27.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 162 / Tagesordnungspunkt 6

Bärbel BasSPD - Intensivpflege- und Rehabilitation

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Gesetz trägt den Titel „Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung“. Wir haben gerade schon gehört: Wir stärken hier eindeutig den Grundsatz „Rehabilitation vor Pflege“; damit will ich das Prinzip auch noch mal nennen. Im Vorfeld, in den Referentenentwürfen, stand ein anderes Prinzip im Vordergrund, nämlich „ambulant vor stationär“. Das betrifft den Bereich der außerklinischen Intensivpflege. Der war im Vorfeld sehr umstritten und ist es auch bis heute. Ich finde, über diesen berühmten Elefanten im Raum muss man mal reden, weil das im weiteren Gesetzgebungsverfahren ganz entscheidend ist.

Ich glaube, es ist unstrittig, dass wir auch bei der außerklinischen Intensivpflege Qualitätskriterien brauchen. Wir haben nicht umsonst auch Korruptionsfälle gehabt, eine Pflegemafia, die im Hintergrund steht, die Kräfte eingesetzt hat, die weder die Qualifikation für eine Intensivpflege noch Möglichkeiten zur Beatmung hatten. Das muss ausgemerzt werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das muss und soll auch Ziel dieses Gesetzes sein.

Natürlich muss man Qualität dann auch prüfen und kontrollieren können; auch das ist wichtig. Aber was nicht geht, ist, dass wir mit diesem Gesetzentwurf den Eindruck erwecken, als würde diese Leistung für bestimmte Gruppen aus wirtschaftlichen Gründen geprüft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist ja der Punkt, der im Moment auch viel diskutiert wird. Steckt da der wirtschaftliche Gedanke dahinter, weil die Intensivpflege wirklich viele Kräfte bündelt? Ja, das ist im Kern der Intensivpflege so. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir Angst vor einer Unterversorgung erzeugen oder Angst davor, dass jemand anderes den Ort bestimmt, wo man gepflegt wird.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Nicole Westig [FDP])

Diese Prinzipien, glaube ich, sind entscheidend, nämlich das Wunsch- und Wahlrecht – dass ich bestimmen kann, wie und wo ich gepflegt werde – und dass der Staat, dass wir alle mit den Krankenkassen zusammen dafür sorgen müssen, dass die Versorgung auch gewährleistet werden kann. Das müssen wir stärken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Ziel muss das Gesetz verfolgen. Ich glaube, wir können im weiteren Gesetzgebungsverfahren in der Tat noch daran arbeiten, dass das noch deutlicher wird als bisher.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Durch Zufall war ich heute Morgen – das war aber schon lange vereinbart – tatsächlich in einem Haushalt, wo eine Patientin intensiv gepflegt wird; ich stehe noch ein bisschen unter dem Eindruck dieses Besuchs. Da haben wir auch über diese Betrugsfälle gesprochen. Dahinter steckt – das wissen wir mittlerweile alle – eine richtige Mafia. Das sind Strukturen, bei denen ich mir nicht ganz sicher bin, ob wir sie mit dem MDK überprüfen können, ob es Sinn macht, wenn jemand einmal im Jahr bei dieser Patientin vorbeischaut. Sie hat schon von Kindesbeinen an eine Erkrankung, deren Verlauf mit zunehmendem Alter immer schwerer wird. Aber sie ist selbstbestimmt; sie will zu Hause leben. Sie kann das auch – eben mit der intensiven Unterstützung.

Auf der anderen Seite müssen diese Betrugsfälle aufgeklärt werden. Ein MDK, der alle zwölf Monate mal guckt und am Bett sitzt und fragt, ob noch alles in Ordnung ist, macht da keinen Sinn. Wir müssen andere Wege finden, diese Pflegemafia, die es ja gibt, mit der Staatsanwaltschaft und anderen Elementen zu bekämpfen, auch mit Elementen, die wir den Kassen zur Verfügung stellen, damit sie genau das prüfen und ausmerzen können. Das ist, glaube ich, im Sinne aller hier im Hause. Ich glaube nicht, dass wir das mit dem momentanen Entwurf schaffen. Deswegen glaube ich: Da müssen wir nachschärfen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da müssen wir uns noch etwas einfallen lassen, etwa indem wir hier – der Vorschlag liegt ja auf dem Tisch – eine bundesweite Betrugsdatenbank einrichten. Es gibt genügend Vorschläge, etwa mehr Transparenz im Leistungsgeschehen oder im Abrechnungsgeschehen. All das können wir machen, um diesen Sumpf auszutrocknen, und das ist auch richtig.

Aber wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht die Axt an den Patienten legen, der zu Hause ist und Angst hat, dass er dann nicht mehr gepflegt werden kann,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

sondern wir müssen die Axt an die Betrüger legen; die müssen wir bekämpfen. Dieser Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung; aber da müssen wir noch nachschärfen. Ich weiß, dass auch der Koalitionspartner es so sieht, dass wir bestimmte Dinge noch konkretisieren können, um das deutlich zu machen. Ich glaube, das ist im Sinne aller, die dieses Gesetz dann betreffen wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Bärbel Bas. – Nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion Nicole Westig.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7448172
Wahlperiode 19
Sitzung 162
Tagesordnungspunkt Intensivpflege- und Rehabilitation
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