Sonja SteffenSPD - Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Maßnahmen rund um das Coronavirus haben die Wirtschaft im Euro-Raum erheblich beeinträchtigt. Das gefährdet die Preisstabilität; das wissen wir alle. Die Europäische Zentralbank möchte dieser Gefahr nun mit ihrem Pandemie-Notfallkaufprogramm, mit dem sogenannten PEPP, über das wir heute schon viel geredet haben, entgegenwirken. Genau das ist deren Aufgabe. Das Programm wurde im März beschlossen und ist vor zwei Tagen gestartet.
Was aber will die AfD mit Ihrem Antrag? Sie will – ich zitiere Ihren Antrag noch einmal –, dass der Bundestag die Bundesbank auffordert, „im Rahmen des PEPP ab sofort keine weiteren Anleihen aufzukaufen und die bereits erworbenen Titel schrittweise zu veräußern“. Dabei beruft sich die AfD auf das EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020. Hierzu möchte ich drei Bemerkungen machen.
Erstens. Die AfD hätte gerne ihre gute alte Zeit zurück. Das wissen wir. Sie träumen von D-Mark-Zeiten, notfalls auch von einem Nord-Euro und alles möglichst in nationaler Hand. Nur: Auch in der guten alten Zeit – darauf hat der Kollege Rehberg schon hingewiesen – hatten weder die Bundesregierung noch der Bundestag der Bundesbank irgendetwas zu sagen. Das war immer schon so. Die Bundesbank war immer unabhängig. Sie ist es heute noch als integraler Bestandteil des europäischen Systems der Zentralbanken. So wollte Deutschland das. So steht es im Artikel 88 Grundgesetz, den Herr Rehberg schon zitiert hat, so steht es im Bundesbankgesetz, und so steht es in den europäischen Verträgen. Wir stellen also fest – noch einmal, auch für Sie von der AfD-Fraktion –: Die Bundesbank ist unabhängig. Weisungen durch den Bundestag sind verfassungsrechtlich unzulässig. Der Antrag fordert etwas verfassungsrechtlich Unmögliches.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Boehringer?
Nein, ich nehme die Anfrage nicht an, Herr Boehringer.
Zweitens. Bei dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts geht es nicht darum, dass die EZB jetzt ihre Arbeit einstellen muss. Das Bundesverfassungsgericht verlangt in der Entscheidung lediglich, dass bei allen währungspolitischen Maßnahmen der EZB die wirtschaftspolitischen Auswirkungen im Euro-Raum abgewogen und berücksichtigt werden. Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine transparente Verhältnismäßigkeitsprüfung. Es verlangt, dass diese Abwägung offengelegt wird. In der Sachverständigenanhörung im Europaausschuss am Montag ist Folgendes noch einmal klar geworden: Die Verhältnismäßigkeitsprüfung gibt es bereits. Davon können wir sicher ausgehen. Die EZB agiert nicht ins Blaue hinein. Sie analysiert im Vorgriff die wirtschaftspolitischen Auswirkungen ihrer Maßnahmen sehr genau.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Genau so ist es! – Otto Fricke [FDP]: So muss es auch bleiben! – Zuruf von der AfD: Dann muss sie genau das darstellen!)
Wir müssen im Bundestag allerdings darauf hinwirken, dass diese Prüfungen transparenter als bisher werden. Wir müssen aber nicht der EZB in den Arm fallen, sodass sie ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen kann.
Drittens. Die AfD-Fraktion meint, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe allgemeingültige Kriterien für jedes Ankaufprogramm der EZB festgelegt. So ist es aber nicht. Darauf hat der Kollege Toncar hingewiesen. In seinem Eingangsstatement zur Urteilsverkündung hat der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Voßkuhle, darauf ganz ausdrücklich hingewiesen. Das hat er mit Bedacht getan, weil er sich damals schon der Bedeutung bewusst war. Vielleicht hat er kommen sehen, dass Sie daraus irgendetwas drehen. Er hat in seinem Eingangsstatement gesagt, dass aktuelle finanzielle Hilfsmaßnahmen im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Coronakrise eben nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Anfang Mai waren.
Auch aus den Leitsätzen des Urteils ergibt sich das übrigens ganz klar: Für jedes Programm der EZB muss eine eigenständig wertende Gesamtbetrachtung angestellt werden. Denn je nach Anlass der Maßnahme sind die Kriterien eines Programms festzulegen und völlig unterschiedlich. Sie können die sieben Kriterien des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht eins zu eins auf PEPP übertragen. Das geht nicht. So hat es das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nicht gemeint.
(Beifall des Abg. Metin Hakverdi [SPD])
Es gibt keine standardmäßigen Kriterienkataloge, die nun für alle EZB-Programme gelten sollen. Kurz und gut: Wir im Bundestag müssen uns nun darauf konzentrieren, zunächst das EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den bisherigen Ankaufprogrammen umzusetzen; möglichst besonnen, möglichst deeskalierend, vor allem aber unter Anerkennung der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und der Unabhängigkeit der Bundesbank.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort dem Kollegen Peter Boehringer.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7448244 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 163 |
Tagesordnungspunkt | Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank |