klar, dass die Entwicklungsstaaten einen Shutdown ohne unsere Hilfe niemals länger durchstehen können, und deshalb müssen wir helfen.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Trotz dieser verheerenden Notlage, die ich eben geschildert habe, mit Millionen Toten in Aussicht, fordern Sie hier, Herr Frohnmaier, Herr Friedhoff, Herr Oehme, Herr Weyel, Herr Gauland, Frau Weidel – Sie alle haben das unterzeichnet –, doch tatsächlich, die Entwicklungsgelder in unserer wohlhabenden Gesellschaft zu behalten. Sie versuchen hier, einen ganz billigen Punkt zu machen, und Sie zeigen Ihre hässliche, nationale und auch – wir haben es eben gehört – sozialistische Fratze. Sie wollen den Ärmsten der Armen noch was wegnehmen. Wie armselig ist denn das?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Markus Frohnmaier [AfD]: Sagen wir doch gar nicht!)
Das ist in etwa so, als ob Sie einem Bettler in der Fußgängerzone den Hut wegkicken, das Geld herausnehmen und sich dafür Klopapier kaufen, von dem Sie schon genug Vorrat haben.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie reißen mit Ihrem Antrag die Latte der menschlichen Kultur. Menschenrechte und Errungenschaften der Zivilisation sind Ihnen offensichtlich völlig egal; sie sind Ihnen völlig fremd.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Seien Sie sich meiner persönlichen Verachtung und der Verachtung vieler hier im Saal sicher!
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Dagmar Ziegler für die SPD.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7448156 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 162 |
Tagesordnungspunkt | Corona-Moratorium für Entwicklungshilfe |