27.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 162 / Tagesordnungspunkt 5

Dagmar ZieglerSPD - Corona-Moratorium für Entwicklungshilfe

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Allgemeinen sagt man ja: Was lange währt, wird gut. – Die AfD hat diesen Antrag ja schon für die letzte Sitzungswoche angekündigt, aber zu mehr, als für ihren YouTube-Kanal wieder irgendwelchen Wischwasch zu schreiben, hat es wieder mal nicht gereicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Coronapandemie ist nicht allein eine nationale Herausforderung für Deutschland, sondern eine globale, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Die Folgen der Pandemie und der ergriffenen Maßnahmen sind bereits für uns Industriestaaten eine enorme Belastung, wie wir alle spüren. Aber für viele Entwicklungsländer sind sie kaum oder gar nicht ohne Hilfe von außen zu bewältigen. Das betrifft nicht nur die unmittelbaren gesundheitlichen Folgen der Pandemie. Die Gesundheitssysteme dieser Länder sind zu schwach, um dem zu begegnen. Viele Menschen dort sind außerdem durch Mangelernährung und Vorerkrankungen besonders anfällig für eine Infizierung.

Auch wenn die von Ihnen in Ihrem Antrag – in Anführungszeichen – geschilderten gravierenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Coronapandemie für Deutschland selbstverständlich sehr ernst zu nehmen sind und wir bereits alles Erdenkliche tun, um diesen zu begegnen, dürfen wir weder darauf hoffen, dass das Virus an den Grenzen haltmacht, noch dürfen wir vergessen, dass die Menschen außerhalb Deutschlands zu uns auf diesem Planeten gehören.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie nennen die Aufwendungen der Entwicklungszusammenarbeit „unwesentlich“ und fordern „keine Neuzusagen für die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit“. Und nicht nur das! Sie wollen die Entwicklungszusammenarbeit auf null fahren und aufgebaute Strukturen zerstören.

(Markus Frohnmaier [AfD]: Stimmt doch gar nicht!)

Sie bezeichnen einen Großteil der Entwicklungsleistungen als „sozioökonomisch fragwürdige und soziokulturell bedenkliche Ausgaben“.

(Zuruf von der AfD: Genau!)

– Ja. Geben Sie es doch zu! – Die AfD will es zulassen, dass ohnehin fragile Regionen und Staaten durch Hunger, Unruhen, Gewalt und Terror noch instabiler werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Harald Weyel [AfD]: Die Abhängigkeit beenden!)

Das könnte auch zu erwartende neue Fluchtbewegungen verstärken, und auch deshalb brauchen wir eine weltweite Solidarität und nicht den nationalen Rückzug.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deren Geschäftsmodell!)

Sie fordern eine maximale Kürzung von vermeintlich verzichtbaren Maßnahmen und sogenannten Luxusausgaben. Bitte nennen Sie mir irgendjemanden in diesen Ländern, der von diesem Luxus leben könnte!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Über die kaum zu bewältigenden gesundheitlichen Herausforderungen hinaus besitzen die Entwicklungsländer auch kaum ausreichende finanzielle Liquidität, um die zu erwartenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie zu stemmen. So weit, mal darüber nachzudenken, was danach käme, reicht es in Ihrem Antrag gar nicht.

(Dr. Harald Weyel [AfD]: Es geht um Sachleistungen!)

Es droht damit eine nicht abzuschätzende langfristige Beeinträchtigung der Zukunftschancen der Ärmsten der Armen. Das interessiert die AfD nicht. Ihr Antrag steht deshalb in völligem Gegensatz zu den bisherigen Bemühungen der Bundesregierung, aber eben auch der Mehrheit dieses Hauses. Und Sie sind auch noch stolz darauf.

Die AfD will zur nationalen Bekämpfung der Coronapandemie in Deutschland Gelder aus der Entwicklungshilfe vereinnahmen.

(Zuruf von der LINKEN: Das ist absurd!)

Ich will an dieser Stelle nur ein paar Beispiele nennen, die ich für völlig inakzeptabel halte. Sie nennen zum Beispiel die Förderung der entwicklungspolitischen Vorhaben der politischen Stiftungen; das ist ja für Sie anscheinend nur Gedöns. Diese leisten aber unverzichtbare, wichtige und wertvolle Arbeit. Sie tragen erheblich zur Stabilisierung und Förderung der Zivilgesellschaften in den Entwicklungs- und Schwellenländern bei.

Weiterhin wollen Sie die entwicklungswichtigen multilateralen Hilfen zum weltweiten Umweltschutz, zur Erhaltung der Biodiversität und zum Klimaschutz streichen. Gerade diese sind aber von globaler Bedeutung. Wir haben nur eine Umwelt, nur ein Klima und nur einen Planeten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir als starkes Industrieland haben unseren Beitrag zu leisten.

Schließlich wollen Sie drei wichtige Sonderinitiativen beschneiden, wie „Eine Welt ohne Hunger“, „Fluchtursachen bekämpfen – Flüchtlinge reintegrieren“ und „Ausbildung und Beschäftigung“. Die AfD bestreitet damit, dass wir das verstärkte Engagement zur Ernährungssicherung und zur Sicherstellung der Grundversorgung zur Verhinderung von Hungersnöten brauchen. Die AfD bestreitet damit, dass wir Flüchtlings- und Krisenregionen stabilisieren, Lieferketten und Arbeitsplätze sichern und die sozialen Sicherungssysteme stärken, aber auch Unternehmen in Schlüsselsektoren wie Textil und Tourismus stützen müssen. Nur so erreichen wir die Nachhaltigkeitsziele der UN, zu denen wir uns im Übrigen verbindlich verpflichtet haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dies geht eben nur mit der verstärkten globalen Zusammenarbeit und nicht mit nationaler Abschottung und einem völligen Rückzug aus der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Deshalb ein weiteres Mal: Danke, AfD, für nichts!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile dem Abgeordneten Frohnmaier das Wort zu einer Kurzintervention.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7448157
Wahlperiode 19
Sitzung 162
Tagesordnungspunkt Corona-Moratorium für Entwicklungshilfe
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