28.05.2020 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 163 / Zusatzpunkt 7

Michael Georg LinkFDP - Aktuelle Stunde – Finanzierungalternativen des europäischen Wiederaufbaufonds

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein sehr ernstes und schwieriges Thema, über das wir heute reden, und deshalb tut es ihm nicht gut – lassen Sie mich das sehr deutlich sagen, Herr Kollege Gottschalk –, wenn Sie hier durch das Evozieren, das Heraufrufen von Feindbildern, mit Schlachtengemälden, mit verlorenen und gewonnenen Kriegen arbeiten und den Eindruck erwecken, als ob wir hier in einer Situation sind, wo sozusagen der eine den anderen besiegt.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist hier gerade der Vorteil dieser Europäischen Union, dass wir uns vereinigt haben, um jeden Streit nur noch am grünen Tisch zu klären, auch den finanziellen, der manchmal hier selbst unter uns hart ausgetragen wird. Aber was Sie machen, ist eine Wasserscheide zu all dem, was wir vorher gehört haben. Das ist Verhetzung, und deshalb kann ich da nur ganz klar sagen: Ein Glück, dass wir die Europäische Union haben und unseren Streit friedlich regeln.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen ja gerade – lassen Sie mich das sehr deutlich sagen, weil es hier überhaupt nicht gesagt worden ist – auch finanziell mehr Verantwortung für Europa übernehmen, und dazu stehen auch wir als Freie Demokraten. Unser Beitrag zur EU wird alleine schon durch den Brexit von früher einem Fünftel auf jetzt ein Viertel steigen. Das ist unbenommen, das ist klar. Aber das erhöht doch auch unsere Verantwortung, hinzuschauen, wohin das Geld geht. Deshalb sage ich das Folgende mit Blick vor allem auf die von mir sehr geschätzten und respektierten Haushälter der CDU/CSU: Schauen Sie da bitte genauer hin, was da von wegen Befristung und Begrenzung vorliegt. Ich glaube Ihnen, Kollege Rehberg, sehr wohl, dass Sie das wollen. Das findet sich in den Vorschlägen leider noch nicht so.

Also: Wir sind am Anfang eines Prozesses. Deshalb haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt, weil wir sensibilisieren wollen für das, auf was wir jetzt achten müssen. Wie hoch soll das sein? Welche Instrumente sollen genutzt werden? Wofür soll das Geld ausgegeben werden? Und wie lange soll das alles laufen?

Die erste Frage: Wie viel? Ich glaube, dass die Höhe an sich schon ein Problem ist. Die Höhe an sich verhindert, dass wir das machen, was wir eigentlich machen sollten. Auch darauf hat Kollege Rehberg absolut richtig hingewiesen. Die über 280 Milliarden Euro RALs – die sogenannten RALs, ein wunderschönes technisches Wort; das, was nicht ausgegeben ist, was gebunden herumliegt, aber nicht genutzt werden kann – müsste man nutzen. Die große Höhe verhindert aber, dass wir die Mittel in der besten Art und Weise einsetzen, und natürlich wird jeder nur die Zuschüsse wollen.

Das ist der zweite Punkt: Welche Instrumente? Die Zuschüsse sind natürlich sehr viel attraktiver als die Darlehen. Ich glaube, dass wir damit Fehlanreize schaffen. Denn die Kommission ist keine Bank. Die Europäische Investitionsbank könnte sehr wohl diese Darlehen begeben. Aber die Kommission ist, ehrlich gesagt, aus meiner Sicht überfordert, wenn sie jetzt hier mit Darlehen anfangen will.

Wofür? Konditionalitäten? Da bleibt es sehr, sehr vage. Lesen Sie die Texte! Es bleibt sehr vage, was vorgeschrieben und was an Bedingungen vorgelegt wird, wofür das Geld eingesetzt werden kann. Im Wirtschaftsausschuss gab es gestern eine spannende Anhörung, haben Kollegen berichtet. Da wurde gesagt: Beim Wofür kommt es hauptsächlich an auf Solvenzsicherung europäischer Unternehmen in der Krise. Wie viel sieht von der Leyen dafür vor? 31 Milliarden Euro! Wie viel gehen an die Staaten für Investitions- und Kohäsionsprogramme? 610 Milliarden Euro! Das ist Geld für weitgehend schon immer gewünschte Vorhaben dieser Staaten, die aber nichts mit der Coronakrise zu tun haben. Hier soll die Krise offensichtlich dafür genutzt werden, Finanzmittel über eine Verschuldung am Anleihemarkt bereitzustellen. Das kann doch nicht der richtige Weg sein.

(Beifall bei der FDP)

Und dann: Wie lange? Auch da steckt der Teufel im Detail. Es wird gesagt: zwei Jahre. In den Texten steht: Bis 2024 soll Next Generation genutzt werden können, und die Rückzahlungen laufen ab 2028 bis 2058. Im ganz klein Gedruckten steht, dass ein Rückfall der Eigenmittelobergrenze, die man jetzt ausnahmsweise erhöhen will, erst dann stattfindet, wenn alles zurückgezahlt ist, also 2058.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Programme so weit über die eigene politische Tätigkeit hinaus zu machen, ist an und für sich schon fragwürdig.

(Zuruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir fordern dringend, dass dieses Programm kleiner wird, dass es sich auf Darlehen konzentriert statt auf Zuschüsse. Wir fordern eine striktere Begrenzung dieses Programmes, und wir fordern vor allem, dass es zielgenauer eingesetzt wird, nicht für die Unterstützung von Programmen von Staaten, die sie ohnehin schon einmal machen wollten, aber nicht finanzieren konnten,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es muss in die Zukunft gehen!)

sondern dass es wirklich sehr genau auf die Krisenfolgen begrenzt wird.

(Beifall bei der FDP)

Ein letzter Satz. Es wird gesagt: Gab es doch alles schon. Zuschüsse gab es schon aus dem EU-Haushalt – stimmt, aus dem EU-Haushalt – und Anleiheaufnahmen. – Ja, gab es: Anleihen für Dinge, die nicht aus dem EU-Haushalt liefen. Jetzt verknüpfen Sie aber beides; jetzt sollen zum ersten Mal Zuschüsse gemacht werden aus dem EU-Haushalt, die mit Anleihen finanziert sind. Das ist etwas Neues, und da ist sehr wohl die Frage, ob das nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden muss, wenn Sie das in den Eigenmittelbeschluss schreiben wollen. Also: Vorsicht an der Bahnsteigkante! Das muss sehr genau überprüft werden. Wir raten hier dringend zu einem maßvolleren Programm.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Link. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Patricia Lips, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7448303
Wahlperiode 19
Sitzung 163
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde – Finanzierungalternativen des europäischen Wiederaufbaufonds
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