Andreas SchwarzSPD - Aktuelle Stunde – Finanzierungalternativen des europäischen Wiederaufbaufonds
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich beginne gerne mit einem Zitat von Gesine Schwan. Sie hat einmal gesagt – das ist noch gar nicht so lange her –:
Solidarität heißt in der sozialdemokratischen Tradition nicht Barmherzigkeit oder Armenhilfe, sondern gegenseitiges Einstehen von Partnern füreinander im Bewusstsein, dass wir alle unverschuldet in Not geraten können.
Meine Damen und Herren, genau darum geht es hier. Die Coronapandemie hat weltweit unzählige Menschen und Unternehmen unverschuldet in Not geraten lassen. Gerade wir hier in Europa haben gemerkt, was es bedeutet, wenn das gesellschaftliche, aber auch das wirtschaftliche Leben in vielen Bereichen heruntergefahren, ja, teilweise sogar zum Stillstand gebracht wird.
Große und mittlere Unternehmen geraten in ernste Schwierigkeiten. Millionen von Menschen sind in Kurzarbeit, und das nicht nur in Deutschland, sondern überall in der Welt. Wir in Deutschland können feststellen: Unsere gute Haushaltspolitik und auch das funktionierende Sozialgefüge, das wir haben, hat sich in dieser Krise bewährt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt haben wir doch die Chance, in dieser großen Bewährungsprobe zu zeigen, dass wir es können, dass wir in Europa zueinanderhalten und dass wir füreinander da sind; das erwarten die Menschen letztendlich auch von uns. Wir müssen zusammenhalten. Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft und wird es auch immer bleiben.
Meine Damen und Herren, seien wir ehrlich: Wer die europäischen Ablaufprozesse kennt, weiß, dass manches manchmal lang dauern kann, dass manchmal vielleicht auch kein Ergebnis kurzfristig zustande kommt. Doch diesmal ist es wirklich anders. Nicht nur, dass wir hier in Deutschland, im Bundestag, schnell, unbürokratisch und vor allen Dingen effektiv geholfen haben und auch weiterhin helfen werden. Auch auf europäischer Ebene ist uns das bisher gelungen. So haben Olaf Scholz und die anderen EU-Finanzminister bereits vor Ostern ein 540-Milliarden-Hilfsprogramm bereitgestellt. Unterstützungspakete für Arbeitsplätze, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für kleinere und mittlere Unternehmen sowie für Mitgliedstaaten wurden hier geschnürt. Das nenne ich nachbarschaftliche Solidarität. Das ist Bestandteil der europäischen Idee; das ist es, was Europa jetzt auch braucht.
Unser Finanzminister hat mit seinem französischen Kollegen auch weiterhin das Heft des Handelns in die Hand genommen. Sehen wir die Initiative von Frankreich und Deutschland doch positiv: Es ist für Europa wichtig, dass die Achse Berlin-Paris funktioniert und in der europäischen Familie auch Verantwortung übernimmt. Die EU-Kommission hat ja auch sehr schnell reagiert, greift den Vorschlag auf und erweitert das Paket auf 750 Milliarden Euro; davon sollen 500 Milliarden Euro als Zuschüsse und 250 Milliarden Euro als Kredite ausgereicht werden. Eine Fondslösung ist sicherlich ein bewährtes Mittel; mit dieser Idee arbeiten wir auch in Deutschland erfolgreich. Verbunden mit Programmen zur Beschleunigung des Green Deals und der Digitalisierung werden wir den Neustart der europäischen Wirtschaft und ihre Anpassungen an die zukünftigen Herausforderungen schaffen; da bin ich mir ganz sicher.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist durchaus bewusst, dass sich innerhalb der großen Europäischen Union, vor allen Dingen bei unseren Nachbarn in Österreich und den Niederlanden, bezüglich der Frage der Ausgestaltung Unmut regen kann. Das muss Demokratie aushalten, und darüber müssen wir mit unseren Partnern letztendlich dann auch reden. Ob Zuschüsse oder Darlehen der Weisheit letzter Schluss sein können, muss man schon unter dem Gesichtspunkt von sozialen und ökologischen Komponenten mit Fragen der Rechtsstaatlichkeit, der Steuerehrlichkeit und der Steuergerechtigkeit verknüpfen und auch gemeinsam abwägen. Wir wollen und dürfen uns hier sicher nicht an China orientieren, wo niedrige Menschenrechtsstandards oder Sozialstandards als Wettbewerbsvorteile gelten. Wir brauchen klare und gerechte Konditionen und Abmachungen. Ausschließlich ökonomische Zwecke dürfen nicht Grundlage für eine positive Entwicklung der EU werden. Europa muss wertebasiert entwickelt werden.
Eines muss aber auch sicher sein: Hier hilft keine Gießkanne. Wir wollen keine Haushaltslöcher stopfen, sondern zusätzlich zu nationalen Investitionen Mittel mobilisieren, die die Zukunftsfähigkeit unseres Kontinents sichern. Letztendlich geht es bei diesen Hilfeleistungen um den Erhalt und die Verteidigung des europäischen Binnenmarktes und damit um die Zukunft Europas auch als Wertegemeinschaft. Es ist schon angeklungen: 60 Prozent unserer Exporte gehen ins europäische Ausland.
Ich bin deshalb guter Dinge, dass Olaf Scholz und alle Beteiligten ein vorzeigbares Ergebnis zum Wohle Europas erzielen werden. Unsere Botschaft an Europa ist klar: Wir müssen zusammenhalten und Solidarität leben. Wir sind Nachbarn, die eng zusammenstehen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Kollege Schwarz. – Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kollege Alexander Radwan, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7448305 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 163 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – Finanzierungalternativen des europäischen Wiederaufbaufonds |