28.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 163 / Tagesordnungspunkt 14

Lothar BindingSPD - Corona-Steuerhilfegesetz

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Titel des Gesetzes lautet ja „Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise“. Eigentlich weiß man nicht genau, was damit gemeint ist. Warum? Weil es sich eigentlich um ein Fragment handelt, um ein Fragment, das man einmal einbetten muss in das, was schon geschehen ist: Familienhilfen, Kurzarbeit, Zuschüsse, Darlehen, Nachtragshaushalt in Höhe von 156 Milliarden Euro, die EU-Programme. Da geschah schon sehr viel. Und dann muss man es einbetten in das, was noch kommt; denn wir haben letztendlich einen Pfad zur sozialökologischen Transformation zu begehen. Dieser Pfad ist ziemlich lang. Jetzt kann man sich vorstellen, dass es nicht gelingen dürfte, in ein Gesetz alles, was noch kommt, hineinzupacken, weil die Zukunft länger ist als der Horizont, in dem wir Gesetze machen.

Insofern ist es klug, wenn man es in einen Gesamtzusammenhang einbettet. Fritz Güntzler hat eine Reihe von Dingen genannt. Dass wir über die Verlustverrechnung nachdenken, ist klar. Wir wollen nicht ganz so weit zurückgehen, wie die Grünen das vorschlagen, weil das sehr bürokratisch wäre. Aber die Idee ist gut, mehr und länger zurückzugehen. Verrechnungen sind prima. Dass wir über Möglichkeiten der degressiven Abschreibung nachdenken, um kurzfristig zu helfen, ist auch sehr gut.

(Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hoffentlich sieht Herr Scholz das auch so!)

Übrigens, Olaf Scholz hat damit schon begonnen – untergesetzlich – und gesagt: Die Verluste aus 2020 können mit den Steuervorauszahlungen aus 2019 verrechnet werden. – Vielleicht ist die Dimension noch nicht diejenige, die man sich wünscht.

(Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jetzt hat er’s!)

– Hans, das ist verständlich. – Ein bisschen schneller, ein bisschen mehr ist immer schön. Aber es ist ein erster wichtiger Schritt, der die Weiche gestellt hat. Damit können wir weiterarbeiten. Wir denken außerdem über eine Fristverlängerung im Zusammenhang mit § 7g EStG nach, um Investitionen zu erleichtern.

Wir brauchen vielleicht auch eine Nachfragestimulierung. Das ist aber kompliziert; denn Nachfrage zu stimulieren, ist schwierig. Ich kann zum Beispiel Arbeitnehmern mehr Geld geben, um die Nachfrage zu stimulieren,

(Michael Theurer [FDP]: Oder Mehrwertsteuer senken!)

oder ich kann jemandem Geld geben, um sein altes Autos durch ein neues zu ersetzen. Jeder merkt schon: Das ist ein weites Feld. Das ist auch ein bisschen vermint.

Wenn wir den Unternehmen jetzt so helfen, wie wir das machen, und Abermilliardenrisiken auf die Schultern des Staates laden, dann erwarte ich von der Industrie, dass die Steuergestaltungen ein Ende haben,

(Beifall bei der SPD)

dass der Betrug ein Ende hat, dass es keine Schwarzarbeit mehr gibt, dass prekäre Beschäftigung eingedämmt wird

(Zurufe von der CDU/CSU)

und dass auch der Kassenbetrug aufhört.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich erwarte vom DEHOGA, nachdem wir so geholfen haben, dass die Leerlaufzeit genutzt wird, um alle Gaststätten mit Kassen auszustatten und sich darauf vorzubereiten, dass dann alles, wenn der Hochlauf im September beginnt, endlich fair zugeht.

(Beifall bei der SPD)

Die dafür notwendigen 300 Euro haben die Betroffenen; das ist überhaupt kein Problem. In Erwartung der großen Steuernachlässe können die Unternehmen das jetzt schon antizipieren, also vorwegnehmen, können die entsprechenden Investitionen tätigen. Ich verlange Fairness von den Unternehmen. Diese verlangen Fairness vom Staat. Wir sind bereit, das zu machen. Ich verlange das Gleiche von allen Unternehmen und auch von den Gaststätten.

Unser Präsident Thomas Oppermann hat in der Fraktionssitzung gesagt: Wir sollten aufpassen, dass sich die Gaststätten nicht minder wertgeschätzt fühlen, weil diese eine ganz wichtige gesellschaftliche, kulturelle und soziale Funktion haben. Das ist so. Er hat recht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb machen wir Dinge, von denen wir erwarten können, dass sie auf der anderen Seite entsprechend quittiert werden. Wenn wir jetzt helfen und anschließend betrogen werden, ist das unfair. Das wollen wir nicht. Das muss man auch so sehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ansonsten ist klar: Dieses Gesetz korrespondiert ganz wesentlich mit der Kurzarbeit. Die Kurzarbeitsregeln sind richtig gut. Das Kurzarbeitergeld von 60 Prozent wurde angehoben. Leider haben wir das nicht in einem Schritt auf 80 Prozent geschafft. Das ist nun auf verschiedene Monate verteilt. Aber insgesamt ist das sehr klug. Dass wir jetzt die Kurzarbeitsgelder steuerfrei stellen und damit auch sozusagen die sozialrechtlichen Regelungen der Beitragsfreiheit nachbilden, ist auch sehr gut. Ich meine, das muss erst einmal ein Finanzminister mitmachen; denn er übernimmt damit eine gigantische Verantwortung für die Zukunft. Das bedeutet ja etwas für den Haushalt. Sich zu überlegen, wie man das später wieder reguliert, ist eine große Aufgabe. Wer sich dazu bereit erklärt, der hat unser höchstes Lob verdient.

In diesem Sinne sage ich noch mal schönen Dank für die riesige Vorarbeit der Exekutive.

Herr Binding, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Aggelidis am Schluss Ihrer Rede?

Nein, das würde ich nicht erlauben. Ich glaube, das ist nicht so sehr sinnvoll. – Wir sollten auf dem Boden der Tatsachen bleiben und die Zukunft in den Blick nehmen. Deshalb setze ich mich jetzt wieder hin.

Schönen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. Hans Michelbach.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7448267
Wahlperiode 19
Sitzung 163
Tagesordnungspunkt Corona-Steuerhilfegesetz
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